2023 WLZ 07. 11. Versunkene Ruinen am Edersee locken wieder Besucher an
Die Talsperre ist aktuell noch knapp zur Hälfte gefüllt und bei sinkendem Wasserstand taucht derzeit wieder das sogenannte Edersee-Atlantis aus den Fluten auf. In den regenreichen Wintermonaten muss das Wasserstraßen- und Schifffahrtsamt Weser bei der Bewirtschaftung des Edersees einen Teil des Füllvolumens für den Hochwasserschutz vorhalten. Die versunkenen Ruinen aufgegebener Dörfer locken regelmäßig im Herbst Tausende Besucher an, die auf Entdeckungstour gehen. 1913 wurden wegen des Baus der Sperrmauer am Edersee die drei Dörfer Asel, Berich und Bringhausen überflutet, die Bewohner wurden umgesiedelt. dpa/höh Foto: Cornelia Höhne ➔ SEITE 2
Alle Jahre wieder: Das „Edersee Atlantis“ taucht bei niedrigem Wasserstand aus den Fluten auf. Der ergiebige Niederschlag dieses Jahres bremste die Zeitreise auf dem Seegrund aus. Die Niederschläge können vorübergehend Teile der freien Bauwerke wieder verschwinden lassen. Fotos: Cornelia Höhne
Edersee-Atlantis zeigt sich im Herbst
Langsam tauchen die versunkenen Dörfer aus dem Wasser auf
VON CORNELIA HÖHNE
Edersee – Ungewöhnlich früh tauchte das Edersee-Atlantis in vergangenen Jahren aus dem größten hessischen Stausee auf. Bei extremer Trockenheit und kräftigem Wasserablass für die Weserschifffahrt hatte der Stausee schon im Hochsommer seine versunkenen Schätze freigegeben. Im verregneten Jahr 2023 ist dagegen bei der Spurensuche nach versunkenen Dörfern große Geduld gefragt.
Ausgebremst durch ergiebige Niederschläge finden Mauerreste, Gräber und Ruinen nur langsam den Weg ans Licht. Aktuell ist der See knapp zur Hälfte gefüllt und lässt ausreichend Platz für den vorgesehenen Hochwasserschutz.
Mit dem angestrebten Vollstau zum 1. Mai und einem Füllvolumen von 199,55 Millionen Kubikmetern startet die Edertalsperre alljährlich in die Saison. Niederschläge und der Ablass des Wasserstraßen- und Schifffahrtsamts für die Fulda und Weser sind die entscheidenden Faktoren für den von Beginn an, seit bald 110 Jahren, stark schwankenden Pegelstand im Edersee.
Sobald die Hopfenberge aus dem zuvor vollen Stausee plötzlich als kleine Inseln auftauchen, die Wege von den Bootsstegen zum Ufer steiler werden, ist das Atlantis nicht mehr fern. Die Aseler Brücke – bei Vollstau zehn Meter unterhalb des Wasserspiegels gelegen – ist das erste markante Bauwerk, das bei fallendem Pegel auftaucht. Seit Anfang Oktober kann die Brücke trockenen Fußes überquert werden. Sie ist auch das am besten erhaltene Bauwerk aus alten Zeiten. Weitere Relikte aus den früheren Dörfern Asel, Berich und Bringhausen, die beim Bau der Talsperre 1914 überflutet wurden, lassen indes auf sich warten. Gerade erst sind Grundmauern von Berich aufgetaucht. Seewasser plätschert bis zum Kopfsteinpflaster früherer Dorfstraßen.
Nach Monaten unter Wasser kommen nach und nach Viehtröge und Mauersteine von Häusern und Gehöften wieder zum Vorschein. Mit Fantasie und der Atlantis-App auf dem Smartphone wird an der alten Dorfstelle ein Stück Heimatgeschichte lebendig, etwa an den Steinhaufen der einst stattlichen Dorfkirche.
Ein paar hundert Meter von der Dorfstelle Berich entfernt liegt am steil abfallenden Ufer der alte Friedhof. Direkt neben einem Bootssteg hat der See erste Grabstellen freigegeben, der Rest des Gräberfelds in der Waldecker Bucht schimmert unter der Wasseroberfläche. Bei Nässe und schwankendem Wasserstand nagt nach über einem Jahrhundert an den mit Beton eingefassten Grabstellen der Zahn der Zeit. Auf der gegenüberliegenden Seeseite ist das etwas höher gelegene Gräberfeld von Alt-Bringhausen trockenen Fußes zu erreichen – malerisch gelegen vor der Liebesinsel in der Bringhäuser Bucht.
Weitere Überreste aus der Zeit vor dem Bau der Talsperre wie die Bericher Hütte, in der einst Eisenerz verarbeitet wurde, Pfeiler der alten Ederbrücke zwischen der Halbinsel Scheid und Alt-Bringhausen oder das Sperrmauermodell liegen noch tief unter dem Wasserspiegel.
Info: Wann Bauwerke auftauchen, erfährt man tagesaktuell unter wasserstand.edersee.me
Reste alter Dörfer
Von 1908 bis 1914 wurde die Edertalsperre gebaut, um die Wasserversorgung der Weser und des Mittellandkanals in den Sommermonaten zu gewährleisten. Die Dörfer Asel, Berich und Bringhausen sowie drei weitere Gehöfte mussten dafür weichen, 900 Menschen mussten ihre Heimat verlassen. Die Reste der vor über 100 Jahren überfluteten Dörfer können bei niedrigem Wasserstand des Edersees auf dem Seegrund besichtigt werden. Es wird Edersee-Atlantis genannt.
Bis heute dient die Sperrmauer auch der Stromerzeugung und dem Hochwasserschutz. Dafür wird alljährlich in den regenreichen Wintermonaten ab 1. November ein Teil der Talsperre freigehalten. Große Bedeutung hat der nordhessische Stausee für den Tourismus erlangt, gerade erst wurde der Edersee auf Platz drei der beliebtesten Seen in Deutschland gewählt. höh