2023 WLZ 27. 05. Glasfaser: Noch viel Skepsis

Ortsvorsteher sehen „einmalige Chance“ – Goetel stellt sich Kritik

VON PHILIPP DAUM

Waldeck-Frankenberg – Glasfaserleitungen statt Kupferkabel, Internet-Geschwindigkeiten von bis zu 2000 Mbit/s statt 100 Mbit/s: Deutschlandweit sind gerade etliche Telekommunikations- und Internetanbieter dabei, Glasfaser bis in die Privathaushalte zu legen. Das haben zuletzt auch zahlreiche Menschen in Waldeck-Frankenberg gemerkt – vor allem die Firma Goetel aus Göttingen wirbt dafür.

Bisher sind viele Bürgerinnen und Bürger aber noch unsicher. Das erfuhr unsere Zeitung aus Gesprächen mit Bewohnern und Ortsvorstehern. Die von Goetel benötigten 40 Prozent bei der Anzahl der zu versorgenden Hausanschlüsse – vor allem in Orten im Waldecker Land – ist deshalb häufig bis Fristende nicht erreicht. „Skeptisch sind meist ältere Menschen, deren Kinder das Elternhaus nicht übernehmen wollen. Warum soll ich noch was machen, wenn das Haus nach unserem Tod eh verkauft wird? Diese Frage höre ich oft“, berichtet Markus Knauer, Ortsvorsteher in Schmittlotheim. Beim Glasfaserausbau seien zudem Bauarbeiten auf dem eigenen Grundstück nötig. „Auch deshalb überlegen viele, ob sich der Aufwand lohnt.“

Für Knauer steht fest, dass Glasfaser nötig ist. „Die Datenmengen, die im Internet verarbeitet werden, sind schon jetzt groß und werden immer größer. Glasfaser ist das zuverlässigste Übertragungsmedium. Wir werden auf dem Land wahrscheinlich keine zweite Chance mehr für diese wichtige Zukunftstechnik bekommen. Das sehen auch alle anderen Ortsvorsteher in Vöhl so“, sagt er mit Blick auf die Firma Goetel.

Diese hat zuletzt vor allem in der Großgemeinde Akquise betrieben und will in weiteren Regionen des Kreises einen kostenlosen Glasfaseranschluss bis ins Haus anbieten, wenn dieses nicht weiter als 20 Meter von der Grundstücksgrenze entfernt ist. Vor Baubeginn ist allerdings schon der Abschluss eines 24-Monatsvertrags mit einem Internettarif von Goetel nötig, was bisher auch für Zurückhaltung bei vielen Menschen sorgt. Hinzu kommt: Bei einigen Glasfaser-Projekten von Goetel gab es zuletzt Probleme. Auf Online-Bewertungsportalen werden der Firma schlechte Noten bezüglich ihres Kundenservices ausgestellt. Zur Kritik sagt Goetel-Geschäftsführer Daniel Kleinbauer unter anderem: „Wir können zusichern, dass wir besser geworden sind. Was wir allerdings nicht versprechen können, ist, dass explizit beim Baugeschäft alles reibungslos vonstattengeht.“  SEITEN 2 UND 3, STANDPUNKT

Die „letzte Meile“ fehlt noch

Der Landkreis Waldeck-Frankenberg hatte 2014 mit den anderen nordhessischen Kreisen die Breitband Nordhessen GmbH gegründet. Das Glasfasernetz wurde daraufhin anschlussfertig in die Orte gelegt. Auf der „letzten Meile“ zwischen dem Glasfaser in der Straße und dem Hausanschluss liegen aber oft noch alte Kupferkabel. Wer die Lücke mit Glasfaser schließen will, kommt an Aufgrabearbeiten für die Glasfaserleitungen auf seinem Privat- oder Firmengrundstück nicht vorbei.  dau

MEHR ZUM THEMA  Glasfaser bis ins Haus – Goetel-Geschäftsführer Daniel Kleinbauer im Interview„Große Investition, die sich rechnen muss“

VON PHILIPP DAUM

Glasfaser für schnelles Internet bis ins Haus: In Waldeck-Frankenberg ist die Goetel GmbH aus Göttingen derzeit in mehreren Kommunen aktiv, um die Bürgerinnen und Bürger von dieser Technologie zu überzeugen. Foto: Uwe Anspach/dpa

Waldeck-Frankenberg Warum ist Glasfaser überhaupt nötig, wieso ist für die Goetel GmbH der ländliche Raum interessant und was sagt das Unternehmen zu Problemen beim Ausbau seines Glasfaser-Netzes sowie zu schlechten Bewertungen seines Kundenservices? Wir sprachen mit Goetel-Geschäftsführer Daniel Kleinbauer.

