2024 WLZ 09. 08. Langer Streit mit den Wölffen von Gudenberg

Die Eigenständigkeit und die Freiheiten des Dorfes Höringhausen – Schlussteil

VON HEINRICH FIGGE

Höringhausen in den 1960er-Jahren. Ein Luftbild des Fotografen Fürter aus Münster. Das Dorf ist seitdem deutlich größer geworden. Fotos: Sammlung Figge

Der Rechtsstreit zwischen den Höringhäusern und den Wölffen von Gudenberg aus wegen eines „Fruchtschneidebocks“ endete 1776 mit einem Vergleich. In den Gerichtsakten folgen dem Urteil die Namen aller Beteiligten. Fast alle Familiennamen gibt es heute noch im Dorf.

Johann Henrich Berghöfer, Richter, Johann Jost Schmitt, Vorsteher, Jost Henrich Reddehasse,
Vorsteher, Johann Wilhelm Stiehl, Vorsteher, Jacob Drescher, Vorsteher, Jacob Berghöfer,
Christoph Weißhaupt, Johann Henrich Schluckebier, Henrich Göbel, Johann Jacob Göbel,
Johann David Stiehl, Johann Daniel Schäfer, Johann Jost Lindenborn, Johannes Pfeiffer,
Johann Henrich Schluckebier, Johannes Rohde, Johann Jost Küthe, Jacob Schneider,
Johann Henrich Berghöfer, Johann Hann Freße, Johann Henrich Rohde.

Actum Höringhausen am 27 sten Sept. 1776

Jost Henrich Hufeisen, Friedrich Berghöfer, Henrich Schluckebier, Henrich Schmit, Senior, Henrich Schmit, Junior, Christian Schmincke, Henrich Kalhöfer, Johann Wilm Rösener, Johann Henrich Sauer, Peter Dittmer.
Diese Nahmen hat der zeitige Richter Johann Henrich Berghöfer, weilen dieselbe Schreibens ohnerfahren, und ihn darum ersuchet, hierher geschrieben.
Johann Henrich Berghöfer.
Von den 29 aufgeführten Männern mussten Johann Henrich Berghöfer, Johann Wilhelm Stiel und Johann David Stiel keinen Zehnten an die Wölffe von Gudenberg zahlen. Nach einem „Hebezettel“ für Abgaben aus dem Jahr 1785 gab es 58 Männer im Dorf, 19 waren „Ackerleute“, also Bauern, und 39 Köttner, also ärmere Handwerker und Arbeiter.
Eine in der Akte angegebene Leibeigenschaft ist in den Unterlagen über Höringhausen nicht erkenntlich. Im Großherzogtum Hessen wurde die Aufhebung der Leibeigenschaft per Gesetz vom 25. Mai 1811 verordnet und zum 13. Juli 1813 rechtskräftig.
Den „Hebe Zettel derer Bruch Zinsen“ aus dem Jahr 1785 fand ich im mir übergebenen Nachlass von Friedrich Sauer. „Hebezettel“ sind nach dem Wörterbuch zur historischen deutschen Rechtssprache Verzeichnisse „der einzuhebenden Beiträge zu Gemeindebedürfnissen“. Die „Bruchzinsen“ sind geteilte Zinsen.


Otto Ihm schreibt in seinem Bericht „Das Verhältnis zwischen Waldeck und der Herrschaft Itter. Eine Urkunde aus dem Jahre 1543 – Entscheidung des Hessischen Hofgerichts in Kassel in einem Streit zwischen den Grafen von Waldeck und den Wölfen von Gudenberg“ in Mein Waldeck 8 / 1961:
„Eine Urkunde aus dem Jahre 1543 bringt einiges Licht in die Angelegenheit wie auch über die gesamte Herrschaft Itter. Die Wölfe von Gudenberg, die nach dem Aussterben der Herren von Itter als erbende Verwandte in die Itternburg über dem Ittertal, die Obernburg auf der Höhe und in die Wasserburg in Höringhausen einzogen, scheinen den Grafen zu Waldeck zehntpflichtig gewesen zu sein. In der nachfolgenden Urkunde ist davon die Rede, daß die gesamte Herrschaft Itter einschließlich der Dörfer Ober- und Niederorke, Höringhausen und Eimelrod die Hälfte ihrer Zehnten an die Grafen zu Waldeck zahlen mußten, während die Wölfe von Gudenberg die andere Hälfte erhielten.“

