2023 WLZ 27. 07. „Existenzfrage“ für die Gastronomie“

Dehoga-Diskussion mit Politikern über verminderten Mehrwertsteuersatz

VON JÖRG SCHÜTTLER

Diskussion mit Politikern: Hinten von links Kai Floren, Ulrich Stürmer, Christine Luckhardt, Katrin Schäfer und Christian Gerlach vom Dehoga-Kreisvorstand, Oliver Kasties von Dehoga Hessen; vorn die Politiker Wiebke Knell, Dr. Daniel Sommer, Jürgen Bach­mann und Jan-Wilhelm Pohlmann.   FOTOS: JÖRG SCHÜTTLER

Waldeck-Niederwerbe„Wir wollen mit der Mehrwertsteuer von 7 Prozent kein Geld scheffeln, sondern unsere Betriebe erhalten“, erklärte Christian Gerlach, Kreisvorsitzender des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes (Dehoga), bei einer Diskussion mit Politikern, zu der der Verband in das Flair-Hotel Werbetal in Nieder-Werbe eingeladen hatte.

Die Landtagsabgeordneten Wiebke Knell (FDP), Daniela Sommer (SPD) und Jan-Wilhelm Pohlmann (CDU) sowie Jürgen Bachmann, Kreisvorsitzender der Linken im Schwalm-Eder-Kreis diskutierten mit heimischen Gastronomen über das Thema, das ihnen unter den Nägeln brennt.

Gerlach pochte vor allem auf Steuergerechtigkeit und Chancengleichheit: „Der Dehoga-Verband fordert den verminderten Mehrwertsteuersatz schon seit vielen Jahren, da es ungerecht ist, dass Außer-Haus-Geschäfte oder Convenience-Produkte nur mit 7 Prozent versteuert werden.“

Der Hotelier sprach von einer „Benachteiligung der deutschen Gastronomie, wenn angrenzende europäische Länder ihrer eigenen Gastronomie verminderte Steuern berechnen“. Es sei wichtig, die Kostensenkung in den Betrieben zu erhalten. Küche und Speisenverkauf seien am kostenintensivsten: „Viele Betriebe gleichen die zu geringen Verdienstmöglichkeiten mit Einnahmen aus dem Bettenverkauf aus. Aber was machen reine Speiserestaurants?“ Eine weitere Welle an Schließungen der Hotel- und Restaurantküchen wäre die Folge.

Viele Gastronomen wiesen auf die Unsicherheiten während der Pandemie hin und beklagten den Mangel an öffentlichen Verkehrsmitteln in der Region. Zudem sei der Personalmangel ein großes Thema. So müsse man selbst in Urlaubsregionen an manchen Tagen den Betrieb geschlossen lassen. Daniela Sommer (SPD) sagte: „Es ist uns schon klar, dass bei vielen in der Gastronomie die Existenz gefährdet ist. Manchmal müssen wir für den ländlichen Raum parteiübergreifend streiten.“ Die Beibehaltung des Mehrwertsteuersatzes von 7 Prozent sei eine Entscheidung der Bundesregierung. Dem pflichtete auch Wiebke Knell von der FDP bei, die auch dem Bundesvorstand ihrer Partei angehört. Bisher sei zu wenig Geld in den ländlichen Raum geflossen: „Ich kann ihre Ängste total verstehen. Unsere Zukunft hängt davon ab, dass wir eine lebenswerte Region sind.“

Entscheidend seien die Steuerschätzung, die im November oder Dezember vorgenommen werde und auch die Verhandlungen innerhalb der Bundesregierung, bei denen eine gemeinsame Lösung gefunden werden müsse. Bundesfinanzminister Christian Lindner, der Bundesvorsitzende der FDP, und Fraktionsvorsitzender Christian Dürr setzen sich laut Knell dafür ein, dass es bei 7 Prozent bleibe.

