2024 WLZ 25. 09. Regelwerk mit großer Wirkung

Der neue Regionalplan ist fertig – Er ordnet die Verhältnisse in Nordosthessen

VON BORIS NAUMANN

Neubaugebiete zur Siedlungsentwicklung können nur dort entstehen, wo es der Regionalplan Nordosthessen vorgibt. Weil von dem hier gezeigten Neubaugebiet Vellmar Nord der gesamte Raum Kassel profitieren wird, wurde die Realisierung auch interkommunal auf Zweckverbandsebene vorangebracht. Foto: Ruth Brosche

Etwa alle zehn bis 15 Jahre wird der Regionalplan Nordosthessen neu geschrieben. Das Planungswerk dient als Grundlage für eine geordnete und gesicherte Nutzung von Flächen in der gesamten Region. Wir erklären, was dahintersteht.
Nordhessen – Es macht keinen Sinn, eine stinkende Fabrik direkt neben einen Kurpark zu bauen. Auch will niemand, dass mitten durch ein Wohngebiet von heute auf morgen eine Autobahn entsteht. Geradezu schändlich wäre es, wenn mitten in einem Naturschutzgebiet plötzlich eine Mülldeponie geplant würde – weil anderswo kein Platz dafür ist.
Damit all das nicht passiert, gibt es den Regionalplan Nordosthessen. Der Plan legt fest, welche Flächen für welche Nutzung in den sechs Landkreisen Nordhessens mit den beiden Oberzentren Kassel und Fulda langfristig gesichert werden.
Der alte Regionalplan ist inzwischen 15 Jahre alt. Mittlerweile wurde er vom Regierungspräsidium Kassel neu geschrieben und von der Regionalversammlung am 10. Juli beschlossen. Ab dem 1. Oktober wird das Planwerk offengelegt, sodass Verbesserungsvorschläge oder Kritik in Form von Stellungnahmen eingereicht werden können.

Die Ziele

Der Regionalplan bringt vieles unter einen Hut. Er konkretisiert das, was auf oberster Ebene vom sogenannten Landesentwicklungsplan an Zielen vorgegeben wird. Es geht im Regionalplan also ganz konkret um Siedlungs- und Gewerbeentwicklung, um die Landwirtschaft, den Einzelhandel, die Infrastruktur, den Verkehr oder um die Sicherung von Naturräumen.
Wo ergeben sich Vorteile für bestimmte Entwicklungen? Wie lassen sich wo bestimmte Bedarfe decken? Wie lassen sich widerstreitende Interessen und Konkurrenz überwinden?

Die Funktion

Der Regionalplan fristet schon fast ein Schattendasein, in der Öffentlichkeit ist er nur wenig bekannt. Dabei liefert er die Grundlage für alle weiteren Planungen auf kommunaler Ebene. Beispiel: Eine Kommune kann nicht einfach so ein neues Gewerbegebiet ausweisen, nur weil ihr das gefällt. Erst wenn im Regionalplan an einer bestimmten Stelle eine sogenannte Vorrangfläche für ein Gewerbegebiet festgelegt ist, wird eine Kommune, oder ein Verbund von Kommunen, wie der Zweckverband im Raum Kassel. nur dort ein (interkommunales) Gewerbegebiet entwickeln können.

Die Neuheiten

Weil sich die Welt ständig verändert und laufend neue Entwicklungen zu berücksichtigen sind – wie der demografische Wandel, gesetzliche Neuerungen oder veränderte Wirtschafts- und Umweltbedingungen in einer globalisierten Welt –, muss der Regionalplan immer wieder neu geschrieben werden. Neue Herausforderungen sind zum Beispiel die Energiewende, die Klimaanpassung, die Schaffung von Wohnraum und auch die weitere Stärkung des Wirtschaftsstandortes. All das schlägt sich in der Regionalplanung wieder.

Wirtschaft

Dort, wo viele Menschen leben, ist der Arbeitsmarkt tendenziell vitaler und vielseitiger – eine gute Grundlage für weitere wirtschaftliche Entwicklung.
Auch hierauf reagiert der neu geschriebene Regionalplan entsprechend: In Sachen Vorrangflächen für Gewerbe steht der Landkreis Kassel mit 339 Hektar ganz vorne auf der Liste, gefolgt vom Landkreis Fulda (331 Hektar) und dem Schwalm-Eder-Kreis (229 Hektar).

Verkehr

Den Verlauf und den Bedarf von Bundesstraßen legt der Bundesverkehrsplan fest. Der Regionalplan kann Land- und Kreisstraßen festlegen, wenn sie denn erforderlich sein sollten. Das heißt nicht, dass sie auch tatsächlich gebaut werden. Gleiches gilt für Stromtrassen oder Eisenbahnstrecken. Beispiel: Die schon lange angedachte Bahnstrecke vom Kasseler ICE-Bahnhof bis zum Flughafen und zum Gewerbegebiet Calden ist auch im neuen Regionalplan wieder verzeichnet. Sie darf also gebaut werden, doch muss dafür jetzt eine kommunale Bauleitplanung her und ein Entwickler – zum Beispiel die Bahn.

Agrar und Forst

Land- und Forstwirtschaft haben großes Interesse daran, an ihren bisherigen Flächen festzuhalten. Auch das regelt der Regionalplan. Er reserviert verbindlich Flächen für beide Nutzungsformen. Doch die Konkurrenz wächst – wie durch Betreiber von großen PV-Freiflächenanlagen. Das Kasseler Regierungspräsidium kann daher auch unverbindliche Vorbehaltsflächen für die Land- und Forstwirtschaft deklarieren, die nach Abwägung auch anderweitig genutzt werden könnten – zum Beispiel für einen Solarpark.
An dieser Stelle entstehen oft Konflikte, die dann durch oft komplizierte Einzelfallabwägungen zu klären sind.

Naturschutz

Schutzbereiche wie das Netz Natura 2000 für den Vogelschutz, FFH-Gebiete sowieNaturschutz- und Landschaftsschutzgebiete oder der Regionale Grünzug werden im Regionalplan verbindlich dargestellt. Weitere Bereiche mit Klimaschutz- und Hochwasserschutzfunktion finden als Vorranggebiete wie auch als Vorbehaltsflächen Berücksichtigung. Vorrang heißt: Diese Bereiche stehen nicht zur Disposition. Vorbehalt bedeutet: Diese Flächen können nach Abwägung auch anderen Nutzungen zugänglich gemacht werden. Hier weist der Trend aber in Richtung Verbindlichkeit.