2023 WLZ 27. 02. MEHR ZUM THEMA Flüchtlinge als Fachkräfte – Kreis nutzt bundesweites Programm
„Die Betriebe fordern das von uns“
VON PHILIPP DAUM
Freuen sich auf die Umsetzung von Land.Zuhause.Zukunft.: (von links) Der Integrationsbeauftragte Latif Hamamiyeh Al-Homssi, Lisa Veyhl von der Robert Bosch Stiftung, Beraterin Elisa Benker, WIR-Koordinatorin Theresa Habich-Lerch, Erster Kreisbeigeordneter Karl-Friedrich Frese und Kai Bremmer, Geschäftsführer der Kreishandwerkerschaft. Foto: Daum
Waldeck-Frankenberg – Der Landkreis Waldeck-Frankenberg will mithilfe des bundesweiten Förderprogramms Land.Zuhause.Zukunft Menschen mit Migrations- und Fluchtgeschehen langfristig für das Handwerk gewinnen. Im Folgenden beantworten wir die wichtigsten Fragen zu dem Programm.
Wie wird Land.Zuhause.Zukunft in den kommenden eineinhalb Jahren konkret in Waldeck-Frankenberg umgesetzt?
„Es wird zu Beginn eine Pilotphase geben, bei der es darum geht, erst einmal ins Machen zu kommen“, sagt Latif Hamamiyeh Al-Homssi, Integrationsbeauftragter des Landkreises Waldeck-Frankenberg. Sprachbegleitend sollen junge Menschen mit Migrations- und Fluchtgeschichte in verschiedene Bereiche der Kreishandwerkerschaft, in denen Handwerksbetriebe ausbilden, hineinschnuppern. „Der Fokus liegt hierbei auch stark auf der sprachlichen Entwicklung. Viele Berufsabschlüsse, die migrantische Auszubildende anstreben, scheitern nämlich an der Sprache – und nicht daran, dass die jungen Menschen das Handwerk nicht beherrschen“, so Al-Homssi.
Was kann die Kreishandwerkerschaft in Waldeck-Frankenberg für eine erfolgreiche Umsetzung des Programms einbringen?
„Wir freuen uns darauf, unser Know-how für dieses Programm zur Verfügung stellen zu dürfen“, betont Kai Bremmer, Geschäftsführer der Kreishandwerkerschaft. Er weist auf Projekte hin, die mit Blick auf die Integration von Menschen mit Migrationshintergrund bereits erfolgreich im Landkreis umgesetzt worden seien. „Wir konnten zum Beispiel junge Menschen aus Spanien für das heimische Handwerk qualifizieren“, so Bremmer, der außerdem noch an das Projekt „Flüchtlinge und Asylbewerber ins Bauhandwerk“ erinnerte. Die gesammelten Erfahrungen wolle man nun auch ins Programm „Land.Zuhause.Zukunft.“ einbringen.
Warum konzentriert sich das Programm vor allem darauf, Flüchtlingen und anderen Migranten eine berufliche Perspektive im Handwerk zu bieten?
„Die Betriebe fordern von uns, dass wir sie mit Nachwuchs und Fachkräften versorgen“, berichtet Kai Bremmer. Das Programm werde vielleicht nicht der Königsweg sein. Mit ihm werde aber ein weiterer Schritt unternommen, um vorhandene Ressourcen zu nutzen, indem zugewanderte Menschen mitgenommen und integriert werden. „Handwerksbetriebe sind in aller Regel klein, mittelständisch und häufig auch noch familiengeführt. Ich kann mir schon sehr gut vorstellen, dass dort die Integration leichter gelingt als beispielsweise in größeren Industriebetrieben“, sagt der Geschäftsführer der Kreishandwerkerschaft.
Profitieren die teilnehmenden Landkreise auch gegenseitig von ihren Ideen und Ergebnissen?
