2023 WLZ 03. 03. Einsatz für gemeinsames Gedächtnis
Heimatforscher Karl-Heinz Stadtler aus Vöhl erhält Bundesverdienstkreuz
Freude über die hohe Auszeichnung: Karl-Heinz Stadtler erhielt gestern aus den Händen von Hessens Wissenschaftsministerin Angela Dorn das Bundesverdienstkreuz. Foto: Paul Müller
Vöhl/Wiesbaden – Karl-Heinz Stadtler ist so etwas wie das Gedächtnis seiner Gemeinde: Als Vorsitzender des Förderkreises Synagoge in Vöhl lenkt der 70-Jährige den Blick seiner Mitmenschen auf die Lebensgeschichten der Jüdinnen und Juden, die einst in Waldeck-Frankenberg lebten, erforscht ihre Schicksale und engagiert sich für ihr Andenken.
Angela Dorn, Hessische Ministerin für Wissenschaft und Kunst, hat Karl-Heinz Stadtler am Donnerstag für seine herausragenden Leistungen für das Gemeinwohl das Verdienstkreuz am Bande des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland überreicht. „Im Sommer 2021 organisierte der Förderkreis um Karl-Heinz Stadtler einen Kunstwettbewerb mit dem Titel ,Erinnern – Wachen – Erleben‘. Diese drei Worte fassen gut den außergewöhnlichen Einsatz zusammen, mit dem Herr Stadtler die Region bereichert“, betonte die Wissenschafts- und Kunstministerin.
Erinnerung, Wachsamkeit, Mitdenken durch intensive Erlebnisse seien wichtig – um nicht zu vergessen, um gegen die Fehler zu handeln, die in der Vergangenheit begangen wurden. Die Kunst spiele hierbei eine wichtige Rolle. Sie bestehe, halte fest und mache sichtbar, was in der Erinnerung manchmal zu verschwinden oder verschleiern drohe.
Angela Dorn wies in diesem Zusammenhang auf das Engagement Stadtlers hin. Der Vöhler forscht nicht nur zu den vielen Schicksalen der Jüdinnen und Juden in Waldeck-Frankenberg und damit zu den dunkelsten Kapiteln der deutschen Geschichte. „Er organisiert mit den Mitgliedern des Förderkreises auch Konzerte, Ausstellungen und Lesungen und erzeugt so gemeinsame neue Erinnerungen, die wir im Herzen behalten“, sagte Ministerin.
Diese menschenzugewandte Philosophie begleitete und begleite Karl-Heinz Stadtler auch bei den vielen anderen ehrenamtlichen Einsätzen – zum Beispiel in der Flüchtlingshilfe, bei seiner Arbeit in der Gemeindevertretung und im Sportverein. „Mit dem Verdienstkreuz am Bande des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland ehren wir seinen unermüdlichen Einsatz für unser gemeinsames Gedächtnis“, sagte Angela Dorn.
Stadtler wurde 1952 in Frankenberg geboren. Er studierte Germanistik, Wissenschaftliche Politik und Pädagogik an der Philipps-Universität in Marburg. Anschließend arbeitete er als Lehrer.
Schon in den 1990er-Jahren beschäftigte Stadtler sich mit dem Zusammenleben von Juden und Christen vor allem in der Gemeinde Vöhl, aber auch in der Umgebung. Im Jahr 1999 setzte er sich für den Erwerb der alten Vöhler Synagoge ein und begleitete die Gründung des Förderkreises „Synagoge in Vöhl“, dessen Vorsitzender er ist.
Seine Projekte führen Menschen zusammen: So organisierte er ein Treffen ehemaliger Vöhler Jüdinnen und Juden, plante eine Veranstaltungsreihe zu „Facetten des Rassismus in drei Staffeln“ und den Kunstwettbewerb. Auf der Internetseite der Synagoge Vöhl trägt er eigens recherchierte geschichtliche und persönliche Daten zusammen, die die Schicksale der jüdischen Bevölkerung in einzigartiger Weise dokumentieren. Zudem war Stadtler Ortsvorsteher und Mitglied der Gemeindevertretung in Vöhl. Er gibt Flüchtlingen Deutschunterricht und engagiert sich in Heimat- und Sportvereinen. red/dau