2024 WN 20. 09.  KLIMAANGEPASSTES WALDMANAGEMENT

 Bundesförderung fließt in den Kreis Wälder fit machen für die Zukunft

VON DR. KARL SCHILLING

Bescheid-Übergabe im Wald: (von links) Erster Stadtrat Bruno Arlt und Bürgermeister Jürgen Vollbracht aus Waldeck, Staatssekretärin Dr. Bettina Hoffmann, Landrat Jürgen van der Horst, die SPD-Bundestagsabgeordnete Esther Dilcher und Kommunalwald-Geschäftsführer Hendrik Block. Foto: Schilling

Waldeck-Frankenberg – Drei Förderbescheide über 1,3 Millionen Euro überreichte die Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesumweltministerium, Dr. Bettina Hoffmann, am Mittwoch an Landrat Jürgen van der Horst und den Waldecker Bürgermeister Jürgen Vollbracht.
Mit dem Geld aus dem Förderprogramm „Klimaangepasstes Waldmanagement“ sollen Wälder in Zeiten des Klimawandels fit gemacht werden für die Zukunft und ihrerseits einen Beitrag zum Klimaschutz leisten. Zweck sind „der Erhalt, die Entwicklung und die Bewirtschaftung von Wäldern, die an den Klimawandel angepasst sind“.

Der Landrat vertrat gleich drei Waldeigentümer:

■  Waldeck-Frankenberg besitzt insgesamt 590 Hektar, darunter den Kreiswald bei Viermünden.

Bei der Kreisverwaltung sind historisch zwei weitere Einrichtungen angesiedelt:
■  die Waldeckische Landesstiftung mit 280 Hektar,

■  die Waldeckische Domanialverwaltung mit ihren stolzen 19 142 Hektar Wald.
An die Domanialverwaltung angedockt ist die 2019 gegründete Gesellschaft Kommunalwald Waldeck-Frankenberg, die rund 35 000 Hektar Wald des Kreises und von 21 Städten und Gemeinden betreut, darunter die 2353 Hektar Waldecks – die Stadt erhält 159 800 Euro aus dem Programm, die Landesstiftung 27 900 Euro und der Kreis 1,105 Millionen Euro.
Der Klimawandel sei auch in den Wäldern spürbar, sagte Hoffmann. Die Bundesregierung wolle Waldbesitzer dabei unterstützen, klimaangepasst und nachhaltig zu wirtschaften. Es habe sich schon viel geändert. Der Waldschutz und die Waldnutzung stünden dabei nicht in einem Konflikt zueinander, es sei ein Miteinander, betonte Hoffmann. Das Programm wolle Anreize schaffen und den Schwerpunkt auf die „Strukturvielfalt“ legen.
Neben den Waldbesitzern arbeite der Bund mit weiteren Partnern zusammen, er wolle „Leute motivieren und zusammenbringen“.
„Es ist mir ein Herzensding, dass es unserem Wald gut geht“, sagte die im Schwalm-Eder-Kreis lebende Grünen-Politikerin. „Es bedarf vieler Anstrengungen, um ihn auf einen guten Weg zu bringen.“
„Die nachhaltige Waldwirtschaft hat eine hohe Priorität für uns“, sagte van der Horst. Sie gehe nur mit der Förderung der Bundesregierung.
Bürgermeister Jürgen Vollbracht verwies auf die herausragende Bedeutung der touristischen Nutzung des Waldes. Ein Umdenken sei zwingend geboten. Die Bundesförderung erlaube, das Umdenken in Praxis umzusetzen.
„Es freut mich als Mitglied im Haushaltsausschuss sehr, dass es uns gelungen ist, drei Empfänger im Kreis mit Bundesmitteln zu unterstützen“, sagte die SPD-Bundestagsabgeordnete Esther Dilcher, die den Wahlkreis Waldeck vertritt. Dies zeige, „dass wir Vertrauen in den Klimaschutz vor Ort haben können. Unsere bewaldete Region braucht unsere Unterstützung.“
Auszubildende der Kommunalwald-Gesellschaft warfen an der einstigen Klosterkirche des Guts Schaaken bei Goddelsheim den Grill an und bewirteten die Gäste.

