2024 WLZ 17. 09. Hartmut Wecker leitet den Geschichtsverein
Diemelstadt-Rhoden – Der Vorstand des Waldeckischen Geschichtsvereins ist wieder komplett: Bei der Jahrestagung am Sonntag in Rhoden wurde Dr. Hartmut Wecker aus Korbach erwartungsgemäß einstimmig zum neuen Vorsitzenden gewählt.
Auch ein neuer Schatzmeister fand sich nach rund sechsjähriger Vakanz: Dr. Joachim Richter aus Korbach übernimmt den Posten, er will im Team mit seinem Stellvertreter Richard Klaus aus Rhoden arbeiten, der die Kassengeschäfte bislang kommissarisch führte. Ebenfalls neu ist Philipp Emmanuel Wecker, der stellvertretender Schriftführer wurde.
Der Geschichtsverein hat zudem zwei neue Ehrenmitglieder: das Bad Arolser Lehrer-Ehepaar Ingrid und Heinz Schmidt. Exkursionen und der Festvortrag von Dr. Karl Murk rundeten die Jahrestagung ab. -sg-
Wahlen bei der Jahrestagung in Rhoden Hartmut Wecker übernimmt Vorsitz
VON DR. KARL SCHILLING
Der neue Vorstand des Waldeckischen Geschichtsvereins: (von links) Philipp Emmanuel Wecker, Klaus Mombrei, Britta Hein, Dr. Hartmut Wecker mit seinem Vorgänger Günter Engemann, Thomas Kraft, Dr. Joachim Richter und Richard Klaus.
Diemelstadt-Rhoden – Dr. Hartmut Wecker aus Korbach ist neuer Vorsitzender des Waldeckischen Geschichtsvereins. Bei der Jahrestagung am Sonntag in Rhoden wählten ihn die Mitglieder einstimmig. Er löst den Bad Arolser Günter Engemann ab, der nach viereinhalb Jahren nicht wieder kandidiert hatte.
Auch die übrigen Vorstandsposten wurden einmütig besetzt: Stellvertretende Vorsitzende bleiben Thomas Kraft aus Bad Wildungen und die Leiterin der Korbacher Bezirksgruppe, Britta Hein.
Neuer Schatzmeister wurde Dr. Joachim Richter aus Korbach, der im Team mit seinem Stellvertreter Richard Klaus aus Rhoden arbeiten will – Klaus hatte die Kassengeschäfte sechs Jahre kommissarisch geführt. Schriftführer bleibt Klaus Mombrei – es sei seine letzte Amtszeit, kündigte er an. Sein Stellvertreter wurde Philipp Emmanuel Wecker. Dem erweiterten Vorstand gehört weiter Dr. Karl Murk als Beisitzer an.
Die Jahrestagung hatte am Morgen traditionell mit einem Gottesdienst in der in der Stadtkirche begonnen, den der Posaunenchor und Organist Achim Krause mitgestalteten. Pfarrerin Claudia Engler würdigte die Arbeit des Geschichtsvereins, es sei wichtig zu fragen, wie Geschichte Menschen geprägt habe und weiter präge, welche Werte tradiert würden, was Menschen früher Halt gegeben habe und was heute. Aus der Geschichte zu lernen sei wichtiger denn je. Sie ging in ihrer Predigt auf die Seele und ihre Bedeutung für ein gelingendes Leben ein.
Zwei Exkursionen folgten. Walter Bracht legte den Schwerpunkt seines Stadtrundgangs auf das frühbarocke Schloss, dass der Graf und spätere Fürst Georg Friedrich am Ende des Dreißigjährigen Krieges ab 1645 erbauen ließ – zwölf Jahre sei Rhoden Residenzstadt gewesen. Bracht führte zu dem fast 100 Meter tiefen Schlossbrunnen und durch den Lustgarten zum Erbbegräbnis des Fürstenhauses. Durch die Lange Straße der Altstadt ging es zurück. Horst Sinemus führte seine Gruppe nach Alt-Rhoden, der um 800 entstandenen Vorgängersiedlung der heutigen Stadt. Die um 1000 erbaute romanische Kirche wurde bis 1817 genutzt, dann verfiel sie.
