XI 2022 WLZ 27. 04. Zu jeder Geschichte ein Bild

Waldeck-Höringhausen – Brigitta Dreier ist ein autodidaktisches Multitalent: Die 83-Jährige ist vielseitig aktiv im Bereich Kunst und Kunsthandwerk. Mit viel Liebe zum Detail fertigt sie Gebrauchsgegenstände für den täglichen Bedarf an – alles Unikate – widmet sich aber auch der bildenden Kunst und schreibt Kurzgeschichten.

Originelle Kissenbezüge, Wandteppiche, Materialbil-der und Bettüberzüge mit aufwendigen Applikationen hat die fingerfertige Höringhäuserin fertiggestellt. Ihre flachen, silhouettierten Zierstücke aus verschiedenen Materialien sind wahre Kunstwerke. Auch die bildende Kunst und die Dichtkunst hat es der 83-Jährigen angetan.

Außerdem schreibt sie Kurzgeschichten, zum Teil mit autobiografischem Hintergrund. „Meine Geschichten sind Fragmente des Ganzen und familiengeeignet,“ sagt Brigitta Dreier.

Ihre in Prosaform geschriebenen Erzählungen und Kurzgeschichten, oft als Parabel erzählt und mit Metaphern geschmückt, erzeugen beim aufmerksamen Leser emotionale Bilder, die sich im Kopf dauerhaft festsetzen können. Analogien zu ihrer eigenen Lebensgeschichte fließen fast beiläufig ein und sind im Text gut verborgen und gewollt.

Ein Beispiel ist die kindgerechte Geschichte „Oh kleiner Paul, was nun?“ Darin geht es um einen kleinen, frechen und eigenwilligen Sperling“, dessen Eltern in ihrem Garten eingezogen sind, und der gemeinsam mit weiteren Geschwistern dort zur Welt kam. Dreier erzählt aufmerksam aus dem Leben der Sperlingsfamilie in ihrer unmittelbaren Nachbarschaft.

Die Höringhäuserin bringt in ihren Werken zum Teil Erlebnisse aus der eigenen Kindheit zu Papier und berichtet auch von den derzeit hochaktuellen Themen wie Not, Elend und Flucht.

Stets im Blick sind die kleinen familiären Einblicke, die sie den Lesern gewährt. In der Erzählung „Mein Bild im Spiegel, mein Spiegelbild“ betrachtet sich die Höringhäuserin durchaus auch selbstkritisch. Eine andere Kurzgeschichte ist ihren beiden Kindern gewidmet. Religiöse und philosophische Gedanken fließen in weitere Texte ein unter dem Titel „Hast Du, Bist Du, wer oder was sind Schutzengel…?“

Die wohl schwierigste Geschichte ist die Aufarbeitung ihres eigenen schicksalhaftem Weges, begleitet von einer schweren Krankheit, bekennt die Autorin freimütig. Brigitta Dreier hat ihre Gedanken darüber niedergeschrieben unter dem Titel „Und immer wieder geht die Sonne auf“ und dem Untertitel „Ich in meinem Paradies und die Zecke in meinem Körper“.

Auch das Männerbild wird in ihren Erzählungen einer Betrachtung unterzogen. Die Höringhäuserin erzählt ihre Geschichte über einen aufgefundenen Stein, dem sie mit dem Pinsel ein neues Gesicht gibt, mit einer Botschaft gerichtet „An die Menschen dieser Welt“. Männer bearbeiten einen Stein mit dem Hammer und dem Meißel, um ihm ein Gesicht zu geben. Frauen dagegen greifen gefühlvoll zum Pinsel.

Zu jeder erzählten Geschichte gibt es auch ein handgemaltes koloriertes Bild. Keiner ihrer Texte und Erzählungen wurde bisher veröffentlicht, auch die Kunstgegenstände wurden ausschließlich für den Eigenbedarf hergestellt, sagt die Höringhäuserin. Die 83-Jährige sinniert über die Zukunft und sagt nachdenklich: „Es wäre aber schade, wenn sie nach meinem Tod verloren gingen.“

Ihre Werke hat die vielseitig aktive Künstlerin und Autorin aus dem Waldecker Stadtteil in der Öffentlichkeit bislang noch nicht gezeigt. Zu Lesungen wäre die Höringhäuserin aber durchaus bereit.

 ➔ ZUR PERSON

Brigitta Dreier, Jahrgang 1939, wurde in Kassel geboren. Nach acht Jahren Volksschule begann sie mit 14 Jahren eine Lehre als Friseurin. 1964 zog sie nach Höringhausen in das Haus ihres Schwiegervaters, der eine kleine Schumacher-Fabrikation und Werkstatt betrieb. Ihr inzwischen verstorbener Mann hatte zunächst eine Ausbildung als Schumacher im väterlichen Betrieb absolviert, wurde aber später Dolmetscher für Englisch und arbeitete kurz nach dem Krieg bei den Amerikanern als Verkäufer. Aus der Ehe gingen zwei Kinder hervor.  pf