„Die sechs Landkreise, die am bundesweiten Förderprogramm Land.Zuhause.Zukunft teilnehmen, bearbeiten jeweils ganz unterschiedliche Bedarfe und Themen. Hierbei erhalten alle eine Prozessbegleitung von uns“, sagt Lisa Veyhl, Senior-Projektmanagerin im Team „Einwanderungsgesellschaft“ der Robert Bosch Stiftung. „Der Gedanke ist, dass wirklich vor Ort innovative Ansätze entwickelt werden, die einerseits auch im Landkreis auch direkt umgesetzt werden. Andererseits sollen diese Ansätze aber auch als Konzept und in Form von Wissen in die anderen Landkreise transportiert werden.“
Wohnräume, Teilhabe und Befragungen
Im Zuge des Programms „Land.Zuhause.Zukunft.“ bearbeiten die teilnehmenden sechs Landkreise folgende Themen:
■ Landkreis Dachau: Wohnraum mobilisieren und Zugänge schaffen;
■ Landkreis Potsdam-Mittelmark: Integration durch Beteiligung von Zugewanderten (Befragungen);
■ Landkreis Lippe: Konzeptentwicklung für hybride Sprachkurse;
■ Landkreis Ravensburg: Partizipation von Migrantinnen und Migranten an der Stadtgesellschaft;
■ Landkreis Stendal: Verbesserung der migrantischen Teilhabe im Stadtviertel „Stadtsee“;
■ Landkreis Waldeck-Frankenberg: Gewinnung von Menschen mit Migrations- und Fluchtgeschichte für das Handwerk. dau
Handwerksberufe ausprobieren und Sprache lernen
Mörtel wird aufgebracht: Das Maurer-Handwerk ist eines von vielen, was im Lehrbauhof erlernt werden kann. Foto: dpa
„Die Sprachausbildung soll unter anderem im Lehrbauhof der Kreishandwerkerschaft stattfinden“, erklärt Erster Kreisbeigeordneter Karl-Friedrich Frese. In der Praxis könnte das so aussehen, dass zugewanderte, junge
Menschen morgens verschiedene Handwerksberufe in den Werkstätten des Lehrbauhofs ausprobieren und nachmittags einen Deutschkurs absolvieren.
„Wir können diese Angebote im Zuge des Programms ‚Land.Zuhause.Zukunft‘ niederschwellig realisieren“, so Frese. Nach Ostern würden dann vermehrt Praktika in den Handwerksbetrieben stattfinden, was neben dem Erlernen des Handwerks auch noch zur Sprachausbildung beitrage. „So wollen wir erst einmal anfangen, damit das Programm sichtbar wird im Landkreis.“ Anschließend werde mithilfe der wissenschaftlichen Begleitung entwickelt, wie Flüchtlinge und andere Migranten in eine Berufsausbildung oder in ein Beschäftigungsverhältnis gebracht werden könnten.
Dass es die Gesetzeslage mittlerweile leichter mache, Flüchtlinge und Asylbewerber in ein Arbeitsverhältnis zu bringen, darauf weist Elisa Benker hin. Sie arbeitet mit den Schwerpunkten Arbeitsmarkt und soziale Integration bei der Unternehmensberatung „Ramboll Management Consulting“ und begleitet das Programm in Waldeck-Frankenberg. Die 3-plus-2-Regelung, bei der nach erfolgreichem Abschluss der Berufsausbildung grundsätzlich ein Anspruch auf die Erteilung eines Aufenthaltstitels für die Dauer von zwei Jahren bestehe, habe für einen enormen Schub bei der Integration von zugewanderten Menschen in den Arbeitsmarkt gesorgt.
Dass gerade auch ländliche Regionen mit ihrer intakten Vereinsstruktur und einem ausgeprägten Gemeinschaftssinn prädestiniert dafür seien, Migranten auch außerhalb des Berufs gut zu integrieren, machte Lisa Veyhl von der Robert Bosch Stiftung deutlich. Das betonte auch Theresa Habich-Lerch, WIR-Koordinatorin des Kreises Waldeck-Frankenberg. „Es geht darum, vorhandene Ressourcen zu verknüpfen und so Menschen langfristig zu integrieren“, sagte sie. dau