2024 WLZ 14. 09. Den Aufbaujahren nach 1945 folgt der permanente Wandel

Großer Arbeitgeber Viessmann: Blick in die moderne Allendorfer Fertigungshalle für Wärmepumpen. Foto: Viessmann

Nach 1945 machten sich mutige Unternehmer wieder an die Produktion, Wohnungsbaugenossenschaften zogen Siedlungen hoch. Auch Vertriebene hatten ihren Anteil am Aufschwung, ob der Musikinstrumente-Bauer Langhammer in Burgwald oder Textilfabrikanten in Arolsen.
Aus kleinen Anfängen entwickelten sich große Betriebe. In Allendorf baute die Familie Viessmann ihr Heizungsunternehmen zum innovativen Anbieter von Heiztechnik, Klima- und Kühlsystemen aus – die Klima-Sparte verkaufte sie 2023 an den US-Konzern Carrier Global.
In Arolsen machte sich die Familie Wilke mit Hewi-Griffen aus Kunststoff einen Namen. Alfons Mondt produzierte ab 1946 mit seiner Almo Bäckereibedarf – Erwin Busch stellte auf Einwegspritzen um: Inzwischen stellt das Werk mehr als zwei Milliarden Stück im Jahr her.
In Korbach gründete Dr. Heinz Müller 1945 die Firma Horizont für Sicherheitsprodukte. In Bromskirchen eröffnete Friedrich Hoppe 1956 ein Werk für Tür- und Fensterbeschläge. In Frankenberg schuf Hettich als Zulieferer für Küchenhersteller Hunderte Arbeitsplätze.

Soziale Marktwirtschaft

Nicht hoch genug einzuschätzen für die wirtschaftliche Blüte der Bundesrepublik ist die Soziale Marktwirtschaft mit ihren Prinzipien Verteilungsgerechtigkeit und Chancengerechtigkeit, mit fairen Löhnen und verlässlicher sozialer Absicherung. Der wachsende Wohlstand breiter Schichten trug zur politischen Stabilität bei, Extremisten hatten mit ihren tumben Parolen keine Chancen.

„Wirtschaftswunder“

Der Wiederaufbau im Geiste der Sozialen Marktwirtschaft sorgte für einen enormen Aufschwung, der als „Wirtschaftswunder“ verklärt wurde. Im Inland war die Nachfrage nach den Mangeljahren groß, die Welt kaufte wieder Produkte „made in Germany“. Schon Ende der 1950er mussten die ersten „Gastarbeiter“ angeworben werden, um den Bedarf der Betriebe zu decken.
Auch der massive Ausbau der Bildungseinrichtungen trug zum Wirtschaftsboom bei: Die auf hohem technischen Niveau produzierenden Betriebe benötigen immer besser ausgebildete Facharbeiter. In den 1970ern öffneten sich Gymnasien und Hochschulen für breitere Bevölkerungsschichten. Frankenberg und Wildungen sind seit rund 20 Jahren Standorte des „Dualen Studiums“.

Im Kalten Krieg ließ die Bundeswehr in den 1960ern Kasernen in Frankenberg und Mengeringhausen bauen, die Belgier bauten in Korbach und übernahmen die Kaserne in Arolsen. Die Garnisonen hatten auch eine wirtschaftliche Bedeutung: Neue Siedlungen entstanden, die Soldaten und ihre Familien brachten Geld in die Geschäfte, das Militär war Arbeitgeber und beauftragte Handwerker. Heute besteht nur noch das Bataillon Elektronische Kampfführung 932 in Frankenberg.

Der Strukturwandel

Der tiefgreifende Strukturwandel hört nicht auf. In der Landwirtschaft setzte nach 1945 ein „Höfesterben“ ein, über Jahrzehnte predigte Brüssel: „Wachse oder weiche“ – heute gibt es Dörfer ohne einen Vollerwerbsbetrieb.
Einst starke Innungen wie die der Schuhmacher und Schneider gibt es nicht mehr. Der „Tante-Emma-Laden“ in fast jedem Dorf ist den Supermärkten gewichen. Kneipen schließen. Auch der Tankstellen-Boom ist vorbei.
Zum Wandel gehören auch Firmenpleiten. Die Stuhlfabrik Stoelcker bei Schreufa ging 1994 ein, Deutschlands größter Teppichboden-Filialist Frick in Burgwald wurde 2002 in die Insolvenz geschickt. Aus Mauser in Waldeck gingen zwei neue Firmen in Korbach und Berndorf hervor. Auch Thonet, der Reddighäuser Hammer, der Ofenbauer Lambion in Wetterburg, Phönix in Volkmarsen oder das Battenberger Eisenwerk Hasenclever hatten Krisen durchzustehen.
Spektakulär war in den 2000ern der Niedergang des Kurzzeit-Börsenlieblings Biodata, der „Weltmarktführer“ für Verschlüsselungstechnologie war zu schnell gewachsen verschwand vom Markt.

Innovative Ideen

Doch immer wieder entstehen auch neue, innovative Unternehmen, die neue Arbeitsplätze schaffen. Frankenberg hat sich in den vorigen 30 Jahren mit Ewikon, Günther oder Heitec zu einem Zentrum der Heißkanal-Technik für die Kunststoffproduktion entwickelt. Finger-Haus zählt zu den Top-Firmen im Fertighausbau.
Kocos in Korbach stieg vom Computerladen zum führenden Hersteller von Messtechnik auf, Twike in Rosenthal baut Elektro-Autos, Analyticon in Dalwigksthal entwickelt Testsysteme für die medizinische Diagnostik.
Der nächste umfassende Technologie-Wende ist im Kampf gegen den Klimawandel angelaufen. Sie ist auch im Kreis sichtbar: Zu den Wasserkraftwerken kommen Windräder und Solarparks – Diemelsee produziert heute sieben mal so viel Strom aus Erneuerbaren Energien wie die Gemeide verbraucht.  -sg-