Flugblätter fliegen von der Kanzel
Theatergottesdienst in Waldeck mit bewegenden Momenten
Theatergottesdienst: Sophie Scholl (Friederike von Krosigk) und Eva Gerlach-Kling am E-Piano. Foto: Christel Kiewitter
Waldeck – Anlässlich des Reformationstags und des Gedenkens an die Pogromnacht wurde in Waldeck ein Theatergottesdienst abgehalten. Friederike von Krosigk (Schauspiel, Gesang) und Eva Gerlach-Kling (Klavier, Orgel, Gesang) brachten das Programm „Starke Frauen der Reformation“. Die Vorstellung wurde umrahmt von einem Gottesdienst, den Pfarrer Til Anders Follmann aus Waldeck leitete. Der Ortskirchenbeirat Waldeck hatte die Veranstaltung organisiert.
Gerlach-Kling eröffnete am Klavier mit einem Präludium von Mendelssohn Bartholdy. Kurz danach leitete Pfarrer Follmann das Theaterstück ein. Dargestellt wurden zwei Frauen: die Nonne Katharina von Bora und Sophie Scholl, Mitglied der Widerstandsorganisation „Die weiße Rose“ in Nazideutschland.
Der erste Teil der Vorstellung zeigte Katharina von Bora, die an ihrem Lebensstil im Kloster zweifelt. Von Krosigk spielte sie mit einer mädchenhaften, fast naiven Begeisterung. Im Schauspiel erhielt von Bora einen Brief, in dem Martin Luthers Lehren beschrieben werden. Von Bora wandte sich, trotz des Status als entlaufene Nonne, vom Klosterleben mit dem Ziel ab, nun in der Welt für Jesus Christus zu wirken. Zwischen den Szenen sang von Krosigk, zum Teil zweistimmig mit Gerlach-Kling, Klostergesänge sowie Lutherlieder. Kraftvolle Orgelklänge leiteten über zum zweiten Teil des Theaterstücks, in dem fünf Szenen aus dem Leben von Sophie Scholl dargestellt wurden. Die Darstellerinnen zeigten, wie Sophie Scholl sich mit Anfang 20 der „Weißen Rose“ anschloss. Ihr Aktivismus mündete im Verteilen von Flugblättern, wobei sie und ihr Bruder gefangengesetzt und hingerichtet wurden. Von Krosigk stieg auf die Kanzel und warf Flugblätter ins Publikum. Es taumelten Kopien der originalen Flugblätter der Scholls ins Publikum, mit dem Text: „Freiheit der Rede, Freiheit des Bekenntnisses, Schutz der einzelnen Bürger vor der Willkür verbrecherischer Gewaltstaaten!“
In den 1990er Jahren erhielt die Schwester von Sophie und Hans Scholl die Akten zum Verhör ihrer Geschwister. Dort fand sie auf der Rückseite eines Blattes die letzten schriftlichen Wörter ihrer Schwester: „Freiheit. Freiheit“, so hauchte die Sophie auf der Bühne.
Das Duo sang zwischen den Szenen Volksweisen mit dem ikonischen „Die Gedanken sind frei“ als Höhepunkt. Das Ende der Geschichte wurde an der Orgel begleitet mit einem Adagio von Bach, das von Krosigk mit Kastagnettenrhythmen und Tanz begleitete. Das Theaterstück beendete das Duo mit dem Titel „Spar deinen Wein nicht auf für morgen“ von Gerhard Schöne.
Zum Ausklang des Gottesdienstes brachte Gerlach-Kling am Klavier Filmmusik von „Schindlers Liste“. Das Duo wurde mit stehendem Applaus bedacht und vom Ortskirchenbeirat mit Blumen verabschiedet. Die beiden gastieren im Februar in der Klosterkirche Netze, wo sie, zusammen mit Stefan Kling, eine Vorstellung zum Thema Liebe bringen.
CHRISTIANE TRIERWEILER
2024 WLZ 26. 11.