Diese Aussage Ihms ist anzuzweifeln: Die Höringhäuser zinsten ihrer Kirche – nur wenn alte Rechte vorlagen der Obrigkeit. Dieses geht aus dem im ersten Teil vorgestellten Inventarium der Kirche aus dem Jahr 1568 hervor.

Ein altes Recht der Höringhäuser war, dass sie ihr Vieh auch in den Wäldern der Wölffe von Gudenberg hüten durften, um es zu mästen. Der Streit darum führte sogar zu einem Aufstand in Höringhausen, wie Ulrich Stanek berichtet: Eines Tages im Jahre 1765 hütete der Hirte Heinrich Müller die Höringhäuser Schweine im „Langenscheid“ zwischen dem „Himmelreich“ und dem „Schwarzen Bruch“. Da kamen adelige Forstgehilfen und Knechte, verprügelten den Hirten mit ihren Flinten auf das Erbärmlichste und trieben die Schweine auf den adeligen Hof. Als dies die Höringhäuser gewahr wurden kam es zum Aufstand.
Der Dorfrichter Pfeiffer hat die Männer mit der Glocke zusammengerufen und ist mit ihnen in den adeligen Hof eingedrungen. Die Gegenseite hat vor Gericht ausgesagt, die Höringhäuser hätten freche und unverschämte Reden gehalten, eine Axt mitgeführt, und in gewaltsamer Weise die Tür des Pfandstalles aufgebrochen und ihre Schweine herausgenommen. Weiter heißt es:
„Wahr ist, dass, als der Dorfrichter Pfeiffer auf vorgenommene Pfändung mit der Glocke anstürmte, der Schulmeister Heinrich Schäfer im Dorf herum gegangen ist, und diejenigen, welche nicht auf den adeligen Hof gehen und sich widersetzen wollten, mit aufrührerischen Worten angeheischt und zugesprochen hat: Was, ihr wollt nicht auf den Hof gehen, fürchtet ihr euch vor dem General? Ich habe allein wegen meiner Schulbedienung mit ihm zu tun gehabt, habe dabei die Oberhand behalten und ihr wollt euch fürchten?“
Auf 38 Seiten sind die Aussagen beider Parteien dokumentiert. Die Höringhäuser gaben zu Protokoll, sie seien niemals auch nur einen Schritt aus ihrem alten Recht getreten.
Das Urteil sah vor: Die Höringhäuser dürfen weiter in den adeligen Wäldern hüten, die Heilungskosten des Hirten sind zu bezahlen, ebenso ist eine Entschädigung für entgangene Mast zu leisten.
Allerdings sind der Gemeinde „bei namhafter Strafe alle fernen Turbationen“ – also Störungen – „Attentata und Vergewaltigungen zu untersagen“, ebenso sei sie „für die leichtsinnigerweise verursachten Schäden in Regress zu nehmen“. Verhandelt zu Vöhl am 3. Januar 1785.

Dies ist ein Ausschnitt vom ehemaligen Hofgut der Fürsten von Solms – Lich –
nicht vom Hofgut der Wölffe von Gudenberg.

„Mein Waldeck“ ist die Heimatbeilage der Waldeckischen Landeszeitung. Verantwortlicher Redakteur: Dr. Karl Schilling. Nachdruck, auch auszugsweise, nur mit Genehmigung des Verlages Wilhelm Bing.