Ein kleiner Turm, gefüllt mit großen Themen

Mini-Museum besonderer Art mit Stücken und Geschichten von Flucht und Vertreibung für ein Jahr in der Kirche aufgestellt
Von Wilfried Schuppe
HÖRINGHAUSEN. Minimuseum, Museum in der Kirche, Turm, Wachturm, Medium, Denkmal – was hat diese Installation in der Höringhäuser Kirche im Altarraum zu suchen ? Das fragten sich die vielen Besucher und erhielten während des Gottesdienstes zum Volkstrauertag eine Antwort:
Es hat mit den 13 eritreischen und afghanischen unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen zu tun, die in der ehemaligen Schule in Höringhausen, dem Haus „Madiba“, untergebracht sind.
Die Bildhauer Silvia und Lutz Freyer aus Kassel lernten die jungen Männer kennen und schätzen. Sie boten der Kirchengemeinde spontan an, den Turm für einen längeren Zeitraum zur Verfügung zu stellen. Dessen Funktion besteht darin, dass Flüchtlinge, Vertriebene, traumatisierte Kriegsopfer und alle, die in ihrem Leben Ähnliches erlebt haben, den Innenraum des kleinen Museums gestalten und Dinge hineinlegen oder installieren, die für sie eine besondere Bedeutung haben und mit ihrer Flucht, dem aktuellen Thema der Miniausstellung, verbunden sind.
Sehnsucht nach der Heimat
Zurzeit enthält die Vitrine des Turmes eine eritreische Gitarre, die einer der Jungen sich aus Sehnsucht nach seiner Heimat und deren Musik aus Abfallholz gebastelt hat. Ein anderer schrieb die haarsträubende Geschichte seiner Flucht auf und legte sie zum Lesen aus.
Daneben liegt der Roman „Im Meer schwimmen Krokodile“ von Fabio Geda, der die Flucht eines kleinen Hazara- Jungen aus Afghanistan schildert. Die afghanischen Jungen in Höringhausen gehören dem Volk der Hazara an und haben sich und ihre Erlebnis¬se in der Erzählung wiederer¬kannt.
Die kleine Ausstellung in der oberen Etage des Turms, die von Zeit zu Zeit den Inhalt wechselt, soll Kirchenbesu¬cher anregen, selbst etwas dar¬zubieten, miteinander ins Gespräch zu kommen, Denkanstöße zu geben. Museen haben schließlich die Aufgabe, die Vergangenheit in Erinnerung zu halten und Bezüge zur Gegenwart herzustellen.
Auch der Turm bietet sich dafür an. Das nach dem Krieg verkleinerte Deutschland nahm mehr als 12 Millionen Menschen auf. Das war eine schwierige Aufgabe, aber die Deutschen bewältigten sie und Wohlstand erwuchs daraus. In gleicher Weise finden sich Verbindungen zwischen den aktuellen Ausstellungsstücken im Turm und der Bibel, denn sie steckt voller Geschichten über Flucht und Vertreibung vom Auszug der Israeliten aus Ägypten bis zur Weihnachtsgeschichte, in der Maria und Joseph ein Obdach suchen.
Aus Sicht vieler Christen ergibt sich daraus die Verpflichtung, gegen Nationalismus aufzutreten und für Hilfe einzutreten, die in Not geratenen Menschen gilt.
Bürger können ausstellen
Das Turm-Museum steht zunächst für ein Jahr in der Höringhäuser Kirche. Exponate sollen etwa einen Monat lang präsentiert werden. Die Höringhäuser Bürgerinnen und Bürger sind eingeladen, Objekte zu Thema „Flucht und Zuflucht“ auszustellen. Wer etwas zu diesem Thema zu Hause hat, was er gern einmal der Öffentlichkeit zeigen will, kann den Minimuseumsraum

nutzen. Die Ausgestaltung der Vitrine bleibt jedem selbst überlassen.

Denkmal Kirche0002

 

Eine selbst gebastelte Gitarre erinnert den jungen Neu-Höringhäuseran seine Heimat Eritrea, die er vermisst. Foto:schuppe