2023 WLZ 13. 04. Filzhut, Feder und alte Traditionen

Erster Ausmarsch der Schützengilde für das Freischießen an Pfingsten

VON CHRISTIANE TRIERWEILER

Erster Ausmarsch für das Freischießen: Die Freienhagener Schützengilde marschierte durch die Stadt. Im Anschluss schrieben sich nach alter Tradition die neuen Mitglieder ein. Fotos: Christiane Trierweiler

Waldeck-FreienhagenDie Schützengilde trat zu ihrem ersten Ausmarsch an und weckte bei vielen Schaulustigen die Vorfreude auf das Freischießen an Pfingsten, das alle fünf Jahre stattfindet.
Ein langer Zug der grün Uniformierten mit Filzhut und Feder marschierte in Reih und Glied vom Kirchplatz zum Sportplatz und zurück. Der Vorsitzende der Schützengilde, Bernd Schröder, sprach Grußworte.
Höhepunkt waren die Einschreibungen neuer Mitglieder. Der Chorsaal des alten Rathauses war voll besetzt, als „Pritschenmeister“ (Mario Spratte) durch Berührung an beiden Schultern mit seinem Säbel die jungen Anwärter zu Schützenbrüdern schlug.
Im Vorfeld hatte der Pritschenmeister den Neulingen die wichtigsten Regeln der Gilde vermittelt. Einige der Regeln sind heute jedoch von Gesetzes wegen nicht mehr durchführbar: So mussten früher alle Schützen als eine Art Bürgerwehr in Reserve unter anderem ein halbes Pfund Schießpulver zu Hause aufbewahren.
Mit der Zahl von 14 Neueinschreibungen waren die Schützen sehr zufrieden. Alle Namen wurden in einem großen Buch notiert. Einer der jungen neuen Schützenbrüder, Tim Vollbracht, erzählt stolz: „Schon als kleiner Junge, vielleicht fünf Jahre alt, lief ich bei den Schützen mit. In unserer Familie sind alle Schützen.“ Er trage jetzt die Schützenjacke seines Opas, berichtet der traditionsbewusste Neuling stolz. Neben Sprösslingen aus Familien, die schon seit Generationen in der Schützengilde sind, befinden sich auch Zugezogene und Auswärtige unter den neuen Mitgliedern. Bei den Einschreibungen waren diesmal bemerkenswert viele Frauen im Publikum anwesend. Seit 2018 können sie der historischen Frauengruppe „Friggenhägener Wiebeslüde“ mitwirken, die an den Schützenfestumzügen und dem Freischießen teilnimmt.
Nächste Termine der Freienhagener Schützen sind die Jahreshauptversammlung am 16. April und zwei weitere Ausmärsche. Außerdem nimmt die Gilde am Schützenfestzug in Landau am 21. Mai teil, was von den Freienhagenern auch als eine Art Generalprobe für das Freischießen am Pfingstwochenende genutzt wird.

Spaßmacher der Gilde

Strenge Regeln verkündet: Einige der seit Jahrhunderten überlieferten Aufgaben sind indes per Gesetz heute nicht mehr durchführbar.
Der „Bajazz“ ist der Spaßmacher in der Schützengilde, bei Festzügen wirkt der „Pritschenmeister“ auch als Ordner. Mit seiner Pritsche – ein langer, flacher Holzstab, darf er Züchtigungen aber nur androhen. Dem Schützenzug verschafft er damit aber freie Bahn.
Der Bajazz ahndet auch Verstöße gegen die Kleiderordnung. Sollte ein Schütze beim Festzug zum Beispiel sein Gewehr nicht tragen, darf der Bajazz ihm ein Bußgeld auferlegen. Das wird sofort einkassiert und an der Theke unter das Volk gebracht. Der Freienhagener Bajazz agiert auch als „kleiner Robin Hood“, der die Kinder amüsiert und ihnen Süßes zusteckt.
Für Mario Spratte ist es das dritte Fest als Spaßmacher. Er wurde 2014 unter strenger Geheimhaltung ernannt. Ein hochrangiger Schütze hatte ihn vorgeschlagen. „Man muss Späße machen können, aber auch zuverlässig sein“, sagt Spratte zu seiner Funktion. „Früher ging die Rolle des Bajazz vom Vater auf den Sohn über. Mein Sohn ist jetzt ein Jahr alt. Ich hoffe, dass ich ihm eines Tages die Rolle des Pritschenmeisters übertragen kann!“  ct