Das Mittagessen gab es im Grünewaldheim, dem evangelischen Gemeindehaus am Schloss. Der Vorsitzende der gastgebenden Diemelstädter Bezirksgruppe, Dr. Alexander Schwerdtfeger-Klaus, würdigte sein Team für die Vorbereitung der Jahrestagung: „Ihr seid Klasse!“
Die Vizevorsitzende des Vereins für hessische Geschichte und Landeskunde, Ruth Piro-Klein, rief auf, sich der geschichtlichen Wurzeln bewusst zu werden und sich positive wie negative Ereignisse vor Augen zu führen.
Bürgermeister Andreas Fritz mahnte, der Bezug zur Vergangenheit drohe verloren zu gehen – es gelte, Geschichte erlebbar zu machen. Diemelstadt lasse gerade markante Dokumente digitalisieren, außerdem plane er ein neues Museum in Orpethal.
Der Geschichtsverein bewahre das historische Erbe Waldecks und sei identitätsstiftend, betonte Landrat Jürgen van der Horst. Er lobte, Engemann habe integriert und den Verein wieder in ruhiges Fahrwasser geführt. Und er warb für die Wahl seines ehemaligen Fachdienstleiters Dr. Wecker, der die notwendigen „Soft Skills“ besitze und bestens vernetzt sei.
Zwei neue Ehrenmitglieder
Der Geschichtsverein hat zwei neue Ehrenmitglieder: Bei der Jahreshauptversammlung überreichte Günter Engemann die Urkunden an das Bad Arolser Lehrer-Ehepaar Ingrid und Heinz Schmidt. Seit 1970 sind sie Mitglied.
Ingrid Schmidt war Biologielehrerin und gab später an der Volkshochschule Kurse in Seidenschmuck und Bauernmalerei. 13 Jahre war sie Stadtführerin. Ihr Arbeitsschwerpunkt war der Siebenjährige Krieg. Wichtig war ihr auch, die Eingebundenheit Waldecks in die Weltgeschichte herauszuarbeiten.
Heinz Schmidt unterrichtete ab 1960 Englisch, Französisch und Religion an der Christian-Rauch-Schule. Im Ruhestand fragte er, wie er dem Geschichtsverein helfen könne. Er übersetzte Texte, transkribierte Handschriften des Pfarrers und Geschichtsforschers Johann Adolph Theodor Ludwig Varnhagen und unterstützte seine Frau. Sie habe in Waldeck ihre Heimat gefunden, sagte die gebürtige Bremerin.
Dr. Schwerdtfeger-Klaus ehrte Margret Kirchner für 25-jährige Mitgliedschaft.
In seinem letzten Bericht ging Engemann auf die beiden neuen Bücher von Johannes Grötecke, Richard Oppenheimer und Eva Flörsheim über die jüdischen Friedhöfe in Wildungen und Bergheim, auf drei neue Ortssippenbücher und auf das neue Buch von Dr. Klaus Wendt über die Waldecker Drucker ein.
Die Sanierung des Schreiberschen Hauses in Arolsen sei im Sommer abgeschlossen worden, der Verein habe einen Raum dazubekommen. Die Digitalisierung der Katalogbestände laufe weiter.
Engemann freute sich, dass sich gerade neue Vorstände für die Bezirksgruppen Lichtenfels und Waldeck fänden, der Zusammenschluss mit anderen Bezirksgruppen sei dadurch abgewendet.
Philipp Emmanuel Wecker stellte den neuen Band der Geschichtsblätter vor.
Um die Digitalisierung und die Homepage des Vereins kümmert sich künftig Sebastian Steiner aus Braunau, der sich nach seinem Master in Wirtschaftsinformatik selbstständig gemacht hat. -sg-
Wahl’sche Chronik berichtet von Krieg und Krisen
Der Referent: Dr. Karl Murk berichtete über Pfarrer Wahl.
