2024 WLZ 12. 01. Mehlbeere ist Baum des Jahres

„Sorbus aria“ hat eine große Verwandtschaft und ist ökologisch nützlich
VON EBERHARD LEICHT

Die Echte Mehlbeere ist ein ästhetischer Waldbaum, auch wenn er nur bis zu 15 Meter hoch wird und nicht so konkurrenzstark ist, dass er eigene Bestände aufbaut. Doch er ist ökologisch wertvoll. Fotos: Jörg Henner/Imago Images

Waldeck-Frankenberg Baum des Jahres 2024 ist die Mehlbeere (Sorbus aria) – sie ist bereits der 36. Jahresbaum für Deutschland. Mit der Kür von Jahresbäumen sollen Bäume und ihre Bedeutung für die Umwelt, das Klima, die menschliche Gesellschaft und das Naturerleben in den Blickpunkt gerückt werden. Die Mehlbeere ist nach ihren Verwandten Speierling, Eberesche und Elsbeere bereits die vierte ausgerufene Baumart aus der Gattung Sorbus.

Verglichen mit Eichen, Linden, Kiefern oder Tannen kommt die Mehlbeere allerdings eher etwas unscheinbar daher, wird sie doch im Normalfall nicht einmal halb so groß, kann bei Weitem nicht so alt werden wie eine Eiche oder Linde und spielt auch forstwirtschaftlich keine große Rolle. Dennoch lohnt sich ein genauerer Blick auf diesen seltenen und sehr ästhetischen Waldbaum.

Wie Wildapfel, Wildbirne, Vogelkirsche oder Weißdorn gehört auch die Mehlbeere zu den Rosengewächsen. Der Namensbestandteil „Beere“ ist allerdings nicht ganz korrekt, denn die Früchte des Mehlbeerbaums sind botanisch gesehen eher kleine Äpfel.

Vorkommen im Landkreis

Die Mehlbeere ist eine eher konkurrenzschwache Art, die keine reinen Bestände ausbildet. Sie ist Buchen, Eichen, Linden oder Ahornen oder Nadelbäumen im Wuchs deutlich unterlegen. Man findet sie daher ausschließlich als Mischbaumart und häufig dort, wo aufgrund ungünstiger Standortbedingungen das Wachstum der Hauptbaumarten eingeschränkt ist.

In Waldeck-Frankenberg sind das etwa die trockenwarmen Eichenwälder an den Ederseehängen, die Buchenwälder auf Zechstein von Korbach über Obernburg, Alraft, Niederwerbe, Waldeck und Buhlen bis Lieschensruh oder dem nordwaldeckischen Muschelkalkgebiet. Zudem besiedelt sie auch die höheren Lagen des Kellerwaldes oder den Bereich um die Sackpfeife. Die attraktiven Blüten, die orangefarbenen oder roten Früchte sowie die filzige Behaarung der Blätter und jungen Triebe machen sie auch zu einem beliebten Garten- oder Stadtbaum.

Anders als Eichen, Linden, Tannen oder Eiben, die um ein Vielfaches älter werden können, und die durchaus auch ins Auge fallende Waldbestände bilden können, ist die Mehlbeere meist eher einzeln eingemischt und hält sich allenfalls da länger, wo an Wegen und Lichtungen oder am Waldrand dauerhaft ein höherer Lichtgenuss möglich ist.

Baumart wird selten wahrgenommen

Obwohl Mehlbeeren uns als Straßen- und Gartenbäume in unterschiedlichsten gärtnerischen Sorten begegnen und im Wald besonders im Frühjahr aufgrund der weißen Blattbehaarung schon von Weitem erkannt werden können, spielen sie in der öffentlichen Wahrnehmung eigentlich keine Rolle. In der Liste der Naturdenkmale des Landkreises finden sich zum Beispiel viele Eichen und Linden, auch Buchen, Eschen und Hainbuchen, jedoch keine Mehlbeere.

