2024 WLZ 09. 01. 700 Traktoren bei Protest

Landwirte demonstrieren in Korbach und auf der Autobahn

VON LUTZ BENSELER UND ELMAR SCHULTEN

Auf der Autobahn: Mehrere Hundert Schlepper fahren bei Diemelstadt auf der A 44. Foto: Elmar Schulten

Waldeck-Frankenberg Bauern aus Waldeck-Frankenberg haben am Montag mit Traktoren-Konvois gegen die Subventionspolitik der Bundesregierung demonstriert. Mit einer Auftaktkundgebung in Korbach starteten die Proteste, anschließend fuhren die Landwirte über die Autobahn 44 bei Diemelstadt.

Schon seit dem frühen Morgen rollten aus dem Landkreis Traktoren in die Kreisstadt. Rund 700 Schlepper und 150 weitere Fahrzeuge standen laut Polizei auf der Hauer und den umliegenden Straßen – mehr, als die Kreisbauernverbände erwartet hatten. Heiko Kieweg, Vorsitzender des Kreisbauernverbandes Waldeck, kritisierte bei der Kundgebung die Agrarpolitik der Bundesregierung. Die deutsche Landwirtschaft werde durch zusätzliche Belastungen im EU-Binnenmarkt geschwächt: „Weltmarktpreise und immer weiter steigende Kosten passen einfach nicht zusammen.“ Die regionale Erzeugung und heimische Lebensmittelversorgung würden so gefährdet. Kieweg: „So verlagern wir immer mehr Produktion ins Ausland zu Bedingungen, auf die wir dann keinen Einfluss mehr haben. Wer das unterstützt, der legt die Axt an den Stamm der bäuerlichen Landwirtschaft.“

Weitere Redner waren die Junglandwirte Franziska Hensche (Helsen) und Benedikt Kleine (Schmillinghausen). „Wir brauchen eine sichere Grundlage für unsere Zukunft und nicht immer eine Unsicherheit, was nach der nächsten Auflage kommt und ob es überhaupt noch Sinn macht, weiterzumachen“, sagte Kleine. In einem scheinbar nicht endenden Konvoi fuhren anschließend rund 750 landwirtschaftliche Fahrzeuge und einige Dutzend Zugmaschinen von Spediteuren von der Polizei geleitet von Korbach Richtung Diemelstadt.

An der Autobahnraststätte „Biggenkopf“ fuhren die Schlepper auf die A 44 in Richtung Kassel auf und kehrten nach etwa zwei Kilometern an der Abfahrt Diemelstadt wieder auf die Bundesstraße 252 zurück.

Kieweg hob die gute Zusammenarbeit mit der Polizei hervor. Absperrungen und Verkehrslenkungen hätten hervorragend funktioniert, auch die mitfahrenden Landwirte hätten sich vorbildlich korrekt verhalten. Zufrieden zeigte sich auch Manfred Bergener, Leiter der Korbacher Polizeistation. Der Konvoi sei geordnet verlaufen. ➔ SEITE 3

BAUERNPROTESTE  Aktionen in Korbach und auf der A 44 Im Konvoi gegen Kürzungen

VON HEIKE SAURE, ELMAR SCHULTEN UND LUTZ BENSELER

Auftaktkundgebung auf der Hauer: Mehr als 700 Landwirte waren mit ihren Schleppern nach Korbach gefahren.

Waldeck-FrankenbergBereits m 8.30 Uhr rollten die ersten Traktoren aus dem Waldecker Nordkreis in Twiste auf die B 252 und legten den Verkehr aus Richtung Bad Arolsen lahm. Dicht an dicht reihten sich mehr als 300 Traktoren, Autos, Quads und Lastwagen aneinander. Viele waren mit Plakaten versehen, beispielsweise: „Ohne uns seid ihr morgen hungrig, nackt und nüchtern“.
Über eine Stunde lang zog sich der Konvoi durch Twiste in Richtung Korbach. Die protestierenden Landwirte, die auch von Garten- und Landschaftsbauern, Forstbetrieben, Landtechnikfirmen, Speditionen und Tierärzten unterstützt wurden, waren über die alte Bundesstraße von Bad Arolsen gekommen. Viele entgegenkommende Autofahrer zeigten den Landwirten „Daumen hoch“ oder hupten aus Solidarität. Auch aus Richtung Frankenberg machten sich Hunderte Landwirte mit ihren Traktoren auf den Weg nach Korbach.
Ab 10 Uhr füllte sich der Platz auf der Hauer in Korbach mit Menschen, darunter nicht nur Landwirte und ihre Familien. Die Korbacherin Gaby Hein etwa hatte aus Karton ein Schild gebastelt: „Ohne Landwirtschaft bleibt der Teller leer.“ Ihr sei es wichtig, die Bauern bei ihrem Protest zu unterstützen. Eine Bekannte, mit der sie zur Kundgebung gekommen war, fordert auf einem Schild, Renten nicht mehr zu besteuern.
Ein Autohändler aus Volkmarsen hatte sich ebenfalls dem Protest angeschlossen: Er sei mit der ganzen politischen Situation unzufrieden. Es sei an der Zeit, dass die Regierung einlenke, bevor der Mittelstand verschwinde.
Rechte Parolen und Symbole gab es bei der Kundgebung in Korbach nicht, vereinzelte Reichsbürger blieben Randerscheinungen. Schon bei der Aufstellung des Protestzuges an der Mengeringhäuser Hagenstraße wurde ein „Querdenker“ mit vielsagendem Plakat aus der Schlange komplementiert.
Nach der Kundgebung in Korbach ging es über die Bundesstraße  252 Richtung Diemelstadt. Unterwegs auf den Brücken über die Bundesstraße hatten sich winkende Schaulustige mit Plakaten postiert. Auch entgegenkommende Brummi-Fahrer grüßten hupend mit „Daumen hoch“-Zeichen.
In Diemelstadt angekommen, wurde der Demonstrationszug mit laut Polizei noch rund 750 Fahrzeugen über Schleichwege zur Autobahnraststätte „Am Biggenkopf“ geleitet, wo die Landwirte mit ihren Treckern auf die Autobahn fuhren. Doch schon nach etwa zwei Kilometern ging es an der Abfahrt Diemelstadt wieder zurück auf die Bundesstraße.
Die Polizei regelte den Verkehr im Kreuzungsbereich an der Ableitung Richtung Wrexen. Das Ende der Schlange befand sich zu diesem Zeitpunkt noch bei Schmillinghausen.
Die Polizei in Nordrhein-Westfalen hatte vorher die Autobahn 44 an der Anschlussstelle gesperrt und leitete den Verkehr über die Bundesstraße 7 bis zur Auffahrt Warburg. Von der Anschlussstelle Marsberg gab es laut Verkehrsfunk dadurch einen Rückstau bis nach Lichtenau.