2024 WLZ 13. 02. Erst Bauern-Rallye, dann Schlüssel

Waldecker Narren stürmen das „streikende Rathaus“ in Sachsenhausen

VON DIRK SCHÄFER

Fröhliche Party trotz streikenden Personals: Die Waldecker Karnevalisten erklommen die Rathaustreppe und eroberten später den Schlüssel von „Landwirt“ Jürgen Vollbracht, Waldecks Bürgermeister. Fotos: Dirk Schäfer

SachsenhausenNanu: Bauern-Demo an der Bundesstraße in Sachsenhausen? Nein, die Menschenansammlung vor dem Rathaus entpuppte sich dann gestern Vormittag doch „nur“ als Rathauserstürmung – nicht unüblich im karnevalistischen Waldeck an einem Rosenmontag um 11.11 Uhr.

Die Traktoren stammten von den Prinzenwagen der beiden Karnevalsgesellschaften aus Waldeck und Sachsenhausen, die mit Musik und „Kamelle“ zum Entern des „Regierungssitzes“ vorgefahren waren, nachdem sie zuvor den Kindergarten in Waldeck besucht hatten.

Die Protestschilder allerdings stammten – auch zur Überraschung der Jecken – von Jürgen Vollbracht und seinem arbeitenden Volk in der Verwaltung. Der Bürgermeister und seine Bediensteten waren in humoristischer Anlehnung an die demonstrierenden Landwirte in den Streik getreten, hatten die Treppe zum Eingang verklebt und schwenkten Schilder mit Protestparolen – getreu dem Motto „die Bauern fahren nach Berlin, wir stellen uns halt hier oben hin“.

So formulierte es Bürgermeister Vollbracht in seiner Büttenrede, die das zahlreiche närrische Publikum rund um den Rathausbrunnen ebenso erheitert verfolgte wie den „Konter“ vom Wagen der Karnevalisten, die reimend diverse angebliche Missstände im Stadtgebiet anprangerten. „Dein Wahlkampf wird hoffentlich nicht so prüde wie deine Büttenrede“, spottete Karnevalspräsident Stefan Schaller in Anlehnung an die Ankündigung Vollbrachts, als Bürgermeister erneut kandidieren zu wollen.

Der Rathauschef, nahm es mit Humor – schließlich hatte er als erprobter Landwirt ja auch noch einen Trumpf in der Hinterhand: Erst wenn die Karnevalisten ihre Fähigkeiten auf dem Traktor unter Beweis stellten, gibt es den Rathausschlüssel. Also kurvte das Prinzenpaar Philipp I. (Andree) und Tina I. (Witte) ebenso wie Präsi Schaller auf dem Kinder-Trampeltrecker durch den Parcours – semitalentiert –, was den Bürgermeister zu der Erkenntnis brachte, man müsse wohl dem einen oder anderen erklären, was eine Acht ist.

Selbsterklärend war der Rest des Rosenmontags im Waldecker Karneval: Vor dem Rathaus feierten die Jecken nach der Schlüsselübernahme noch eine Zeitlang, ehe rund 300 Karnevalisten die Party in der Stadthalle bis in die Nacht fortgesetzten.

„Eine super Sache, schön dass wir diese Tradition in Waldeck gemeinsam weiter am Leben halten“, sagte der Vorsitzende der KG Rot Weiß Sachsenhausen, Rüdiger Meyer. „Im nächsten Jahr wird die gemeinsame Feier wieder im Waldecker Bürgerhaus stattfinden.“

Bis Aschermittwoch weht nun die Waldecker Karnevalsflagge am Rathaus – auch wenn das Hissen beinahe zu einem Skandal geführt hätte: Beim Singen des Waldecker Liedes wurde dem Mikrofon nach den ersten Takten versehentlich der Strom abgedreht. Klar, dass die Narren die streikenden Stadtmitarbeiter im Verdacht hatten.