Viele Baumarten zulassen

Den Wald der Zukunft entwickeln: Vielfältig, naturnah und überlebensfähig im Klimawandel soll er sein. Foto: Farzin Salimi
Der Geschäftsführer der Kommunalwald-Gesellschaft, Hendrik Block, führte Staatssekretärin Dr. Bettina Hoffmann und die anderen Besucher zu zwei „Waldbildern“ im Süden des Gutes Schaaken bei Goddelsheim.
Im ersten dominiere ein rund 100 Jahre alter Buchenbestand, der sich durch Naturentwicklung, Naturverjüngung und natürliche Nachfolge weiterentwickele.
Die Anpassung an den Klimawandel sei „alternativlos“, sagte Block. Und die Wälder seien ein „großer Player“ beim Ziel, klimaschädliches Kohlendioxyd zu binden. Es müsse „Hand in Hand gehen“, den Naturwald zu entwickeln und ihn nachhaltig zu bewirtschaften.
Holz bleibe ein wichtiger Rohstoff, in dem das aufgenommene Kohlendioxyd gebunden bleibe – in den Schlössern Waldecks teils schon seit 500 Jahren.
Die Waldbesitzer sollten Handlungsspielraum erhalten, mahnte Block. Er verwies auf die Bedeutung der Holzerträge für die Eigentümer. So bewahre die Domanialverwaltung mit ihnen historische Gebäude wie die waldeckischen Schlosser. Es gebe bereits massive Verluste – Stichwort Fichtensterben.
„Das Förderprogramm ist gut und wichtig für den Erhalt der Wälder und die Erreichung der Klimaziele“, urteilte Bock. „Es gibt den Spielraum, um in den Wald der Zukunft zu investieren.“ Es erlaube, „das große Projekt mit viel PS anzugehen“ und es „aus einem Guss auf den Weg zu bringen“.
Am zweiten Standort hätten bis 2020 überwiegend Fichten gestanden, berichtete Block. Heute wüchsen dort 15 verschiedene Baumarten heran, drei nicht heimische, der Rest seien heimische und standortgerechte Arten. Die Fläche zeige, „was der Wald von sich aus kann“: Über die Naturverjüngung könne alles frei heranwachsen. Es gebe somit „15 potenzielle Sieger im Klimawandel“ – die Zukunft werde zeigen, welche Arten überlebten.
Der Bund setzte bei seinem Ansatz der „potenziellen natürlichen Vegetation“ nur auf fünf Arten, gab Block zu bedenken, er plädierte dafür, weitere zuzulassen – umso größer sei die Chance, dass die Natur die „richtigen Treffer landet“. Damit hätten die nachfolgenden Generationen mehr Möglichkeiten, um die richtigen Baumarten für ihren Wald zu entwickeln.
„Diese Flexibilität haben Sie“, versicherte Hoffmann. Ihr Ministerium wolle den Ansatz mit 15 Arten unterstützen, um den Wald seine Entwicklungsmöglichkeiten zu geben. Sie sei nicht überzeugt, dass fünf Arten reichten – „ein Ökosystem kann man nicht planen, schon gar nicht über 100 Jahre.“
Es bestehe kein Zweifel, dass der naturnahe Wald auch der stabilste sei, er habe viel Potenzial, um sich selbst zu helfen, betonte die promovierte Biologin. Und er habe sein „genetisches Potenzial“.
Block sprach auch den Verbiss an: Wild frisst mit Vorliebe junge Baumtriebe, deshalb sei Jagd notwendig, um es zu reduzieren. In der „Rhoder Erklärung“ wollten die Besitzer die Wiederbewaldung mit den Jägern angehen. „Das finde ich richtig“, sagte Hoffmann. Die Jagd sei „naturschutzfachlich geboten“.
Die Forstwirtschaft stehe vor großen Herausforderungen, sagte Block: Mit welchen Baumarten arbeite sie weiter, welche überlebten nicht die nächsten 150 Jahre? Wie erziele sie Erlöse? Welchen Bäumen sei nicht mehr zu helfen? Um Optionen zu haben, sei es nötig, alle Arten zu erhalten. Die Arbeit werde anspruchsvoller.  -sg-

Das Förderprogramm der Bundesregierung

Das Umwelt- und das Landwirtschaftsministerium der Bundesregierung haben 2022 das Förderprogramm „Klimaangepasstes Waldmanagement“ aufgelegt. Sie sehen den Klimaschutz und die Anpassung der Wälder an den Klimawandel als „nationale Aufgabe von gesamtgesellschaftlichem Interesse“. Dem Erhalt der Wälder als wichtige Speicher von Kohlenstoff und der nachhaltigen Waldbewirtschaftung komme dabei eine besondere Bedeutung zu. Der Bund wolle Waldbesitzer bei der Bewältigung dieser Aufgabe unterstützen.
Bislang habe der Bund mehr als 130 Millionen Euro aufgewendet, berichtete Dr. Bettina Hoffmann am Mittwoch, 8900 Waldbesitzer mit 1,6 Millionen Hektar Wald seien gefördert worden. Das Programm werde gut angenommen.  red/-sg-

Nachhaltig wirtschaften

Forstbetriebsleiter: André Schulenberg. Foto: Saure

Wie das Förderprogramm in Waldeck-Frankenberg konkret greifen soll, erläutert der Geschäftsführer der Kommunalwald-Gesellschaft, Hendrik Block. Gefördert würden alle Waldbesitzer mit bis zu 100 Euro pro Hektar und Jahr. Auch alle Kreis-Kommunen mit Wald nähmen das Programm in Anspruch.
Gekoppelt ist die Förderung an eine Zertifizierung, „die eine ökologisch, ökonomisch und sozial nachhaltige Waldbewirtschaftung garantiert“. Die Besitzer müssen zudem zwölf Kriterien einhalten. So soll die Naturverjüngung Vorrang, haben, die Vielfalt der Baumarten soll sich erhöhen.
Ein Kriterium sei, bei Flächen mit mehr als 100 Hektar fünf Prozent stillzulegen und einer natürlichen Entwicklung zu überlassen. Das bedeute: keine Pflanzung, Pflege oder „Holzernte“, zur Sicherung gefällte Bäume bleibe als Totholz liegen. „Flächen für den ,Urwald von morgen’ zu finden, ist uns recht leicht gefallen“, sagt Block.
Nach Waldschäden durch Stürme, Trockenheit und den Borkenkäfer sei die Einnahmesituation für Waldbesitzer eingebrochen, sagt Block. Die Wiederbewaldung erfordere enorme Kosten, was die finanzielle Lage der Besitzer verschärfe. Allein bei den Kommunen stünden mehr als 6000 Hektar Wald zur Wiederaufforstung an. Außerdem hätten Holzerlöse bislang die Pflege des Waldes und der Wege mitfinanziert. „Wir verstehen die Förderung als eine Wertschätzung der Gesellschaft für den Einsatz der Waldbesitzer, der die Klimaschutzleistungen des Waldes nicht nur erhält, sondern verbessert“, erklärt der Forstbetriebsleiter André Schulenberg. Der menschengemachte Klimawandel habe den Wald stark geschädigt und stelle die Besitzer vor finanzielle Probleme.  -sg