2024 WLZ 12. 04.  „Da unten steht ein Mann“

Erinnerungen von Friedhelm Artz (81) an alte Zeiten in Sachsenhausen

VON JÖRG SCHÜTTLER

Aus dem Familienalbum: So sah die Hauptstraße im heutigen Waldecker Stadtteil Sachsenhausen in alten Zeiten aus. Repro/Foto: Jörg Schüttler

Waldeck-Sachsenhausen Friedhelm Artz (81) erinnert sich lebhaft an viele Begebenheiten an seine Kindheit und an das damalige Leben in Sachsenhausen. Zusammen mit seiner Ehefrau Renate und Enkelin Mara Knauf hat er seine Erlebnisse aus den 1940er und 1950er Jahren aufgeschrieben.

Friedhelm Artz wurde am 10. Februar 1943 in der Wildunger Straße 3, früher Karl-Hartmanns Haus, in Sachsenhausen geboren, wo er mit seiner Mutter, Bruder und Schwester wohnte. Der Vater war in Kriegsgefangenschaft. Aus der frühen Kindheit weiß Friedhelm Artz noch, wie die Flüchtlinge, Heimatvertriebene aus den früheren deutschen Ostgebieten, von Wildungen kommend durch Sachsenhausen Richtung Korbach zogen.

An ein besonderes Erlebnis aus dieser Zeit erinnert er sich noch genau: „Eines Morgens im Jahr 1948 schaute ich früh wieder mal aus unserem Küchenfenster, da sah ich einen Mann auf der gegenüberliegenden Seite vor der Bäckerei Heinemann auf der Treppe, der schaute zu uns hoch. Ich lief zur Mutter und rief: „Da unten steht ein Mann.“

Die Mutter schaute hinüber und schrie laut auf, denn es war unser Vater. Er kam mit der Mutter hoch und erschrak über seine abgemagerten Kinder. Gleich nachmittags fuhr der Vater mit dem Fahrrad nach der Reiherbach zum Bauer Wagner und fragte ihn, ob er etwas zu Essen für seine Kinder habe. Da der Vater schon vor dem Krieg ein gutes Verhältnis zu dem Bauer hatte, schenkte er ihm Leber- und Blutwurst im Glas. Da die während des Krieges abgeworfenen Bomben auf den Wiesen von Bauer Wagener tiefe Löcher hinterlassen hatten, half Vater, als kleines Dankeschön für die Wurst, beim Löcher zumachen.“ Für den eigenen Bedarf hielt Familie Artz damals zwei Schweine. „Auch wir Kinder mussten Futter für die Schweine besorgen. Auch musste einmal wöchentlich Molke aus der Molkerei mit dem Handwagen geholt werden. Zwischen Kindergarten und Lebensmittelgeschäft Laartz setzte ich mich dazu auf den Handwagen und lenkte mit den Beinen.“

Pech hatte Junge, als er einmal ausgerechnet vor den Augen eines Ordnungshüters vorbei sauste. Artz schildert die Szene: „An der Kreuzung nach Freienhagen am Kriegerdenkmal stand der Polizist Pollmächer und winkte mir zu. Ich solle anhalten. Das ging jedoch nicht, da ich ordentlich Fahrt drauf hatte, obwohl ich schon eine ganze Weile versucht hatte, mit den Füßen zu bremsen. Beim „Kassenschmal“ blieb ich dann endlich stehen. Polizist Pollmächer verlangte 50 Pfennig Strafe von mir, die ich aber nicht hatte. Er drohte, er würde es meinen Vater sagen. Die Angst vor dem Vater war groß, aber zu Hause hatte niemand etwas gewusst und auch nichts gesagt“, sagt Artz heute mit einem Schmunzeln.

Weitere Anekdoten und Erlebnisse aus alten Zeiten zu Schul- und Lehrzeit, Sachsenhäuser Originalen, Landwirtschaft, Ortsdienern und mehr veröffentlicht die WLZ in einer der nächsten Ausgaben.