Zwei Mal ihr Leben gerettet

Höringhäuserin Martina Wagner überlebt Leukämie dank Stammzellspende

Dankbar, überlebt zu haben: Martina Wagner aus Höringhausen lebt, weil sich Menschen typisieren und als Stammzellspender registrieren ließen. Foto: Marianne Dämmer

Waldeck-Höringhausen„Ich hatte Leukämie. Ich habe nur überlebt, weil ich zwei Mal eine Stammzellspende erhalten habe“, sagt Martina Wagner. Die 66-jährige Höringhäuserin hatte großes Glück im Unglück, weil sich Menschen als Stammzellspender registrieren ließen, deren Gewebemerkmale mit denen der Höringhäuserin übereinstimmten.
„Als ich Anfang November in der WLZ las, dass die DKMS in Adorf zu einer Registrierungsaktion aufrief für eine junge Frau namens Viktoria, die schwer an Leukämie erkrankt ist, bekam ich das Bedürfnis, von meinem Glück zu erzählen und vor allem junge Leute zu ermuntern, sich registrieren zu lassen. Je mehr sich registrieren lassen, desto größer ist die Chance für Leukämiekranke, lebensrettende Hilfe zu bekommen“, sagt Martina Wagner.
Sie ging viele Jahre zum Blutspenden nach Sachsenhausen. „Als ich das auch Ende 2019 wieder tun wollte, wurde bei der Voruntersuchung festgestellt, dass der Hämoglobinwert meines Blutes sehr niedrig war“, erklärt die Höringhäuserin. Ein Blutbild und eine Knochenmarkpunktion bestätigten die Befürchtungen: Sie hatte Leukämie.
Der Onkologe in Korbach verwies sie an einen Spezialisten in die Uniklinik Göttingen, rasch ging es auf die Suche nach einem passenden Stammzellspender. „Sie fanden damals tatsächlich drei geeignete Spender. Einer wurde auf die Stammzellspende (siehe Hintergrund) und ich auf die Transplantation vorbereitet“. Anfang Mai 2020 wurde sie in der Uniklinik Göttingen aufgenommen und kam in ein Isolierzimmer, nur Personal hatte Zugang.
„Ich wurde unter anderem mit einer Chemotherapie auf die Transplantation vorbereitet, womit erreicht werden sollte, dass die bösartigen Zellen zerstört oder zumindest reduziert werden und das Immunsystem so geschwächt wird, dass das Transplantat nicht abgestoßen wird“, erklärt Martina Wagner. Die Therapie ist notwendig, hatte jedoch erhebliche Nebenwirkungen. Sie magerte auf 48 Kilogramm ab, war sehr schwach, wurde künstlich ernährt.
Am 28. Mai erhielt sie die Transplantation, „die äußerlich ganz unspektakulär ist, sie funktioniert im Grunde wie eine Bluttransfusion,“ erklärt die Höringhäuserin. Die gesunden Spender-Blutstammzellen suchen sich selbst ihren Weg in das Knochenmark und siedeln sich dort an, beginnen sich zu vermehren und so innerhalb einiger Wochen die normale Blutbildung wieder herzustellen. Täglich bekam sie zudem ein bis zwei Blutkonserven. „Nach sechs Wochen wurde ich entlassen, wurde im Anschluss sehr engmaschig kontrolliert“, erinnert sie sich. Als sich im Sommer 2022 ihr Allgemeinzustand verschlechterte, zeigten Untersuchungen, dass die lebensbedrohliche Krankheit zurück war.
„Ich habe überlegt, ob ich diese Tortur noch einmal mitmachen möchte – doch man hängt ja am Leben“, sagt Martina Wagner. Einen Tag vor Weihnachten 2022 wurde sie wieder in der Uniklinik Göttingen aufgenommen, die sogenannte Konditionierungsbehandlung begann erneut, auch der zweite Spender wurde auf die Spende vorbereitet. Anfang Januar erhielt sie die Stammzellen – und hatte erneut eine andere Blutgruppe. „Es setzt sich immer die Blutgruppe des Spenders durch“, erklärt sie.
„Die ersten einhundert Tage ist man wie ein rohes Ei. Man darf seine Hände nicht in Erde stecken, nichts Rohes essen – es dauert lange, bis man wieder zu Kräften kommt“, erklärt die Höringhäuserin, die dankbar ist für die gute ärztliche Betreuung und die große Unterstützung, die sie durch ihre Familie bekam.
Ein Jahr musste sie jede Woche zur Immuntherapie ins Krankenhaus fahren, auch bekam sie einen Impfplan, denn es waren sämtliche Impfungen zu erneuern. „Wenn ich heute auf meine Familie und meinen großen Freundeskreis schaue, kann ich nur sagen: Die Tortur hat sich gelohnt“, sagt sie mit einem Lachen.
Die Anonymitätsfrist ist im Januar kommenden Jahres um, dann hat sie Möglichkeit, den Spender zu treffen und persönlich kennenzulernen. „Ich werde auf jeden Fall anfragen. Ohne ihn wäre ich wohl nicht mehr am Leben. Und er hat mir auch wieder dunklere Haare beschert – vor der Stammzellspende waren sie ganz grau, fast weiß“, sagt die Empfängerin. „Vor allem aber hoffe ich, dass sich für die junge Frau aus dem Raum Bad Arolsen eine Spenderin oder ein Spender findet und dass sich vor allem junge Menschen als Stammzellenspender registrieren lassen. Es ist so einfach – Stäbchen in den Mund, fertig. Wenn man bedenkt, dass sie damit vielleicht Leben retten können.“ MARIANNE DÄMMER

Jede Registrierung kann Leben retten

Wer sich als Stammzellspenderin oder
-spender registrieren lassen möchte, kann sich bei den Spenderdatenbanken informieren und eine Typisierung der Gewebemerkmale vornehmen lassen. Hierfür wird in der Regel ein Abstrich der Mundschleimhaut genommen.
Grundsätzlich kann sich jeder gesunde Mensch im Alter zwischen 17 und 55 Jahren als potenzieller Stammzellspender registrieren. 17-Jährige dürfen zwar noch keine Stammzellen spenden, werden aber ab dem 18. Geburtstag automatisch in der Datei aktiviert und bei der Suche nach Spendern berücksichtigt.
Es gibt zwei verschiedene Methoden, Stammzellen zu spenden: die periphere Stammzellentnahme und die Knochenmarkentnahme. Die periphere Stammzellentnahme kommt derzeit mit circa 90 Prozent am häufigsten zum Einsatz. Bei dieser Methode werden die Stammzellen über ein spezielles Verfahren (Apherese) aus dem Blut gewonnen. Die Ärztin oder der Arzt legt dazu jeweils einen Zugang in beide Armvenen, ähnlich einer Dialyse. Zuvor erhalten alle Spender über fünf Tage hinweg ein Medikament mit dem Wachstumsfaktor G-CSF. Der hormonähnliche, körpereigene Stoff G-CSF sorgt für eine vermehrte Produktion von Stammzellen und deren Ausschwemmung in die Blutbahn. Die periphere Stammzellentnahme dauert normalerweise drei bis höchstens fünf Stunden.
Die Knochenmarkentnahme kommt nur bei rund zehn Prozent der Stammzellspenden zum Einsatz. Bei der Knochenmarkentnahme wird den Spenderinnen und Spendern in einer zertifizierten Entnahmeklinik unter Vollnarkose circa ein Liter Knochenmark-Blut-Gemisch aus dem Beckenkamm entnommen.   Foto:Quelle: dkms.de

2024 WLZ 23. 11.