Herr Kleinbauer, viele Haushalte in Waldeck-Frankenberg haben mittlerweile schon einen 100 Mbit/s-Internetanschluss. Das reicht den meisten aus. Warum ist Glasfaser trotzdem notwendig?

Zukunft ist das Stichwort. Ich mache seit 2015 nichts anderes als Netzausbau und Netzexpansion. Meine Erfahrung ist: Man denkt nur so lange, dass 100 Mbit/s ausreichen, wie man höhere Geschwindigkeiten noch gar nicht erlebt hat. Wenn man aber Parallelnutzungen im Haushalt hat, sind 100 Mbit/s nicht viel. Ich selber habe zwei Kinder, die parallel unterschiedliche Streams schauen, die zudem noch auf Instagram und Snapchat unterwegs sind. Da stoßen 100 Mbit/s irgendwann an ihre Grenzen – vor allem, wenn man noch über Haus-Automatisierung nachdenkt. Hier wird im Zuge der Heizwende einiges auf uns zu kommen. Viele Geräte werden miteinander vernetzt, dafür muss man höhere Bandbreiten haben.

100 Mbit/s reichen also in Zukunft nicht mehr aus?

Im Prinzip befinden wir uns immer noch in den Anfängen der Internetnutzung – und da funktionieren 100 Mbit/s und das damit verbundene Kupferprodukt auch noch ganz gut. Aber mit Blick in die Zukunft muss der Wechsel hin zu Glasfaser bis ins Haus stattfinden. Zu den genannten Punkten, was die Parallelnutzung angeht, kommt noch die Telemedizin hinzu. Das betrifft gerade den ländlichen Raum mit einer geringeren Arztdichte als in Ballungsräumen. Hochauflösende Bilder oder Videos, unter anderem zur Hautkrebsvorsorge, funktionieren nur mit einer schnellen Internetanbindung.

Zuletzt gab es Info-Veranstaltungen der Goetel GmbH in Diemelstadt, Volkmarsen, Bad Arolsen, Twistetal, Waldeck, Edertal und Vöhl. In Rosenthal beginnen Mitte Juni die Bauarbeiten für das Glasfasernetz. Sie betreiben also massiv Akquise, um in den Orten mindestens auf 40 Prozent Vertragsabschlüsse zu kommen. Da fühlen sich Menschen schnell unter Druck gesetzt – zum Teil auch von ihren eigenen Ortsvorstehern, die sagen: Wenn ihr nicht mitmacht, gibt es für euch niemals Glasfaser im Dorf.

Man muss vielleicht eines direkt zu Beginn sagen: Wir sind bislang die einzigen, die in den genannten Gebieten einen Glasfaseranschluss bis ins Haus kostenfrei anbieten. Für die Marktführer, die Haushalte mit Internet und Telefon noch überwiegend über die alten Kupferleitungen versorgen, ist der ländliche Raum noch immer uninteressant. Natürlich denken wir wirtschaftlich, aber das machen andere Unternehmen auch. Der Glasfaserausbau auf dem Land ist für uns eine große Investition, die sich rechnen muss. Daher benötigen wir eine bestimmte Quote und damit auch die Rückversicherung, dass wir das Geld wieder zurückverdienen.

Werfen wir beispielhaft den Blick auf die Großgemeinde Vöhl mit ihren 15 Ortsteilen. Angenommen, in Herzhausen werden die 40 Prozent nicht erreicht, in Harbshausen aber schon. Wird dann auch nur in Harbshausen ausgebaut und in Herzhausen nicht?

