2023 WLZ 11. 12. 112 – SO ARBEITET DIE FEUERWEHR  Berufsfeuerwehr Kassel sucht nach geeigneten Azubis

Es qualmt und knallt auch mal im Unterricht VON ULRIKE PFLÜGER-SCHERB

112 – SO ARBEITET DIE FEUERWEHR  Berufsfeuerwehr Kassel sucht nach geeigneten Azubis Es qualmt und knallt auch mal im Unterricht

VON ULRIKE PFLÜGER-SCHERB

Mehr als eine Million Menschen engagiert sich in Deutschland ehrenamtlich in der Feuerwehr, 35 000 Mitarbeiter haben die Berufsfeuerwehren. Wir schauen mit den Brandschützern hinter die Kulissen. Zum Abschluss unserer Serie schauen wir in die Berufsfeuerwehr Kassel.

Sie müssen nicht nur körperlich sehr fit und handwerklich geschickt sein, sondern auch Teamgeist besitzen und über soziale Kompetenz verfügen. Die Ansprüche an die Frauen und Männer, die zur Berufsfeuerwehr wollen, sind hoch.

„Wir haben viel zu wenig geeignete Bewerber“, sagt Matthias Schacht, stellvertretender Ausbildungsleiter bei der Kasseler Berufsfeuerwehr. Dabei wird Nachwuchs dringend gesucht. Die Berufsfeuerwehr bildet aus zu Notfallsanitätern sowie im mittleren und im gehobenen feuerwehrtechnischen Dienst.

Hier folgt ein Überblick über die Voraussetzungen und die Ausbildung.

■  Notfallsanitäter

Notfallsanitäter (sie sitzen auf dem Beifahrersitz des Rettungswagens) beurteilen bei medizinischen Notfällen den Gesundheitszustand von kranken, verletzten oder hilfebedürftigen Personen. Sie entscheiden, ob ein Arzt gerufen werden muss. Sie sind auch dafür zuständig, die Einsatzfähigkeit ihrer Fahrzeuge wiederherzustellen, Rettungsmittel zu säubern und Transportnachweise, Einsatzberichte und Notfallprotokolle zu erstellen.

Voraussetzung: Realschulabschluss oder Hauptschulabschluss mit abgeschlossener Berufsausbildung.

Auswahlverfahren: schriftlicher Test, praktischer Test im Rettungsdienst und Gespräch.

Ausbildung: Der schulische Teil der dreijährigen Ausbildung findet in der Hildegard-Vötterle-Schule in Kassel statt, der praktische Einsatz erfolgt im Rettungsdienstbereich der Feuerwehr Kassel.

■  Mittlerer feuerwehrtechnischer Dienst

Das sind die Frauen und Männer, die ins Feuer gehen müssen, um Menschen zu retten oder Verletzte aus dem Auto schneiden. Sie sind die schlagkräftige Basis der Berufsfeuerwehr. Sie rücken mit den Einsatzfahrzeugen aus und leisten an den Einsatzstellen rasche und kompetente Hilfe. Sie werden nicht nur bei der Brandbekämpfung eingesetzt, sondern übernehmen Aufgaben bei technischer Hilfe, Umweltschutz und Rettungsdienst. Zudem werden sie als Einsatzbearbeiter in der Leitstelle der Feuerwehr eingesetzt.

Voraussetzung: Hauptschulabschluss, eine abgeschlossene Ausbildung in einem anerkannten Ausbildungsberuf (auch Rettungsassistent), alternativ gilt auch die Allgemeine Hochschulreife, technische Fachhochschulreife oder der technische Fachschul- beziehungsweise Fachoberschulabschluss; Höchstalter: 35 Jahre, Führerschein der Klasse B oder höher, uneingeschränkte gesundheitliche Eignung für den feuerwehrtechnischen Dienst.

Auswahlverfahren: schriftlicher Test, Sporttest (ähnlich wie bei der Polizei, die Bewerber müssen zum Beispiel schwimmen, tauchen, Parcours laufen, 30 Meter hoch auf die Drehleiter klettern). Zudem müssen sie einen Handwerkstest absolvieren. „Wir suchen Problemlöser. Mit zwei linken Händen wird das nichts“, sagt Schacht.

Hat man das alles gemeistert, gibt es ein Gespräch und eine amtsärztliche Untersuchung. Die Bewerber benötigen zum Beispiel 100 Prozent Sehkraft, sie dürfen keinerlei körperliche Einschränkungen haben. Wenn sie nachts um 3 Uhr raus müssen, zähle schließlich jede Minute, so Schacht.

