NABU Hessen: Naturnahe Gärten sind der beste Igelschutz
Rundmail / Information über Igel 2024-11-29
NABU OV-Höringhausen
Peter Trietsch (Sprecher Teamvorstand)
NABU HESSEN-PRESSEMITTEILUNG | NR 82/24 | 19. November 2024
Igelschutz / Garten
NABU Hessen: Naturnahe Gärten sind der beste Igelschutz
Wann Igel wirklich Hilfe brauchen und wie sie richtig unterstützt werden
Wetzlar – Für die Igel beginnt jetzt im Spätherbst der Endspurt auf der Suche nach Nahrung und einem passenden Winterquartier. Um gut vorbereitet die kalte Jahreszeit zu überstehen, müssen sie sich genügend Gewicht anfressen, denn schon etwa seit Mitte Oktober wird das Nahrungsangebot knapper. „Bitte starten Sie mit dem Igelschutz nicht erst, wenn Ihnen im Herbst ausgemagerte Tiere begegnen, sondern packen Sie das Problem an der Wurzel. Denn die kleinen Stacheltiere stehen inzwischen bereits auf der Vorwarnliste der bedrohten Tierarten und brauchen über das ganze Jahr igelfreundlichen Gärten, um genügend Futter und Rückzugsräume zu finden. Nur so kann man den Igeln wirklich nachhaltig helfen“, rät Maik Sommerhage, Landesvorsitzender des NABU Hessen.
Igel im Garten: Ortstreuer Feinschmecker mit Ruhebedürfnis
Die dämmerungs- und nachtaktiven Stacheltiere fühlen sich in naturnah gestalteten Gärten wohl. Einmal da, bleiben Igel meist ein Leben lang ihrem Lebensraum treu. Weil Igel den Tag und den Winter an nicht einsehbaren Stellen verschlafen, sind sie auf störungsfreie Rückzugsräume angewiesen. Wer seinen Garten jetzt winterfest macht, kann dem Igel also etwas Gutes tun, indem Laub sowie Grün-, Baum und Heckenschnitt in einer Gartenecke, unter Hecken und Bäumen, liegen bleibt oder aufgehäufelt wird. Eine Umrandung aus Feldsteinen hält das Material zusammen. Ihre Nester bauen Igel auch gerne in Komposthaufen. Denn auf ihrem Speiseplan stehen Käfer, Spinnen, Regenwürmer, Schnecken, Tausendfüßer und andere Kleintiere, die sich gerne im Komposthaufen tummeln. Auch eine Trockensteinmauer mit Höhlungen im hinteren Teil und ausreichend großen Zugängen kann als Quartier dienen. Gekaufte Igelkuppeln oder selbst gebaute Igelhäuschen sind ebenso willkommen.
Junger Igel tagsüber im Garten – ein Warnsignal?
Was tun, wenn im Herbst tagsüber ein kleiner Igel durch den Garten streunt? Sommerhage erklärt: „Die jungen Igel werden noch bis Ende September geboren und nutzen bis zum deutlichen Wintereinbruch noch jede Gelegenheit, um Energiereserven für den Winter zu sammeln.“ Der Nachwuchs von Igeln könne bei milden Temperaturen sogar noch im Dezember draußen unterwegs sein. Wenn es nachts am Boden dauerhaft frostig wird, suchen Igel schließlich ihr Winterquartier auf. Erst gehen die Männchen, dann die Weibchen und zuletzt die Jungigel in den Winterschlaf. Einen Igel tagsüber im Garten anzutreffen, sei also nicht automatisch ein Warnsignal: „Das kann normal sein, wenn er zum Beispiel durch die eigene Gartenarbeit oder die der Nachbarschaft aus seinem Versteck aufgescheucht wurde. Also bitte nicht vorschnell handeln, sondern das Tier zunächst einige Zeit beobachten“, so der Landesvorsitzende. Denn oft trauen sich Igel nicht direkt zurück in ihr Versteck und treten den Weg erst wieder am Abend an.
