2024 WLZ 30. 04. 900 JAHRE KLOSTERKIRCHE Jubiläum in Ober-Werbe

„Lasst die Kirche im Dorf!“

900 Jahre alt: Bei einer Führung zeigte Kirchenkenner Dr. Jürgen Römer die früheren Ausmaße der Klosterkirche. Etwa seit 1706 hat sie ihre heutige Form; die Seitenschiffe wurden abgebrochen und die Arkaden vermauert. Fotos: Conny Höhne
Die zweitälteste Kirche der Region ist stolze 900 Jahre alt. Mit einem klingenden, singenden Festgottesdienst und einer historischen Spurensuche wurde der besondere „Geburtstag“ des der Kirche gefeiert, deren bedeutendstes Geheimnis erst vor 21 Jahren gelüftet wurde.
Von Conny Höhne
Waldeck-Ober-Werbe Der Posaunenchor aus Sachsenhausen stimmte auf dem Kirchplatz auf die besondere Feier ein, die der Ortskirchenbeirat mit viel Liebe zum Detail organisiert hat. Vorsitzende Susanne Emden begrüßte zahlreiche Besucher in der voll besetzten Kirche und auf dem Außengelände und überbrachte Grüße der Pfarrerin Ursula Nobiling.
In Vertretung der Seelsorgerin gestaltete der langjährige frühere Pfarrer Werner Hohmeister einen feierlichen Gottesdienst, der alle Generationen zusammenführte. Die jüngsten Kirchenbesucher brachten der Kirche ein vielstimmiges Geburtstagsständchen: Der Kindergottesdienstchor Ober-Werbe/Niederwerbe/Basdorf sang sich in die Herzen der Zuhörer ein. Mit Musik ging es weiter im Programm: Die Gemeinde brachte beim Kanon „Lobe den Herrn, meine Seele“ das Gotteshaus zum Klingen, und der Gitarrenchor bereicherte die Feier mit Gesang und Instrumentenklang.
Die Kirche war über Jahrhunderte die sichtbare und geistliche Mitte des Dorfs und der Gemeinde, sagte Pfarrer Hohmeister in seiner Ansprache. Sie war in Krieg und Friedenszeiten, Not und Freude Mittelpunkt des Ortes. Deswegen zeigte sich der Pfarrer zuversichtlich, dass sie auch die aktuellen Diskussionen auf Kirchenebene um die Erhaltung der kirchlichen Immobilien nicht erschüttern könne. „Lasst doch die Kirche im Dorf, sie hat eine große Kraft,“ forderte er auf.
Mit einem bunten Gemeindefest wurde das Kirchenjubiläum im Dorfgemeinschaftshaus weiter gefeiert. Ortskirchenbeiratsvorsitzende Emden dankte allen Helfern und den 40 Kuchenspenden für ihre Unterstützung. „Viele Generationen haben die Kirche ein wenig verändert, aber alle haben versucht, sie zu erhalten.“ Das bleibe auch weiterhin erklärtes Ziel. „Ich bin mir ganz sicher, dass auch das 1000-jährige Jubiläum gefeiert werden kann.“
Zum Erhalt „dieser schönen Kirche mit Klostertradition“ wünschte Pfarrer Til Anders Follmann von der Gesamtkirchengemeinde alles erdenklich Gute. Ortsvorsteher Lars Meermann sagte, das Jubiläum sei Anlass, sich an Vergangenes zu erinnern und es in Ehren zu halten.
Für Feuerwehr und den Förderverein DGH Klosterblick würdigte Wilhelm Emden die Bedeutung der Kirche als Ort des Glaubens, der Hoffnung und des Zusammenhalts. Erster Stadtrat Bruno Arlt dankte für die Ausrichtung dieses besondern Festes. „Möge das Gotteshaus auch in Zukunft Versammlungsort der kirchlichen Gemeinde sein.“
Die SPD-Bundestagsabgeordnete Esther Dilcher sagte in ihrem Grußwort: „Kirchen haben eine magische Anziehungskraft.“ „Waldecker Flachgeschenke“ zum Jubiläum sollen für die Giebelsanierung verwendet werden.
Simpler Fehler beim Abschreiben hat große Folgen
Ein „simpler Abschreibefehler“ beim Gründungsjahr hatte laut Kirchenexperte Dr. Jürgen Römer große Folgen. Aus der 1124 wurde nämlich 1194, weil die sich sehr ähnlich sehenden Schrifttypen 2 und 9 verwechselt wurden. „In irrtümlicher Verbindung mit der Gründungsbestätigung des Klosters Berich von 1196 entstand eine vermeintliche Urkunde für das Kloster Werbe aus dem Jahr 1194, in der explizit außer dem Kloster Werbe von einer Kirche im Tal der Werbe die Rede sei.“
Über die 1194 seien viele Generationen gestolpert. Der spätere Landeskonservator wunderte sich über die vermeintlich primitiv anmutenden Bauformen und suchte eine Erklärung dafür. Römer: „Bei einer so riesigen Kirche für ein winziges Dorf hätte man schon vorher darauf kommen können, dass es sich um eine Klosterkirche gehandelt haben muss.“  höh