Ausbildung: Die Ausbildung dauert eineinhalb Jahre. Bei der sechsmonatigen Grundausbildung auf der Feuerwache 2 in Kassel lernen die Azubis zum Beispiel, wie die Einsatzfahrzeuge funktionieren, wer welche Funktionen in dem Fahrzeug hat. Theoretischer Unterricht findet in den Fächern Mathematik, Deutsch, Biologie, Physik, Chemie, Staatsbürgerkunde und Beamtenrecht statt. Anschließend steht ein einjähriges Wachpraktikum auf der Feuerwache 1 und 2 an. Die Azubis werden in dieser Zeit mit zu Einsätzen genommen. Nach bestandener Prüfung trage die Frauen und Männer die Bezeichnung Brandmeister.

■   Gehobener Dienst

Wer Einsatzleiter bei der Feuerwehr werden will, muss eine Ausbildung im gehobenen Dienst machen. Auf die Frauen und Männer kommen umfangreiche organisatorische Aufgaben im Bereich der Technik, Gefahrenvorbeugung, Rettungsdienst- und Leitstellenorganisation, Personal- und Einsatzorganisation oder im Bevölkerungsschutz zu.

Voraussetzung: Abgeschlossenes Studium an einer Fachhochschule in einer für die Laufbahn geeigneten Fachrichtung (zum Beispiel Elektrotechnik, Maschinenbau oder Bauwesen), Höchstalter: 40 Jahre, Führerschein der Klasse B oder höher, uneingeschränkte gesundheitliche Eignung für den feuerwehrtechnischen Dienst.

Auswahlverfahren: wie im mittleren feuerwehrtechnischen Dienst.

Ausbildung: Die Ausbildung dauert zwei Jahre. Die fachtheoretische Ausbildung erfolgt bei der Feuerwehr und der Hessischen Landesfeuerwehrschule in Kassel. Die praktische Ausbildung erfolgt in Form von Praktika in den Wachabteilungen (teilweise im Schichtdienst) und durch Hospitationen in den Abteilungen und Servicebereichen. Es ist üblich, dass man in der Ausbildung auch bei Feuerwehren in anderen Städten hospitiert.

■   Der Arbeitsalltag

Natürlich brennt es nicht rund um die Uhr, Feuerwehrleute müssen nicht von Einsatz zu Einsatz eilen. Wenn keine Leben gerettet werden müssen, haben die Mitarbeiter der Feuerwehr einen geregelten Arbeitsalltag. Um 7.30 Uhr ist Dienstbeginn (24- Stunden-Dienst mit fünf Pausen). Zunächst werden alle Fahrzeuge geprüft, es folgt Gerätetraining und Kurzausbildung. Am Vormittag wird in den verschiedenen Werkstätten (Kfz-Werkstatt, Schlauchwerkstatt, Atemschutzwerkstatt, Messwerkstatt oder im Gerätelager) gearbeitet. Am Nachmittag stehen Ausbildung, Arbeit in der Werkstatt oder Dienstsport (die Leute müssen fit bleiben) auf dem Programm. Ein Sportangebot gibt es auch in den Abendstunden, wenn die Einsatzkräfte Bereitschaftszeit haben. Die dauert bis zum nächsten Morgen um 7.30 Uhr. Nach einem 24-Stunden-Dienst haben die Feuerwehrleute 48 Stunden frei. Dann steht ein neuer 24-Stunden-Dienst an.

■   Taucher und Höhenretter:

Bei der Feuerwehr Kassel können sich die Mitarbeiter im mittleren Dienst auch zu Tauchern und Höhenrettern spezialisieren.

Taucher: Sieben Wochen dauert die Ausbildung zum Feuerwehrtaucher. Sie startet mit einer ärztlichen Untersuchung und einer Druckkammerfahrt in Wiesbaden. Die Taucher absolvieren insgesamt 50 Tauchgänge in bis zu 30 Meter Tiefe. Neben theoretischen Grundlagen steht die Praxis im Vordergrund. Einsätze gibt es in der Fulda, in der Buga, aber auch in ganz Nordhessen, zum Beispiel im Edersee oder Twistesee. Da die Zahl der Nichtschwimmer steigt, nehmen auch die Einsätze der Taucher zu.

Höhenretter: Eine gemeinsame Höhenrettungsgruppe von Stadt und Landkreis Kassel soll ab Januar 2024 einsatzbereit sein. Derzeit laufen durch Lehrgänge und Übungen die Vorbereitungen für die Einsatzbereitschaft der Gruppe, die über die Leitstelle Kassel koordiniert werden soll. Die Höhenretter sollen zum Einsatz kommen, wenn zum Beispiel ein Kranführer das Führerhaus nicht mehr selbstständig verlassen kann oder bei Einstürzen.

Feuerwehr als Beruf

Berufsfeuerwehren gibt es in der Region lediglich in Kassel und Göttingen. Feuerwehr im Hauptberuf ist jedoch auch in Werkfeuerwehren möglich, beispielsweise am Kassel Airport in Calden oder bei B. Braun in Melsungen.  kmn