2023 WLZ Titelseite 10. 10. STANDPUNKT

Schwärzeste Nacht im Hessenland
SPD hat alle Wahlkreise verloren
VON ANDREAS HERMANN

Was die Parteifarben betrifft, geht diese Landtagswahl 2023 als schwärzeste Nacht in die Geschichte des Hessenlandes ein. Sie steht für eine Entwicklung, die bisher undenkbar gewesen ist: den SPD-Verlust aller Wahlkreise.
Die Farbe Rot ist verschwunden. Hessen ist über Nacht schwarz geworden. Ausnahme bilden wenige grüne Flecken auf der politischen Landkarte im Süden. In einem der Kasseler Wahlkreise hat eine grüne Kandidatin die Nase vorn, allerdings nur bei den Erststimmen.
Hessen ist nun auch in dem als SPD-Hochburg geltenden Nordhessen schwarz. Mit den Wahlkreisen im Landkreis Kassel und in Schwalm-Eder gingen dabei selbst Regionen an die CDU verloren, von denen man dachte, dort werde – egal, wer kandidiert oder welche Themen auf der Tagesordnung stehen – immer mehrheitlich SPD gewählt.
Seit Sonntag ist es mit der SPD-Vorherrschaft in Nordhessen endgültig vorbei. Das bedeutet für die traditionsreiche Partei, die über Jahrzehnte in Hessen erfolgreich gewesen ist und die Entwicklung des Landes mitgeprägt hat, einen tiefen Einschnitt.
Viele der jüngeren Generation mögen sich wohl nicht mehr daran erinnern, aber es gab in Hessen einmal Ministerpräsidenten, die nicht der CDU, sondern der SPD angehörten. Angefangen von Georg August Zinn, dem ersten Landesvater nach dem Krieg, über Albert Osswald und Holger Börner bis zu Hans Eichel. Die Zeit der SPD-Ministerpräsidenten ist lange her. Seit 1999 ist das Amt fest in CDU-Hand und wird es nach dieser Wahl auch weiter bleiben.
Für den Wahlausgang spielten offenkundig bundespolitische Themen die entscheidende Rolle, allen voran der Unmut über die Ampel. Davon profitiert haben CDU und AfD als deren schärfste Kritiker. Doch hat diese Wahl auch offenbart, dass viele Menschen verunsichert sind und die SPD nicht mehr als die Partei wahrnehmen, die ihnen Orientierung und Perspektive zu geben vermag.
Die politische Landkarte in Hessen wird sich also erst dann wieder rot färben, wenn es gelingt, das verloren gegangene Vertrauen zurückzugewinnen. Das ist die Herausforderung, vor der die SPD nach diesem für sie so schwarzen Wahlabend steht.