2024 WLZ 21. 10. Engpässe bei Arzneimitteln

Einige Antibiotika schwer lieferbar – Kritik an Pharma-System

Karin Burk

Waldeck/Frankenberg Erneut gibt es in Deutschland Engpässe bei der Versorgung mit Medikamenten. Nach Angaben des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte von Anfang Oktober gibt es aktuell Lieferschwierigkeiten bei mehr als 500 Präparaten. Allerdings sei die Lage nicht so dramatisch wie im Winter 2022/2023, als Fiebersäfte gegen Grippe oder das Respiratorische Synzytial-Virus (RSV) fehlten. Kinder waren besonders betroffen.

Es sei ihr als Apothekerin „an die Nieren gegangen, wenn Eltern im Notdienst mit ihren Kindern mit hohem Fieber von weit außerhalb kamen und wir ihnen nicht helfen konnten“, sagt Karin Burk, Inhaberin der Battenberger Bären-Apotheke. Um solchen Notfällen vorzubeugen, „haben wir ein bisschen was gebunkert“, sagt Burk. Fiebersenkende Mittel oder Hustensäfte seien jedoch aktuell nicht das Problem. Hingegen seien bestimmte Antibiotika schwer lieferbar. In Absprache mit dem jeweiligen Arzt könne man aber oft auf andere Präparate oder Wirkstoffe ausweichen.

Die Situation habe sich im Vergleich zum vergangenen Jahr kaum verändert, sagt Dr. Johannes Benner, Inhaber der Frankenberger Eder-Apotheke. Durch politische Beschlüsse sei das Pharma-System „jahrelang kaputtgespart“ worden. Vor gut 20 Jahren seien praktisch alle Medikamente in Deutschland hergestellt worden. Das sei heute völlig anders. Nur noch etwa zwei Prozent der Pharma-Produkte würden in Deutschland hergestellt, das Gros komme aus Indien und China.

„Bei Antibiotika gibt es nach wie vor Versorgungsengpässe“, sagt Apothekerin Annika Melcher, Inhaberin der Apotheke in Diemelsee-Adorf. Bestimmte Wirkstoffe seien „immer mal wieder“ schlecht verfügbar. Ebenfalls problematisch sei die Versorgung mit Diabetes-Medikamenten. Einige Nasensprays seien zwischenzeitlich nicht lieferbar gewesen. In diesem Bereich habe sich die Lage etwas entspannt.

Als einen Grund für die Lieferengpässe sieht auch die Adorfer Apothekerin den starken Sparzwang, der von politischer Seite auf Pharmafirmen ausgeübt worden sei. Dies habe dazu geführt, dass sich die Produktion medizintechnischer Produkte immer mehr ins Ausland verlagert habe. In Deutschland könnten Pharmaprodukte kaum noch hergestellt werden, weil die Grundstoffe fehlten. Diese Entwicklung finde sie „sehr schade“, sagte Melcher.
THOMAS HOFFMEISTER

Nur zwei Prozent kommen aus Deutschland

Laut einer aktuellen Analyse des Bundesverbandes der Apothekerverbände stammen 41 Prozent der hierzulande verkauften Arzneimittel aus Indien, 13 Prozent aus China. 33 Prozent wurden aus unterschiedlichen Ländern Europas bezogen, darunter auch aus Deutschland. Hier werden jedoch nur zwei Prozent der Arzneien insgesamt hergestellt, wie auch Norman Keil, Sprecher des Apotheken-Großhändlers Sanacorp mit Niederlassung in Neuenstein, bestätigt.
OFF