Unser Interesse ist, den Glasfaser-Ausbau bis in die Häuser immer flächendeckend für die gesamte Gemeinde oder Stadt zu machen. Wenn wir in einem Ortsteil über der Quote liegen, machen wir auch eine Querberechnung über alle Ortsteile im gesamten Gemeindegebiet. Soll heißen, um bei dem Beispiel zu bleiben: Wenn ein Ortsteil 60 Prozent erreicht, ein anderer, ähnlich großer aber nur 28, liegen beide zusammen im Mittel bei 44 Prozent. Wenn das 1:1 auch zu den tatsächlichen Hausanschlüssen beziehungsweise Endkundenverträgen passt, lohnt sich der Ausbau für uns immer noch.

In Gesprächen, die unsere Zeitung mit Bewohnern aus potenziellen Ausbaugebieten geführt hat, war auch Kritik zu hören, weil Goetel keinen genauen Zeitpunkt für den Glasfaserausbau in dem jeweiligen Dorf nennt. Warum können Sie das nicht?

Solche Baumaßnahmen, wie wir sie umsetzen, sind eine komplexe Sache. Die Erstgespräche mit Bürgermeistern und politisch Verantwortlichen nehmen etwa sechs Monate ein. Im Anschluss daran gibt es die ersten Info-Veranstaltungen und der Vertrieb wird gemacht – das dauert in aller Regel mindestens drei Monate. Erreichen wir die notwendigen Quoten, sprechen wir mit Tiefbaufirmen und Subunternehmern. Dann kommt es darauf an, in welchem Zeitpunkt im Jahr wir uns befinden und wie voll die Auftragsbücher der Firmen sind. In Deutschland wird derzeit überall gebaut. Nötig ist dann noch eine Detailplanung in den jeweiligen Straßenzügen und für die einzelnen Häuser. Es folgt natürlich noch der Weg zum Bauamt. Bis zum Baustart können schon mal bis zu zwei Jahre vergehen. Wobei ich das schon heftig finde. Wir tun alles, damit das schneller geht.

In den vergangenen zwei Jahren gab es mehrere Berichte über Probleme beim Glasfaserausbau durch Goetel: Verzögerungen beim Ausbau, nicht wieder geschlossene Baustellen, Probleme beim Empfang. Können Sie garantieren, dass dies in Waldeck-Frankenberg nicht passiert?

Wir können zusichern, dass wir besser geworden sind. Was wir allerdings nicht versprechen können, ist, dass explizit beim Baugeschäft alles reibungslos vonstatten geht. Das wäre schlicht unwahr, wenn ich das sagen würde. Wir reden hier über ein hochkomplexes und individualisiertes Bauvorhaben, bis am Ende des Tages Internet über Glasfaser bei jemandem im Haus funktioniert. Aber wir schauen mittlerweile auch stärker auf unsere Partner und sensibilisieren unsere Bauleiter für mögliche Problemfelder.

Sie setzen aus Kostengründen auch Subunternehmen aus dem Ausland ein. Können Sie verstehen, dass – wenn es um den Glasfaser-Ausbau auf dem eigenen Grundstück geht – Hauseigentümer skeptisch sind, da diese eher heimischen Firmen vertrauen?

Wenn wir Subunternehmer bekommen – zum Beispiel aus Portugal, Spanien, Polen oder der Slowakei – achten wir darauf, dass wir immer deutschsprachige Projektleiter einsetzen. Schließlich müssen die Bürgerinnen und Bürger vor Ort einen deutschsprachigen Ansprechpartner haben.

Nehmen wir an, es ist trotz eines unterschriebenen Vertrags und des Erreichens der 40-Prozent-Quote nicht absehbar, wann der Glasfaser-Ausbau von Goetel in mein Dorf beziehungsweise in mein Haus kommt. Oder angenommen, ich möchte aus anderen Gründen den Glasfaseranschluss nicht mehr haben. Kann ich vom Vertrag zurücktreten?

Grundsätzlich wurde uns erst einmal ein rechtsgültiger Auftrag erteilt, Glasfaser bis ins Haus zu legen. Gleichwohl ist die Gültigkeit des Auftrages stets von unserer tatsächlichen Leistungserbringung abhängig. Deshalb ist ein Widerruf des Auftrages solange möglich, bis der eigentliche Vertrag nach einer individuellen Baubesprechung mit jedem Hauseigentümer final unterzeichnet wird.

