2024 WLZ 19. 04. 900 JAHRE KIRCHE OBER-WERBE

Gemeindefest am 28. April Dorf verdankt seine Kirche dem Kloster

Vor 900 Jahren als romanische dreischiffige Basilika errichtet: Die Kirche in Ober-Werbe. Erst seit dem Jahr 2003 steht fest, dass es sich um die ehemalige Klosterkirche handelt. Foto: Reinhild Emden/pr

Lange wurde die Kirche in Ober-Werbe für die frühere Pfarrkirche des Orts gehalten. Seit 2003 steht fest: Es handelt sich um die ehemalige Klosterkirche. Das Gotteshaus, 1124 auf einer Anhöhe gegenüber der Klosterruine errichtet, wird 900 Jahre alt.

Waldeck-Ober-Werbe Die Kirche gehört zum Kloster Ober-Werbe, das erstmals im Jahr 1124/25 genannt wird. „Damit ist sie die zweitälteste Kirche der Region“, schreibt der frühere Pfarrer Werner Hohmeister in einem Faltblatt für Kirchenbesucher. Friedrich Wiesemann, Heimatforscher und früherer Kirchenvorsteher, hat umfangreiche Daten und Überlieferungen zur Kirche zusammengetragen:

In der Zeit der Kreuzzüge wird die Kirche gegründet; Kaiser Friedrich Barbarossa starb 1190 auf einem Kreuzzug. In Hessen und Thüringen regierte Hermann l. (1190-1216) auf der Wartburg, verwickelt in viele kriegerische Auseinandersetzungen.

Oberhalb des Dorfs, das nur wenige Häuser hatte, wurde die Kirche erbaut und der Kirchplatz von einer Mauer umgeben. Es ist die Zeit der Romanik. Der romanische Stil (siehe 10-Euro-Geldschein) ist der Ausdruck festen Habens, unerschütterlicher Gewissheit, des trotzigen, kühnen Glaubens.

Die Kirche in Ober-Werbe zählt zu den wenigen romanischen Basiliken in unserer Gegend. Ursprünglich hatte sie zwei Seitenschiffe. Davon zeugen die je vier Arkaden (Gewölbebogen).

Erhalten ist der Sims, auf dem die ursprüngliche flache Decke ruhte. Es ist anzunehmen, dass die Kirche einen Turm hatte, der spurlos verschwunden ist. Auffällig ist, dass der Giebel aus gehauenen Quadern besteht, während die Wände des Schiffes mit kleinen Bruchsteinen gemauert wurden. Über der Eingangstür befindet sich eine einfache Darstellung eines Kreuzes, von dem man annimmt, dass sie noch älter ist als die Kirche.

Auffallend ist die klare Form des Baus, der durch den quadratischen Ostchor abgeschlossen wird. Etwa 1706 erhält die Kirche ihre heutige Form. Die Seitenschiffe werden abgebrochen, die Arkaden vermauert. Zur Stabilisierung werden seitliche Stützpfeiler erforderlich. Der 1708 geschaffene Altaraufsatz ist nicht mehr vorhanden. Er konnte nur anhand dort 1938 entdeckter bescheidener Reste nachgewiesen werden.

1910 wird ein neuer Hahn angebracht, angefertigt von Schmiedemeister Wittmer, Ober-Werbe. In der Nacht zum 11. Februar 1928 wurde der Turmhahn durch einen Gewittersturm zerstört und erneuert.

Die große Glocke wurde am 6. Januar 1942 vorsorglich für Kriegsbedarf geholt, kehrte aber am 20.4.1948 wieder zurück. 1948 erhielten Kirchen- und Turmdach eine neue Schieferdeckung. Der Vorschlag des Kirchenvorstandes, das Dach mit Ziegeln zu decken, wurde vom Landeskonservator abgelehnt, da die Kirche unter Denkmalschutz steht und in ihrem Ansehen erhalten bleiben soll. Da Schiefer kostspielig ist, wurde darauf verzichtet, auch das Dach des Chorraumes zu erneuern.

1972 beliefen sich die Kosten für Glockenarmaturen und Läutenmaschinen auf etwa 10 000 Mark. In den folgenden Jahren wurden neue Fenster nach Entwurf des Künstlers „Klonk“ aus Oberrosphe eingebaut (8000 Mark) sowie eine Unterbankheizung für 7000 Mark.

Beide Projekte wurden finanziert aus Rücklagen der Kirchengemeinde, die immer noch den Namen Oberwerba trägt. Durch den Verkauf des alten Pfarrhauses in Basdorf, das im Eigentum der Pfarrei Basdorf-Oberwerba stand, hatte die Kirchengemeinde zusätzliche Mittel in ihre Rücklage erhalten.