Aus Männerkonvent wurde Frauenkloster
Zwischen 1125 und 1129 wurde ein Männerkonvent gegründet und 1155 in ein Frauenkloster umgewandelt. Das genaue Gründungsjahr der ursprünglich dreischiffigen Basilika ist nicht bekannt. Dr. Jürgen Römer, Mitautor des Buchs „Romanische Kirchen in Waldeck“, datiert es zwischen 1124 und 1150. Streng genommen stehe die Kirche nicht im Waldeckischen, sondern in Hessen. Bis zur Gebietsreform vor 50 Jahren trennte die Werbe die damals eigenständigen Gemeinden Ober-Werbe (Kreis Waldeck) und Ober-Werba (Kreis Frankenberg) – heute vereint als Dorf Ober-Werbe. Römer: „Das ist ein Kleinod der hessischen Ortsgeschichtsschreibung.“ höh

Uhrwerk zurückgeholt

Historisches Relikt: Das alte Kirchenuhrwerk ist zurück in Ober-Werbe. Darüber freut sich der Ortskirchenbeirat mit Susanne Emden, Gudrun Simshäuser, Torsten Brand, Andreas Best, Reinhild Vallbracht, Elvira Bönisch (stehend von links) und Nicole Kummer (vorn); im Bild fehlt Friedhelm Brücher. Foto: Conny Höhne
Vor kurzer Zeit wurde das alte Kirchenuhrwerk im Heimatmuseum in Frankenberg „wiederentdeckt“. Rechtzeitig zum Jubiläum kehrte es zurück ins Werbetal. Der Transport war keine leichte Angelegenheit, und ging nicht ohne Beulen ab, sagt Susanne Emden vom Ortskirchenbeirat. Aus welcher Zeit das Uhrwerk stammt, ist unklar.
Die Kirchengemeinde hofft, dass dieses und weitere Rätsel aus der Geschichte mit der Hilfe eines Experten ans Tageslicht kommen, berichtet Andreas Best. Der älteste Dorfbewohner Karl-Heinz Brücher (89) kennt das alte Uhrwerk noch aus Jugendzeiten. „Wir Konfirmanden mussten an der Orgel immer den Blasebalg treten.“ Lehrer Mengel gab die Kommandos: „Luft, Luft, Luft.“
Damals in 1949 stand das Uhrwerk auf der Empore, war aber nicht mehr intakt. Fünf Jahre später wurde die Holzempore abgebaut, auf der die Orgel stand, und das Uhrwerk kam ins Heimatmuseum nach Frankenberg. „Die Uhr selbst habe ich nie gesehen,“ sagt Brücher. Bei dem Uhrwerk handele es sich um sehr gute Handarbeit, sagt er anerkennend.  höh