2024 WLZ 12. 09. „Ich bin auf Ausgleich bedacht“
Dr. Hartmut Wecker kandidiert am Sonntag für Vorsitz des Geschichtsvereins
Er tritt bei der Wahl am Sonntag in Rhoden an: Dr. Hartmut Wecker aus Korbach will Vorsitzender des traditionsreichen Waldeckischen Geschichtsvereins werden. Foto: Schilling Korbach/Rhoden – Jüngere Mitglieder gewinnen, das Archiv ausbauen, das Platt dokumentieren, um es vor dem Aussterben zu bewahren – Dr. Hartmut Wecker hat sich schon einige Gedanken gemacht, was er als Vorsitzender des Waldeckischen Geschichtsvereins alles angehen würde. Bei der Jahrestagung am nächsten Sonntag in Rhoden stellt er sich den Mitgliedern zur Wahl – Amtsinhaber Günter Engemann will wie im Juni berichtet nicht noch einmal antreten.
„Ich freue mich darauf, die Funktion übernehmen zu dürfen“, sagt Dr. Wecker. Er gehöre dem Geschichtsverein zwar schon seit 26 Jahren an, aber er habe nie daran gedacht, dieses Amt einmal zu übernehmen – eine „Findungskommission“ aus der stellvertretenden Vorsitzenden Britta Hein, der Vorsitzenden der Schriftleitung, Dr. Birgit Kümmel, und dem Vorsitzenden der Bad Arolser Bezirksgruppe, Erhard Kraft, hatte ihn im Frühsommer angesprochen. „Der Geschichtsverein ist eine zu bedeutende Institution, um Nein zu sagen“, erklärt Dr. Wecker.
Er habe sich mit dem Gedanken beschäftigt und mit Günter Engemann über die Aufgaben des Amtes gesprochen. Im Juni sagte der 68-jährige seine Kandidatur zu. Führungserfahrungen hat der Korbacher, der von 1992 bis 2023 in der Kreisverwaltung den Fachdienst Öffentlichkeitsarbeit, Kultur, Paten, und Partnerschaften geleitet hat, die Theaterwoche mitorganisiert und sich in Stiftungsvorständen engagiert.
Er ist gut vernetzt und kennt sich kreisweit aus in der Kultur, in der Museumslandschaft und dem Bibliothekswesen. Und der promovierte Musikwissenschaftler forscht selbst. Er hat in den Geschichtsblättern für Waldeck Beiträge veröffentlicht oder mit Prof. Friedhelm Brusniak das Standardwerk zur Musikgeschichte in Waldeck-Frankenberg vorgelegt. Ein Aufsatz über einen in der Bad Arolser Brehm-Bibliothek gefundenen Brief von Richard Wagner ist in Arbeit.
Als Vorsitzender habe er eine „moderierende Funktion“, beschreibt Dr. Wecker. Statt auf strenge Hierarchien setze er auf das partnerschaftliche Miteinander. „Ich bin auf Ausgleich und Zusammenwirken bedacht.“ Es gelte, „gemeinsam Ziele zu formulieren“.
Voraussetzung für seine Kandidatur sei ein vollständiger und kontinuierlich arbeitender Vorstand gewesen – und da seien „alle wichtigen Funktionen besetzt“. Als Neuzugang „brauche ich Leute, die die Abläufe kennen“. Außerdem rückten Leute nach, „denen ich vertraue“. Er wolle auch „die Verjüngung im Auge halten“.
Der Geschichtsverein sei ein Forum, das Heimatforscher und Uni-Wissenschaftler zusammenbringe und wichtige Grundlagenarbeit leiste, die an Universitäten so nicht möglich sei. Die Publikationen seien zudem eine Basis für die akademische Geschichtswissenschaft.
Die sieben Bezirksgruppen seien eine „Stärke des Geschichtsvereins“, betont er. Wichtig sei, diese Struktur zu erhalten – Waldeck sei zu differenziert, als dass der große Hauptverein auf die Gruppen verzichten könnte.
Eines wisse er: „Die Aufgabe wird mich stark fordern.“ Über eine zweite Wahlperiode wolle er in drei Jahren nachdenken und prüfen: Was ist erreicht? Und was sind neue Ziele? -sg-
Jugendliche gewinnen und Archive ausbauen
Ein paar Ideen hat Dr. Hartmut Wecker schon gesammelt, die er als gewählter Vorsitzender umsetzen will:
Plattarchiv
„Das Plattarchiv hat für mich eine große Priorität“, sagt Dr. Wecker. „Der Aufbau muss unbedingt weitergehen.“ Das Platt sei keine Folklore, sondern ein wichtiger Bestandteil Waldecks. Lange Zeit sei in den Schulen der Fehler begangen worden, die niederdeutsche Sprache als „no go“ zu behandeln. Das pädagogische System habe so den Sprachverlust begünstigt. Umso wichtiger sei, einen neuen Schwung ins Archiv zu bringen.
Er wolle seine Kontakte zum Deutschen Sprachatlas nutzen, der zur Marburger Universität gehört und ebenfalls schon waldeckische Bestände dokumentiert habe. Die große Chance einer Zusammenarbeit sei, zu einem „einheitlichen Prozedere“ zu kommen, das zugleich wissenschaftliche Standards gewährleistet. Welche Strukturen das Archiv erhalten solle, müssten die Gespräche mit den Akteuren ergeben.
„Zentralarchiv“
Auch die Bibliothek und das Archiv in Bad Arolsen könnten weiter ausgebaut werden, erklärt Dr. Wecker: Es gebe zum Beispiel Anfragen des Sportbundes oder des Waldeckischen Sängerbundes, Archivalien dem Geschichtsverein zu übergeben. Die Bewahrung von historischen Dokumenten sei eine wichtige Aufgabe des Vereins, betont er: „Alles, was weggeworfen wird, ist unwiderbringlich verloren.“
Vielleicht lasse sich ein „Zentralarchiv“ schaffen, in dem Vereine und ihre Dachverbände Material abgeben können, und mit dem Forscher eine Anlaufstelle bekämen. Nur: Dafür reicht der Platz im Schreiberschen Haus nicht aus – „es wäre wünschenswert, eine externe Lösung zu finden“. Dafür müsse der Verein „Geld in die Hand nehmen“. Er verfüge durch seinen Beruf über ein Netzwerk, dass er nutzen könne.
Jugendarbeit
Mit Blick auf die Altersstruktur im Verein will Dr. Wecker die Arbeit mit Jugendlichen forcieren. Ihnen sei stärker zu vermitteln, dass „Geschichte etwas ist, das uns alle angeht“, sie präge die Gegenwart. Nur seien Vereinsmitglieder meist Ältere, Jüngere seien eher an Projektarbeit interessiert. Er wolle sich mit Leuten um Sebastian Steiner zusammensetzen und „den Versuch starten, diese Altersgruppe zu erreichen“.
Der Geschichtsverein könne Fahrten anbieten oder nach dem Vorbild der Korbacher Bezirksgruppe Geschichtspreise für Schüler ausloben. Arbeiten könnten in den Geschichtsblättern veröffentlich werden, er kann sich aber auch neue Formate vorstellen – etwa Podcasts, die im Internet veröffentlicht werden. „Da können wir mit Geschichtslehrern etwas machen.“ Junge Leute konnten auch an der Weitergestaltung des Vereins-Homepage mitarbeiten und Ideen sammeln.
Digitalisierung
Diskutiert werden müsse zudem, wie der Verein mit der fortschreitenden Digitalisierung umgeht. Werden etwa Publikationen auch online veröffentlicht? „Es ist notwendig, sich zu öffnen.“ -sg-