Wann sind Igel wirklich in Not?
Doch ab wann benötigen Igel überhaupt Hilfe und wie sollte diese aussehen? Zunächst müsse betont werden, dass der Igel zu den geschützten Tierarten gehört: „Er darf laut Bundesnaturschutzgesetz weder gefangen noch getötet werden. Nur in absoluten Notfällen, wenn ein Igel verletzt oder krank ist, dürfen sachkundige Menschen (Wildtierstationen) ihn für eine kurze Zeit in ihre Obhut nehmen, gesund pflegen und alsbald wieder in die Freiheit entlassen.“ Deswegen sei es auch so wichtig, den Igel zunächst genau zu beobachten, erklärt Sommerhage: „Welchen Eindruck macht der Igel? Bewegt er sich normal fort oder taumelt er, fällt um oder wirkt apathisch? Hat er eine Verletzung? Blutet er? Hustet er stark? Kann er sich nicht einrollen? Sieht der Igel aus, als hätte er sich in Sägespänen gewälzt? Das sind dann Fliegeneier oder sogar Maden. Fühlt er sich kalt an?“ Trifft eines der Kriterien zu, ist der Igel wirklich auf Hilfe angewiesen und ein Tierarzt oder eine gute Igelauffangstation sollten konsultiert werden. Als Erste Hilfe Maßnahme sollten sofort ALLE Fliegeneier und Maden vom Igel entfernt werden. Für die Maden am besten eine Pinzette verwenden, die Eier können gut mit einer trockenen Zahnbürste ausgekämmt werden. Diese Sofortmaßnahme kann bei hilfsbedürftigen Igeln tatsächlich über das Überleben entscheiden. Auf keinen Fall sollten von Parasiten befallene Igel eigenmächtig mit Spot-On-Präparaten behandelt werden. „Diese Präparate werden von Igeln nicht gut vertragen und können schnell zum Tod führen“, warnt Sommerhage. Generell gilt, dass hilfsbedürftige Igel in die Hände von Expert*innen gehören, denn mit Quartier und Futter ist es bei weitem nicht getan: Die fach- und tiergerechte Betreuung eines Pfleglings braucht Erfahrung, tägliche Zuwendung und verursacht Mühe und Kosten, was nur zusammen mit Igelstationen und Tierärzt*innen geleistet werden kann. Wer also ein verletztes oder krankes Tier findet, sollte es an eine Igelstation vermitteln.
Reicht die Energie für den Winter?
Ab wann ist ein Igel untergewichtig und braucht unsere Unterstützung und ab wann sollte er wirklich eingesammelt werden? „Hier besteht immer noch große Verunsicherung und es wird häufig viel zu früh Alarm geschlagen. Denn erst mit einem größeren Kälteeinbruch besteht für untergewichtige Jungigel mit weniger als 600 Gramm, kranke oder verletzte Tiere die Gefahr, für den Winterschlaf nicht ausreichend gerüstet zu sein. Ein Igel sollte immer
eine tropfenförmige Statur haben. Ist er eher walzenförmig oder hat eine Hungerkuhle im Nacken und herausstehende Hüftknochen, braucht er dringend Hilfe“, sagt der Landesvorsitzende. Sind keine Krankheiten oder sonstigen Beschwerden ersichtlich, ist es immer die bessere Wahl, den Igel in der Natur zu lassen. Auf diese Weise werden die Igelfamilien nicht auseinandergerissen und die Igelweibchen können ihren Nachwuchs weiter versorgen. Ist das winterliche Idealgewicht bisher noch nicht erreicht, dann ist es sinnvoll den Igel vor Ort mit Wasser und einem Gemisch aus hochwertigem Katzennassfutter (ohne Gelee und mit Fleischanteil von mindestens 60%), gebratenem Rinderhack und ungewürztem Rührei oder rohen Eiern zu unterstützen. „Igel dürfen auf keinen Fall mit Milch gefüttert werden. Der Milchzucker führt bei ihnen zu schmerzhaften Koliken und krankmachendem Durchfall. Auch das inzwischen im Handel angebotene fertige Igelfutter ist leider nicht geeignet und kann von den Tieren nicht verwertet werden“, warnt Maik Sommerhage. Wer Angst davor hat, mit dem Futter andere Tiere anzulocken, könne dem Igel, sobald er im Garten oder auf der Terrasse auftaucht, das Mahl direkt vor die Nase stellen, das Fressen abwarten und dann die Schüssel direkt wieder mit hineinnehmen. Wer sich trotz Zufütterung noch unsicher ist, ob das Tier rechtzeitig bis zum Winter ausreichend Fettreserven ansetzt, kann zwei bis drei Stacheln vorsichtig mit etwas Nagellack markieren und das Tier probeweise immer mal wieder wiegen, wenn es erneut im Garten auftaucht. Nimmt der Igel zu, ist alles gut.
