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2024 WLZ 09. 11. Mehr Klimaschutz bei Milch

Uni und Bauernmolkerei stellen Forschungsergebnisse vor

VON CORNELIA HÖHNE

Prof. Andreas Gattinger Uni Gießen

Prof. Andreas Gattinger Uni Gießen

Waldeck – Das EU-Projekt ClieNFarms unterstützt Landwirte auf dem Weg zur Klimaneutralität. Elf Lieferanten der Upländer Bauernmolkerei (UBM) beteiligen sich als Demonstrationsbetriebe an dem Forschungsprojekt. Erste Ergebnisse stellten Prof. Dr. Andreas Gattinger und Dr. Deise Knob von der Justus-Liebig-Universität Gießen auf dem Milchviehbetrieb von Heinfried Emden in Ober-Werbe vor.

In enger Partnerschaft mit der hessischen Bio-Molkerei und der Uni Gießen sollen die Optionen für mehr Klimaschutz in der Bio-Milcherzeugung untersucht werden.

Das Forschungskonzept basiert auf Fallstudien mit Demonstrationsbetrieben. Auf den Höfen sollen neue Wege zur Reduzierung von Treibhausgasen und zur Kohlenstoffbindung erprobt werden. Ausgangspunkt ist eine individuelle Klimabilanz für die Bio-Betriebe. Dabei geht es um Optimierung bei Tierhaltung und Tiergesundheit, Kohlenstoffspeicherung, Güllemanagement sowie der Nutzung erneuerbarer Energiequellen.

Eine Erkenntnis der bisherigen Erhebungen: Betriebe, die Biogasanlagen nutzen, haben eine bessere CO2-Bilanz als ihre Mitbewerber. Der biologisch bedingte Methan-Ausstoß der Milchkühe bleibe eine feste Größe in der Statistik. Stellschrauben für jeden einzelnen Betrieb sehen die Forscher beim effizienteren Einsatz des Viehfutters sowie der Verwendung erneuerbarer Energien.

Bemessungsgrundlage sind international verwendete „Tools“. Diese digitalen Werkzeuge für die Statistik bildeten aber Aktivitäten auf Gemischt- und Ökobetrieben nur bedingt ab, erläuterten Gattinger und Knob. CO2-Speicherung von Leguminosen oder Dauergrünland werde nicht ausgewiesen. Individuelle Messungen sollen daher folgen und detailliertere Daten liefern.

Die ersten Ergebnisse des Forschungsprojekts werden nun mit 100 weiteren Milchlieferbetrieben der Bauernmolkerei ausgetauscht, um klimafreundliche Praktiken auf möglichst vielen Höfen zu etablieren, kündigten UBM-Geschäftsführer Tobias Kleinsorge an und Sven Lorenz als Vorsitzender der Milcherzeugergemeinschaft Hessen an. Foto: Höhne

Kleine Schritte für den Klimaschutz

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Klimaschutz im Kuhstall: Auf dem Bio-Betrieb von Susanne und Heinfried Emden (links) wurden erste Ergebnisse des Klimaschutzprojektes erläutert; mit im Bild von rechts Tobias Kleinsorge (Upländer Bauernmolkerei), Lisa Fröhlich (Landesbetrieb Landwirtschaft Hessen), Dr. Deise Knob und Prof. Dr. Andreas Gattinger (Uni Gießen) sowie Sven Lorenz (Milcherzeugergemeinschaft Hessen). Foto: Conny Höhne

Waldeck – Milchviehbetriebe, die verstärkt auf eigenes, grasbasiertes Futter setzen, schneiden besser ab bei der Klimabilanz als mit zugekauftem Kraftfutter. Das ist eines der Ergebnisse, des Projekts „ClieNFarms“. Am Beispiel von elf Lieferbetrieben der Upländer Bauernmolkerei zeigen Wissenschaftler der Justus-Liebig-Universität in Gießen auf, was bei der Milchproduktion dazu beitragen kann, die Klimaneutralität zu verbessern. Denn das ist erklärtes Ziel auf europäischer Ebene bis 2050.

In dem Projekt verglichen Prof. Dr. Andreas Gattinger und Dr. Deise Knob von der Uni Gießen sechs „High-Input-Betriebe“ mit Milchleistungen von 9000 Kilogramm pro Kuh und Jahr und Fütterung von Mais-Silage und Kraftfutter mit fünf „Low-Input-Betrieben“ mit 6000 Liter Milchleistung und grasbasiertem Futter. Auf einem der Pilotbetriebe – dem Hof Emden in Ober-Werbe zogen die Wissenschaftler ein erstes Fazit: Die Klimabilanz der Upländer Pilotbetriebe bewegt sich im Durchschnitt der für die Milchproduktion in Deutschland bekannten Zahlen zwischen 0,69 bis 1,52 Co2-Äquivalente pro Kilo Milch.

