2024 WLZ 07. 11. Paukenschlag am Abend: Scholz entlässt Lindner – Neuwahlen im März?
Dramatische Momente am gestrigen Abend für die Ampel-Regierung in Berlin: Bundeskanzler Olaf Scholz erklärte um kurz nach neun vor der Öffentlichkeit, die Vertrauensfrage stellen zu wollen. Der Bundestag solle darüber am 15. Januar abstimmen, sagte der SPD-Politiker in Berlin. Zuvor hatte Scholz seinen Finanzminister Christian Lindner (FDP) entlassen, nachdem dieser eine Neuwahl des Bundestags vorgeschlagen hatte. Scholz griff Lindner scharf an. Er sprach davon, Lindner habe zu oft sein Vertrauen gebrochen. Verliert Scholz die Vertrauensfrage am 15. Januar, müssten Neuwahlen bis Ende März stattfinden.
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Kanzler Scholz kämpft für den Erhalt der Bundesregierung.
Berlin – Bundeskanzler Olaf Scholz will die Vertrauensfrage im Parlament stellen und eine Entscheidung über eine vorgezogene Neuwahl ermöglichen. Der Bundestag solle darüber am 15. Januar abstimmen, sagte der SPD-Politiker in Berlin. Er fügte hinzu: „So können die Mitglieder des Bundestages entscheiden, ob sie den Weg für vorgezogene Neuwahlen frei machen.“ Die Wahl könnte dann „unter Einhaltung der Fristen, die das Grundgesetz vorsieht, spätestens bis Ende März stattfinden“. Die reguläre Bundestagswahl ist bislang für September 2025 vorgesehen gewesen.
Zuvor hatte Scholz seinen Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) entlassen, nachdem ihm dieser am Abend eine Neuwahl des Bundestags vorgeschlagen hatte. Scholz griff Lindner in seiner Rede scharf an. Dem FDP-Politiker gehe es um die eigene Klientel und um das kurzfristige Überleben der eigenen Partei, sagte Scholz in Berlin. Die Unternehmen im Land bräuchten Unterstützung, sagte er mit Blick auf die schwache Konjunktur und hohe Energiepreise. Er verwies zudem auf die internationale Lage mit den Kriegen in Nahost und der Ukraine. „Wer sich in einer solchen Lage, einer Lösung, einem Kompromissangebot verweigert, der handelt verantwortungslos. Als Bundeskanzler kann ich das nicht dulden.“ Scholz warf Lindner vor, in der gemeinsamen Regierungszeit Kompromisse durch öffentlich inszenierten Streit übertönt und Gesetze sachfremd blockiert zu haben. „Zu oft hat er kleinkariert parteipolitisch taktiert. Zu oft hat er mein Vertrauen gebrochen.“ Es gebe keine Vertrauensbasis für die weitere Zusammenarbeit.
Scholz hatte sich mit Lindner seit Sonntag mehrfach getroffen – seit Montag auch vier Mal zusammen mit Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne). Der SPD-Kanzler betonte, er habe Lindner am Mittwochmittag nochmals ein Angebot vorgelegt, „mit dem wir die Lücke im Bundeshaushalt schließen könne, ohne das Land ins Chaos zu stürzen“. Dieses Angebot habe vier Punkte umfasst und auch FDP-Forderungen aufgegriffen, sagte Scholz. Er nannte eine Deckelung der Netzentgelte zur Senkung der Energiekosten für Unternehmen; ein Paket zum Schutz von Arbeitsplätzen in der Autoindustrie und deren Zulieferern; eine Investitionsprämie und steuerliche Abschreibungsmöglichkeiten für Investitionen von Unternehmen; und schließlich eine Erhöhung der finanziellen Unterstützung der Ukraine, die einem schweren Winter entgegengehe.
Finanzminister Lindner hatte am Abend vorgeschlagen, dass die Ampel-Parteien, wie 2005 gemeinschaftlich schnellstmöglich Neuwahlen für Anfang 2025 anstreben sollten, um „geordnet und in Würde“ eine neue Regierung für Deutschland zu ermöglichen. Die FDP wäre bereit, noch den Nachtragshaushalt 2024 gemeinsam zu beschließen und einer geschäftsführenden Bundesregierung anzugehören. dpa/afp