Dem Rhoder Pfarrer Zacharias Wahl und seiner bedeutenden Chronik widmete der aus Landau stammende Historiker und Archivoberrat Dr. Karl Murk am Sonntag seinen Festvortrag im Grünewaldheim – es steht gleich neben dem Pfarrhaus, in dessen Vorgängerbau Wahl mit seiner großen Familie gelebt hat.
Dort entstanden große Teile der Chronik, die zu den bedeutendsten Quellen Waldecks im 17. Jahrhundert zählt. Seit dreieinhalb Jahren ist Dr. Murk in Marburg dabei, das 284-seitige Manuskript wissenschaftlich zu edieren. Das Original liegt in der Bibliothek der Alten Landesschule in Korbach.
Der um 1592 geborene Zacharias Wahl stammt aus einer in Waldeck gut vernetzten Pfarrer-Dynastie. Er studierte bis 1614 in Gießen. Seine erste Pfarrstelle in Bringhausen und Gellershausen verdankt er dem guten Ruf seines Vaters. 1615 heiratete er, die Ehe war wohl glücklich. 1625 wechselte er dank seiner guten Kontakte zum Grafenhaus nach Rhoden.
Immer wieder hatte er Probleme, sich gegen „Aberglauben“, sittliche Verfehlungen oder den Gottesdienst störende Rhoder Burschen durchzusetzen, dennoch kam er mit seinen Gemeinden wohl gut und harmonisch aus – er war gern gesehener Gast bei Familienfesten und übernahm Taufpatenschaften. Er war vergleichsweise wohlhabend, der belesene Pfarrer hatte eine große Bibliothek. Da es keine Rente gab, wirkte er trotz Altersgebrechen bis zu seinem Tod 1664 in Rhoden.
Seine Aufzeichnungen setzen am 24. September 1617 ein, er führte sie bis zum 10. September 1664. Es gibt zwei große zeitliche Lücken.
Wahl habe als „Mann des Wortes und der Schrift“ seine Erlebnisse akribisch niedergeschrieben. Wichtig sei ihm seine Familie gewesen: Er berichtet er über alle Geburten, Hochzeiten und Beerdigungen, auch über den Tod von fünf seiner 13 Kinder.
Für die mehreren Wellen der Hexenverfolgung in Waldeck sei die Chronik die Hauptquelle, sagte Dr. Murk. Nüchtern berichte Wahl über Hexenproben und öffentliche Hinrichtungen. Als Pfarrer habe er an den Teufel, Schadzauber und die Notwendigkeit der Prozesse geglaubt. In einer gewalttätigen Zeit habe er Vertrauen in Gott gehabt.
Wahl habe auch wundersame Natur- und Wetterereignisse festgehalten, die ihn verstört hätten: Waren es böse Omen? Er verzeichnet Missernten, Seuchen, Feuersbrünste, Alkoholmissbrauch, sexuelle Übergriffe, Gewaltexzesse, Hunger, Not und Elend. Immer mehr wird er zum Chronisten des Dreißigjährigen Krieges, der auch Waldeck schwer trifft, es gibt Scharmützel, Truppendurchzüge, Erpressung, Plünderungen und Einquartierungen. Das sittliche Leben erodiert.
Durch frühe Zeitungen erfuhr er von Weltereignissen wie der Hinrichtung des englischen Königs Karl I., er hielt sich auch über den Krieg auf dem Laufenden. Was ihn bewegte, floss mit in seine Chronik ein. Wahl habe stets seine Quellen genannt und teils Zweifel an deren Wahrhaftigkeit geäußert.
Das Fazit Dr. Murks: Wahls Chronik gebe „faszinierende Einblicke in die von Krieg und Krisen geprägte Lebenswelt“ und in die Mentalitätsgeschichte. Das Werk habe längst nicht die Aufmerksamkeit, die ihm gebühre. -sg-