Bewertet wurde dies mithilfe des „Cool Farm Tools“ – ein Werkzeug zur Berechnung der Gesamtemissionen, das international auch von Großmolkereien, Lebensmittelunternehmen sowie Klimafarmen verwendet wird. Einbezogen wurde auch das Reallabor-Forschungsprojekt GreenDairy, das Auswirkungen der Fütterung untersucht. Das Mess-Werkzeug habe auch Schwachstellen, stellte Knob klar. So sei die Ausweisung von CO2-Speicherung im Rahmen von natürlichem Klimaschutz nur bedingt möglich, denn Grünland, Leguminosen, Agroforst würden nicht berücksichtigt.

Zwei Betriebe mit Biogasanlagen, wo Gülle und Mist verwertet wurden, hatten beim Klimaschutz die Nase vorn. Emissionen auf diesem Weg um 20 Prozent zu reduzieren, ist laut Sven Lorenz von der Milcherzeugergemeinschaft Hessen zündendes Argument, um bei der Politik für Unterstützung bei den Anstrengungen für den Klimaschutz zu werben.

Auch viele kleine Schritte können helfen. Zum Beispiel beim Viehfutter. Ein Viertel geht auf dem Weg vom Feld bis in den Futtertrog verloren, machte Lisa Fröhlich vom Landesbetrieb Landwirtschaft Hessen (LLH) deutlich. Seit 2018 berät sie Betriebe über Klimaschutzmaßnahmen. „Klimabilanzierung und ökologischer Fußabdruck sind aber nur ein Teil der Nachhaltigkeit.“

Tierschutz gehöre unbedingt dazu, sagte Prof. Gattinger. „Künftige Tierhaltung wird auf allerhöchstem Tierwohllevel sein, sonst erfährt sie keine Akzeptanz in der Gesellschaft.“

„Auf erhöhte Lebensmittelpreise einstellen“

Heinfried und Susanne Emden bewirtschaften mit einem Mitarbeiter einen Biobetrieb mit 85 Kühen in Ober-Werbe. 100 Hektar Grünland und 20 Hektar Ackerland bilden die Futtergrundlage für das eigene Vieh. Eine Herde wurde umgestellt von Spaltenboden auf Kompost. Zudem wurde ein Agroforst angelegt mit schnell wachsenden Pappeln, die nach sieben bis zehn Jahren erntereif sind. Das soll bei Starkregen schützen, im Sommer Schatten spenden und die Biodiversität fördern. „Wir müssen sehen, dass wir in allen Feldern vorankommen,“ sagt Landwirt Emden.

Ziel des Projektes ist es auch, bei Feldtagen und Besichtigungen den Wissensaustausch zwischen Landwirten in der Region und in ganz Europa zu fördern. Erste Gelegenheit bot dazu ein Feldbegang von Bioland zu einem Luzerne-, Kleegras- und Grünlandmischungsvergleich auf dem Hof Emden.

Die Forschungsergebnisse fließen in die Ausbildung der angehenden Landwirte ein, sagte Prof. Gattinger. Das Umdenken für mehr Klimaschutz im Kuhstall fällt gerade der älteren Generation nicht leicht, gab ein Landwirt zu bedenken. Über Jahrzehnte war eine hohe Milchleistung der alleinige Maßstab – heute spiele dies eine untergeordnete Rolle. Sorgen bereiten zudem die Kosten für Klimaschutz. Sie müssten über den Preis der Agrarprodukte finanziert werden.

Laut Tobias Kleinsorge von der Upländer Bauernmolkerei werden die Ergebnisse nun an die 100 Milchlieferanten herangetragen. Wenn weitere individuelle Messergebnisse hinzukommen, gehe es um klare Zielvorgaben. Sven Lorenz von der Milcherzeugergemeinschaft Hessen ist überzeugt von dem Projekt: „Wir sind froh, dass wir als Partner dabei sein dürfen.“ Klimaschutz sei eine gesamtwirtschaftliche Aufgabe. Sicher sei aber schon jetzt: „Der Verbraucher muss sich auf enorm erhöhte Lebensmittelpreise einstellen. höh

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