Wenn Igel zwischendurch mal wach werden…
Wenn es mitten im Winter öfter mal T-Shirt-warm wird und im Garten der Grill angefeuert werden kann, werden auch Igel mitunter putzmunter und durchstreifen die Gärten auf Nahrungssuche. Dass Igel bei hohen Temperaturen aufwachen, ist normal und bei gesunden Tieren kein Problem. Passiert das im Laufe des Winters öfter, kann das allerdings an den Kräften der Igel zehren, denn das Nahrungsangebot ist jetzt relativ schlecht. In diesem Fall können Sie den Igel durch Zufüttern unterstützen. Hilfe benötigen aufgewachte Winterigel nur, wenn sie krank oder deutlich geschwächt sein sollten. Sobald die Temperaturen sinken, werden sich die Igel wieder in ihr Winterquartier zurückziehen.
Gefahren für Igel vermeiden
Um Igel vor Verletzungen und Vergiftungen zu schützen, sind Gifte und Mähroboter sowie Laubsauger im Garten tabu. „Mit dem Laub werden darin lebende Würmer, Spinnen oder Asseln eingesaugt, gehäckselt und getötet. Dies beeinträchtigt die Bodenbiologie beträchtlich und Kleinsäuger, wie Igel, finden weniger Nahrung. Besser ist es, das Laub mit Besen und Rechen zusammenzufegen und auf einen Haufen zu geben, damit es dort verrotten kann und Kleinstlebewesen sich weiterhin darin verstecken können“, rät der Naturschützer Sommerhage. Das Laub kann übrigens auch als Frostschutz für die Blumenbeete genutzt werden. Grelle Gartenbeleuchtung ist (nicht nur) für die nächtlichen Wanderer übrigens ein No-Go. Durch die Beleuchtung schaden wir vielen Tieren, von denen sich der Igel ernährt und auch die Igel drehen auf ihrer nächtlichen Nahrungssuche häufig große Runden, um nächtliches Kunstlicht zu meiden. Damit sie keine kräftezehrenden Umwege machen müssen, sollte das Licht im Garten nachts also aus bleiben. Zusätzlich sollte unter Zäunen oder Toren ein Durchschlupf für sie bleiben, damit sie sicher und ohne Umwege von Grundstück zu Grundstück wechseln können. Steile Teichufer, Lichtschächte und Treppenaufgänge können für Igel, Kröten, Salamander und andere Tiere zur tödlichen Falle werden und sollten immer mit einer Ausstiegshilfe gesichert sein.
Für Rückfragen
Dr. Kathrin Kaltwaßer, Referentin für Umweltkommunikation
Herausgeber: Naturschutzbund (NABU) – Landesverband Hessen e.V. Friedenstr. 26, 35578 Wetzlar Ansprechpartner: Dr. Berthold Langenhorst / Dr. Kathrin Kaltwaßer Pressesprecher*in Mobil: 0170-8347614 / 0157-77913719 Tel.: 06441- 67904-17 / -18 E-Mail: presse@NABU-Hessen.de