Auch die CDU/CSU unterstütze die 7 Prozent, worin sich Landtags- und Bundestagsfraktion einig seien, erklärte Jan-Wilhelm Pohlmann. Die Gastronomie leiste einen wichtigen Beitrag für die Gesellschaft. Pohlmann warb für den Vorschlag, nach den hessischen Landtagswahlen eine Initiative im Bundesrat für die Beibehaltung der 7 Prozent zu starten. Das kommt für Oliver Kasties, Hauptgeschäftsführer der Dehoga Hessen, aber viel zu spät. Die Betriebe benötigten jetzt schon Planungssicherheit.

Jürgen Bachmann von Linken betonte, dass die Mehrwertsteuer vor allem die kleineren Einkommen betrifft: „Wir wollen, dass es sich die Leute erlauben können, in die Restaurants zu gehen.“ Es gelte, kleine und regionale Betriebe zu fördern.

Bitte: Nicht am falschen Ende sparen

Die Gastronomie habe auch vielen Menschen seit dem Ausbruch des Ukraine-Krieges geholfen, merkte Wiebke Knell anerkennend an. Dehoga-Vorsitzender Christian Gerlach stellte klar, die Gastronomie sei bereit, Zuwanderer oder Asylbewerber einzustellen. Das aber werden häufig durch gesetzliche Bestimmungen blockiert.

Am Ende der Diskussion bat Uwe Mitze, Lehrer an der Berufsschule in Bad Wildungen, die Politiker darum, parteiübergreifend an einem Strang zu ziehen: „Bitte bündeln sie ihre Kräfte. Es ist am falschen Ende gespart, wenn sie ausgerechnet bei der Mehrwertsteuer für die Gastronomie sparen wollen.“

Dem pflichtete Gerlach bei: „Ich hoffe, dass die 7 Prozent beibehalten werden. Es ist existenziell wichtig für uns. Wir wollen keine Almosen, wir wollen nur Gerechtigkeit.“  sj

Durch das Corona-Steuerhilfegesetz vom 19. Juni 2020 wurde der Mehrwertsteuersatz für Restaurant- und Verpflegungsdienstleistungen – unter Ausnahme der Abgabe von Getränken – vom 1. Juli 2020 befristet bis zum 30. Juni 2021 von 19 Prozent auf 7 Prozent abgesenkt. Die Regelung wurde bis Ende 2023 verlängert. So sollen die Belastungen der Branche durch die hohen Energiekosten abgefedert werden. In den EU-Nachbarländern Frankreich, Österreich und Tschechien liegt der Mehrwertsteuersatz für Gastronomen bei 10 Prozent, in den Niederlanden bei 9 und in Luxemburg nur bei 3 Prozent.  sjl

Hintergrund

Branche entlasten

Durch das Corona-Steuerhilfegesetz vom 19. Juni 2020 wurde der Mehrwertsteuersatz für Restaurant- und Verpflegungsdienstleistungen – unter Ausnahme der Abgabe von Getränken – vom 1. Juli 2020 befristet bis zum 30. Juni 2021 von 19 Prozent auf 7 Prozent abgesenkt. Die Regelung wurde bis Ende 2023 verlängert. So sollen die Belastungen der Branche durch die hohen Energiekosten abgefedert werden. In den EU-Nachbarländern Frankreich, Österreich und Tschechien liegt der Mehrwertsteuersatz für Gastronomen bei 10 Prozent, in den Niederlanden bei 9 und in Luxemburg nur bei 3 Prozent.  sjl

Gastronomie unter Druck: Der Dehoga-Kreisverband Waldeck-Frankenberg fordert die dauerhafte Senkung der Mehrwertsteuer auf 7 Prozent, um die Betriebe zu erhalten. Im Bild überreicht Servicemitarbeiterin Loan im Restaurant Werbetal in Nieder-Werbe eine Rechnung an Gerda Groß aus Odershausen und Bernd Mehring aus Gemünden.