Die Mehlbeere könnte im fortschreitenden Klimawandel durchaus eine Zukunftsbaumart sein, denn ihre Ansprüche an Bodennährstoffe und Wasserversorgung sind eher bescheiden

Auch die offizielle Liste der Rekordbäume für Hessen enthält zwar die nahe verwandten Arten Elsbeere und Speierling, aber eben leider keine Mehlbeere. Dabei könnte sie im fortschreitenden Klimawandel durchaus eine Zukunftsbaumart sein, denn ihre Ansprüche an Bodennährstoffe und Wasserversorgung sind eher bescheiden, gilt sie doch als Charakterart des Pflanzenverbands der trockenwarmen Eichenwälder.

Reichhaltige Futterquelle

Die weißen bis cremeweißen Blüten, die sich in flach gewölbten Trugdolden nach dem Laubaustrieb öffnen, werden zwischen Mai und Juni von vielen Insekten aufgesucht. Vor allem Wildbienen dienen sie als reichhaltige Futterquelle. Die reifen Früchte sind dann für Amseln, Drosseln, Rotkehlchen, Stare und sogar Kolkraben interessant. Aber auch Mäuse, Bilche, Marder oder Wildschweine verzehren sie und verbreiten so über den Verdauungsweg die Samen. Dabei warten die Tiere gerne den ersten Frost ab: Dadurch gewinnen die vorher faden Mini-Äpfel deutlich an Geschmack.

Das Laub der Mehlbeere dient schließlich auch verschiedenen Schmetterlingsraupen, wie denen von Baum-Weißling, Kleinem Frostspanner und Goldafter als Nahrung.

Große Verwandtschaft

Die enge Verwandtschaft zwischen Mehlbeere und Elsbeere einerseits sowie Mehlbeere und Speierling andererseits hat dazu geführt, dass es da, wo diese Baumarten gemeinsam vorkommen, viele Übergangsformen gibt, die gleichzeitig Merkmale von zwei verschiedenen Mutterbaumarten tragen. Ein solcher „Mischling“ ist beispielsweise die Breitblättrige Mehlbeere, die Eigenschaften von Mehlbeere und Elsbeere in sich vereinigt.

Wie geht es weiter? Für die Kür zum Baum des Jahres 2025 stehen drei Baumarten zur Wahl: Die Zirbel- Kiefer, ein Baum des Hochgebirges in den Alpen und der Hohen Tatra; der Burgen-Ahorn, auch Französischer Ahorn genannt, der in Deutschland immerhin am Kaiserstuhl, an Rhein, Mosel und Nahe und im Nordpfälzer Bergland vorkommt, die Rot-Eiche, eine Baumart aus dem Osten des nordamerikanischen Kontinents. Ihr Anbau in Europa geht in die Mitte des 18. Jahrhunderts zurück. Der forstliche Anbau begann um 1860.

Zur Person

Eberhard Leicht leitet seit 2015 das Forstamt Burgwald. Er begann seine Forstlaufbahn 1982 im damaligen Forstamt Rauschenberg in Bracht, wo er bis 1984 tätig war, ehe er als Dezernent für Naturschutz, Naturparke und staatliche Wildparke ins Regierungspräsidium Kassel wechselte.

1990 übernahm der Forstdirektor das Forstamt Vöhl, wo er gezielt den Waldumbau und die Waldentwicklung zur Steigerung der biologischen Vielfalt der Wälder vorantrieb. md Foto: Biedenbach

Woher kommt der Name der Mehlbeere?

Woher der Name Mehlbeere für die Frucht und den Baum kommt, kann nicht mit Sicherheit gesagt werden. Es gibt drei Erklärungen, von denen jede durchaus plausibel erscheint:

■  Die dichte filzig weiße Blattbehaarung erweckt den Eindruck, dass das Laub mit Mehl bestäubt ist.

■  Bei Vollreife haben die essbaren aber nicht sehr schmackhaften Früchte eine mehlige Konsistenz.

■  In Notzeiten sind die Früchte früher getrocknet, gemahlen und dem Backmehl als Zusatz beigefügt worden.

Mehlbeeren haben längst nicht die ökonomische Bedeutung wie andere Kernobstgewächse. Eine ökonomische Bedeutung haben vor allem die Früchte von Eberesche und Speierling, die zu Schnaps verarbeitet oder wie beim Speierling dem Apfelwein zugesetzt werden. Leicht