Aber warum benötigen Sie jetzt schon unterschriebene Verträge mit der Goetel GmbH, die neben dem kostenlosen Glasfaseranschluss auch einen 24-monatigen Internetvertrag beinhalten? Würde es nicht ausreichen und wäre es nicht seriöser, erst eine Abfrage in den Orten zu machen, danach den potenziellen Kunden ein Angebot mit genauem Zeitpunkt des Ausbaus zu unterbreiten und dann erst alle Verträge zu schließen?

Wir brauchen Klarheit, weil sonst unser wirtschaftliches Konstrukt für den jeweiligen Glasfaser-Ausbau ins Wanken geriete. Wir handeln hier auch nicht anders als andere Mitbewerber. Für eine optimale Planung brauchen wir aber auch ein Maximum an Daten, die auf dem von Ihnen genannten Vertrag draufstehen. Dazu gehören letztlich auch Bankdaten, die uns in die Lage versetzen, zu überprüfen, ob eine Rechtskräftigkeit des Vertrags gegeben ist.

In Online-Bewertungsportalen erhält Ihr Kundenservice schlechte Noten. Was sagen Sie dazu?

Die Kritik ist berechtigt. Wir sind in den vergangenen Jahren stark gewachsen und haben nicht alle kundenorientierten Zugangswege abgebildet. Auch was unsere Kommunikation angeht, waren wir in den vergangenen Jahren nicht gut. Das haben wir erkannt und werden uns verbessern. Wir wollen zum Beispiel die Bauzeitenpläne noch transparenter zur Verfügung stellen. Das soll auch gezielt mit Briefen und Pressemitteilungen geschehen, in denen wir über den aktuellen Stand berichten. Wir wollen insgesamt proaktiver kommunizieren. Unser Teamleiter Kundenmanagement ist gerade dabei, eine Ausschreibung durchzuführen für ein externes Callcenter. Dieses soll unseren bestehenden Kundenservice in Zukunft unterstützen.

Für Verwunderung hat der von Ihnen angebotene Rabatt von 11,2 Prozent für Mitglieder der Feuerwehr gesorgt. Gefühlt ist ja jeder auf dem Land in der Feuerwehr. Ist das nicht ein geschickter Marketingtrick, um Kunden zu gewinnen?

Der Feuerwehrrabatt war eine Idee für eine Segmentvermarktung, die wir ausprobieren wollten. Das können Sie jetzt seriös oder unseriös finden. Wir hatten bei uns im Unternehmen auch starke Stimmen dafür, sie sagten: Lasst uns doch mal was mit der Feuerwehr machen.

Ihre Ansprechpartner in den Dörfern sind in aller Regel die Ortsvorsteher, die sich in ihrem Dorf für den Ausbau einsetzen und auf Wunsch auch die Verträge einsammeln. Erhalten die Ortsvorsteher von Goetel eine Provision?

In der Regel sehen wir für unprofessionelle oder semi-professionelle Verkäufer keine Provison vor. Bei Ortsvorstehern gilt zudem, dass es sich um politische Amtsträger handelt. Hier verbietet sich das sowieso. Aber die Arbeit, die sich die Ortsvorsteher machen, verursacht Aufwand. Insofern geben wir manchmal Aufwandsentschädigungen. Hier reden wir allerdings über Regenschirme oder Shopping-Gutscheine.

Daniel Kleinbauer (45) gehört seit April 2022 zur Geschäftsführung der Goetel GmbH. Der diplomierte Wirtschaftsingenieur arbeitete zuvor 20 Jahre lang in der Telekommunikations- und Medienbranche, unter anderem bei Telefonica o2 und der ProSiebenSat.1-Gruppe. Er verantwortete bei Unitymedia das Neukundenwachstum durch Netzausbau und -modernisierung. Seit 2018 und bis zum Wechsel zu Goetel arbeitete er in verschiedenen Interims-Positionen im Bereich Glasfaserausbau. dau