2023 WLZ 20. 01. Stadtleben in der Nachkriegszeit

VON HANS-JOACHIM ADLER

Ein Bild aus dem Familienalbum der gebürtigen Düsseldorferin: Sachsenhäuser Schulkinder 1951 mit ihren Verwanden. Fotos: pr

Waldeck-Sachsenhausen – Die Sachsenhäuser feiern im Juni Jubiläum: Vor 777 Jahren hat ihnen Graf Adolf von Waldeck die Stadtrechte verliehen. Von der Nachkriegszeit zeugen Fotos in einem Familienalbum, das ich vor Jahren auf dem Flohmarkt in Korbach gekauft hatte.
Das Fotoalbum zeichnet den Lebenslauf einer Frau nach, die um 1920 in Düsseldorf geboren wurde. Sie hat es präzise geführt. Erste Bilder zeigen sie im Alter von vier Jahren. Die Familie muss gut situiert gewesen sein. Geburtstage und Namenstage wurden gefeiert, aber auch der Karneval, der bis heute die Hauptstadt prägt.
Weihnachten 1930 gab es eine selbstgebastelte Krippe. Die heranwachsende Frau präsentierte sich stets auf der Höhe der jeweiligen Mode. Fahrten führten zu Sehenswürdigkeiten am Rhein. Andere Fotos zeigen immer wieder Feierlichkeiten. 1936 verbrachte sie ihre Ferien in Marsberg.
Weitere auf 1936 datierte Bilder ohne Ortsangabe zeigen sie mit anderen in der Uniform des Bundes deutscher Mädel, kurz BdM, Es war die Jugendorganisation der Nationalsozialisten.
1938 hat der Karneval wieder Dominanz. Fotos zeigen sie auf einem Zirkuspferd, das in die Feiern eingebunden war. Viele Bilder sind in Postkartengröße und wurden auch mal verschickt. Ebenfalls 1938 besuchte sie Berlin, als Thema notierte sie dazu „Schaffendes Volk“. Sie besichtigte auch das 1936 fertiggestellte Olympiastadion.
Nach der Schule absolvierte sie eine Lehre, danach war sie in einem Stahlwerk beschäftigt. Dort muß sie den Mann kennengelernt haben, den sie später geheiratet hat. Fotos von Kameradschaftsabenden des Unternehmens füllen einen Teil des Albums, 1941 tauchen erste Fotos von ihrer Tochter auf.
1941 wohnte die Frau in Reinhardshausen. Dort wurden zahlreiche Bilder geschossen, die aber keine genaue Ortsbezeichnung zulassen. Nur ein Foto ist zurückzuverfolgen zu einem noch heute stehendem Gebäude. Spätestens ab 1943 wurden alle Bilder in Sachsenhausen aufgenommen. Die Frau wohnte in der Molkerei am Bahnhof, dem eine Gastwirtschaft mit der Bezeichnung „Gasthof Erholung“ angeschlossen war. Die Kamera war offenbar immer parat, so dass neben Porträtbildern auch Fotos von Feiern in Sachsenhausen entstanden. Dazu gehört ein Schulfest Anfang der 1950er Jahre. Etwa ab 1955 fuhr sie regelmäßig in Urlaub – etwa nach Borkum und nach Italien. Viele Fahrten führten auch in die Umgebung. Dann hatte sie offenbar nach einer Weiterbildung Arbeit in Kassel gefunden. Dorthin sind Mutter und Tochter wohl auch um 1955 gezogen.
Geblieben sind aber einige Fotos von Menschen in Sachsenhausen aus den 1950er Jahren. Zum Jubiläum „777 Jahre Stadtrechte“ dürften sie ein willkommenes Stück Zeitgeschichte darstellen.
Bei der Suche nach Zeitzeugen hat mich vor zehn Jahren Harald Köhler aus Alraft tatkräftig unterstützt . Ohne ihn hätte ich dieses Album nicht einordnen können. Er starb 2019. Seine Alrafter Dorfchronik ist kürzlich als Buch erschienen.