1988 wurde die Kirche innen neu renoviert. Anstrich von Decken und Bänken, farbliche Gestaltung des Orgelgehäuses, Restaurierung von Kanzel und Taufstein nach ursprünglicher Farbgebung, Schreinerarbeiten, Elektroinstallationen und neue Seitenlampen kosteten über 30 000 Mark. Der alte Kronleuchter der Kirche ist heute in der Mauritiuskapelle im Heimatmuseum Frankenberg zu sehen.

Die Orgel, Ende des 19. Jahrhunderts aus der Kirche in Vöhl übernommen, stand zunächst auf der Holzempore und erhielt nach deren Abbruch einen neuen Platz auf dem Fußboden. Weil die Feuchtigkeit das Instrument beschädigte, wurde eine Empore aus Stahl gebaut, und die Orgel erhielt 2013 ihren früheren Standort wieder.

Die Mitte des Kirchenraumes ist der Altar, der Tisch des Herrn mit dem Kreuz. Er weist hin auf Jesus Christus, den Gekreuzigten und Auferstandenen, der Grund und Mitte des Glaubens ist. Der Taufstein von 1707 trägt die Inschrift „Ein jeglicher lasse sich taufen auf den Namen Jesus Christus“.

Die Kanzel entstand im selben Jahr. Vermutlich stammen Taufstein und Altar von Bildhauer Brützel aus Immighausen. Die alte Kirchenuhr wurde im Heimatmuseum in Frankenberg entdeckt und kehrte zurück. Das Labyrinth auf dem Kirchhof symbolisiert das Leben mit dem Kreuz als Gott in der Mitte, dem man sich auf verschiedenen Wegen im Laufe des Lebens immer wieder entfernt und nähert.  red/höh

Ausgrabungen vor 21 Jahren

2003 liefen archäologische Ausgrabungen an der Kirche von Ober-Werbe. Foto: Ortskirchenbeirat/pr

Das heutige kleine und recht kompakte Erscheinungsbild ist das Resultat verschiedener Umbaumaßnahmen. Im 12. Jahrhundert wurde die Pfarrkirche, die heute 19,20 Meter lang und 7,70 Meter breit ist, als dreischiffige Basilika errichtet. Sie war ursprünglich fünf Meter länger.

Bei archäologischen Forschungen in 2003 wurden die Grundmauern des südlichen Seitenschiffs freigelegt. Dabei konnten weitere Gebäude ausgemacht werden, die vermutlich etwas jünger als die Kirche waren und erst nach Abriss der Seitenschiffe entstanden sind.

Dabei „könnte es sich um die ursprünglichen Baulichkeiten des Klosters gehandelt haben, das erst später auf den gegenüberliegenden Berg umgesiedelt wurde“, heißt es in dem von Xenia Stolzenburg und Dr. Jürgen Römer verfassten Band „Romanische Kirchen in Waldeck“. Spannende Zusatz-Information: Angeregt durch die Grabungen sichtete Römer erneut die Schriftquellen. Dabei gelang ihm der Nachweis einer gefälschten Urkunde von 1194.  höh

Zwei Gemeinden: Ober-Werbe und Oberwerbe

Die kirchlichen Zuständigkeiten müssen für Ober-Werbe und Oberwerba getrennt betrachtet werden.

Ober-Werbe war von 1618 bis 1938 von Oberwerba kirchlich getrennt und wurde von Sachsenhausen aus versorgt, später durch Nieder-Werbe. Oberwerba hatte wechselnde Zuständigkeiten. Versehung von Höringhausen (Enklave im Waldecker Land) , Vöhl, Obernburg, Basdorf und zuletzt Nieder-Werbe. Für Ober-Werbe gilt nun die Zuständigkeit bei dem Gesamtverband Waldeck. Bis zu dieser Neuordnung war der Name der Kirchengemeinde Oberwerba, obwohl politisch seit 31.12.1970 der Name Oberwerba weggefallen ist.  höh

Kirchenjubiläum mit Gottesdienst, Fest und Vortrag

Zum 900-jährigen Kirchenjubiläum der evangelischen Kirche in Ober-Werbe lädt der Ortskirchenbeirat mit Pfarrerin Ursula Nobiling am Sonntag, 28. April, alle Interessierten ein.

Der Festgottesdienst mit Musik beginnt um 10 Uhr in der Kirche. Anschließend wird bei einem bunten Gemeindefest mit Mittagessen, Kaffee und Kuchen im DGH „Klosterblick“ gefeiert. Für Interessierte wird ein geschichtlicher Vortrag von Dr. Jürgen Römer über die Kirche angeboten.  höh