2023 WLZ 28. 09. Aus alter Jeans wird peppige Tasche

Kreative Ideen und Tipps zur Nachhaltigkeit beim ersten Waldecker Ökotag

VON CHRISTIANE TRIERWEILER

Hilfe im Bad Wildunger Repair-Café: Kathrin Barlozey besucht Peter Pröhl und Nabil Sabila mit einer Reparaturanfrage. Fotos: Christiane Trierweiler

Waldeck – Wer meint, bei Nachhaltigkeit ginge nur um einen freudlosen Verzicht, hat weit gefehlt: Beim ersten Waldecker Ökotag, organisiert vom Waldecker Jugend- und Kulturverein WaJuKu am Strandhaus am Edersee wurde aufgezeigt, wie Nachhaltigkeit mit Freude und Kreativität im Alltag gelebt werden kann. Besucher sahen, wie alte Produkte repariert, neu oder umgenutzt werden können und wie Natur- oder wiederverwendbare Produkte künstliche Materialien im Haushalt ersetzen können.
Die Organisatorinnen Ute Wiesenberg aus Sachsenhausen und Sybille Teuber-Blechschmidt aus Freienhagen waren auch selbst aktiv. Wiesenberg hauchte Großmutters Stopf-Ei neues Leben ein: Kleine Löcher in Socken werden mit Nadel und Stopfgarn quasi zugewebt. Einfarbige Kleidungsstücke für Kinder können mit Stopfgarn repariert und aufgepeppt werden.
Sybille Teuber-Blechschmidt arbeitete mit Mosaiken, wo alte Tabletts und Backbleche mit farbigen Glasquadraten und Spachtelmasse zu fröhlichen, mediterran anmutenden Deko-Objekten werden. Besucher probierten das gern aus. „Mit den Mosaik-Vliesen dekoriere ich zum Beispiel meine Hauswand“, erklärt Teuber-Blechschmidt. Yvonne Kümmel aus Volkmarsen zeigte, wie Müsliriegel hergestellt werden. Gitte Voigt aus Waldeck informierte, wie aus ausrangierten Jeanshosen peppige Handtaschen werden. Auch Mona Hofmann aus Korbach führt Altes einer neuen Bestimmung zu: So gießt sie Kerzen in dekorative alte Kaffeetassen und stellt eine Vielfalt anderer Dekorationen her. Sie hat ein Kinderbuch geschrieben und verlegt. Hofmanns zierliche Gestalt in der fliegenpilzfarbigen Jacke an dem mit bunt gemusterten Produkten gefüllten Stand sah selbst wie aus einem Märchen entsprungen aus.
Bei ihr kann man altes Vintage-Geschirr für Anlässe ausleihen. Ihre Obst- und Gemüsenetze aus alten Gardinen haben charmante Blumenmuster. Selbstgenähte Spültücher in kräftigen Farben wird jeder im Haushalt dem Schwammtuch vorziehen. „Man kann sie immer wieder in die Waschmaschine geben und so halten sie sehr lang.“ Zum Abdecken von Küchenschüsseln verkauft sie „Schüsselkappen“ mit Plastikunterseite, Textiloberseite und Gummizug. „Diese ersetzen die Alu- oder Frischhaltefolie.“
Beim Stand des Imkereibedarfs Ziegler aus Schmittlotheim probierten sich Besucher bei der Herstellung von abwaschbaren Bienenwachstüchern aus, die im Haushalt Butterbrotpapier und Frischhaltefolie ersetzen. Das Wachs stammt aus Zieglers Imkerei. Lina und Kerstin Ziegler bieten Kurse, gerade für Kinder, an, und sie besitzen eine Presse für Apfelsaft. Dieses regionale Lebensmittel muss keine weiten Wege auf der Autobahn zurücklegen.

Glücklich mit getragenen Kleidern und reparierter Uhr

Am Stand des Vereins „Agrarwende“ wurden Betriebe gewürdigt, die abseits von Massentierhaltung und Bioindustrie gesunde und schmackhafte Lebensmittel herstellen.
Auch die Solawi Unser Hof aus Freienhagen bot solche regionalen Lebensmittel an, die unverpackt in Mehrwegkisten die Mitglieder erreichen. Die Gemüse sind kontrolliert biologisch im Familienbetrieb mit viel Pferde- und Handarbeit angebaut und die zum Teil ungewöhnlichen und alten Sorten sind geschmacklich intensiv.
Die Solawi Falkenhof aus Strothe bietet ebenso besondere regionale und ökologisch angebaute Gemüse an. Am Ökotag zeigten die Falkenhöfer Dalila Schluchter und Jenny Winter außerdem, wie aus Fundstücken aus der Natur Kunstwerke entstehen. Für die fröhliche und dekorative „Land Art“ werden natürliche und biologisch abbaubare Grundstoffe verwendet.
Gereon Schoplick führte eine Pilzwanderung. Jens Schindzielorz aus dem Edertal zeigte, wie Fahrräder repariert werden können. Sanne Weigandt unterstützt mit ihrem Projekt, nachhaltig Papier herzustellen, Familien in Nepal. Bianca Häusler und Kolleginnen von der Verbraucherzentrale gaben Tipps zur Nachhaltigkeit. Am Stand „Naturtante“ von Melanie Jakob aus Schauenburg wurde gezeigt, dass aus natürlichen Grundstoffen auch eine riesige Palette Kosmetikprodukte entstehen kann. Eine Kundin war vom roten Lippenbalsam überzeugt. „Er ist auf Bienenwachsbasis hergestellt, pflegt und man kann sich im Handumdrehen dezent schickmachen, auch unterwegs.“ Dass das aus einem regionalen Kleinunternehmen stamme habe besonderen Mehrwert.
Bei der Modenschau am Abend zuvor und beim Second-Hand-Kleiderstand wurde klar, dass auch getragene Kleidungsstücke neue Besitzer sehr glücklich machen können. Glücklich wurden auch Besitzer alter Elektrogeräte, die diese zum Repaircafé aus Bad Wildungen brachten. Peter Pröhl, Karina Kruse und Nabil Sabila gingen ans Werk. „Für eine Reparatur freuen wir uns über eine kleine Spende, aber hauptsächlich ist der Dank unser Lohn.“ Unter ihnen sind Profis – Mechaniker und Elektriker – aber auch Autodidakten. „Die Leute bringen ihre Schätzchen zu uns. Selbst wenn es nur um eine billige Uhr aus China geht – mit diesem Gerät verbindet jemand vielleicht einen besonderen emotionalen Wert, oder es ist schon sehr alt, und die Freude ist groß, wenn es wieder funktioniert“, so Kruse.
Beim Ökotag freute sich Wiesenberg über die Hilfe einiger Freiwilliger sowie von Strandhausbetreiberin und WaJuKu-Vorstandsmitglied Gerlinde Koppelin. Besucher und Beschicker waren zufrieden. Besucher ließen sich inspirieren und kauften nachhaltige Produkte. Kinder konnten basteln. Das Interesse mehr als nur oberflächlich, und Interessierte vernetzten sich. „Unser Konzept ist aufgegangen“, zogen Wiesenberg und Teuber-Blechschmidt Bilanz.  ct