2023 WLZ 16. 06. Graf Adolf I. verleiht 1246 die Stadtrechte

Sachsenhäusern steht ein großes Festwochenende bevor – Rückblick auf die Anfänge

VON DR. KARL SCHILLING

Blick auf Sachsenhausen in den 1950er-Jahren. Gut zu sehen sind die mittelalterlichen Straßenzüge mit dem großen Marktplatz im Zentrum: Graf Adolf I. hatte Sachsenhausen als befestigte Handelsstadt planen lassen. Fotos: Archiv

Mit einem Festwochenende feiern die Sachsenhäuser vom 23. bis 26. Juni, dass sie vor 777 Jahren die Stadtrechte verliehen bekommen haben. Eigentlich sollte es bereits 2021 ein Jubiläumsfest geben – die Corona-Pandemie machte den Organisatoren einen Strich durch die Rechnung.
Die Anfänge Sachsenhausens liegen im Dunkeln, wann die Siedlung entstanden ist, könnten nur archäologische Untersuchungen klären. Der Namensbestandteil „Sachsen“ verweist auf den germanischen Stamm, der sich in der Spätantike im Zuge der Völkerwanderungen im heutigen Norddeutschland gebildet hatte und sich im Frühmittelalter bis zur Eder ausgebreitet hatte. Dort traf er auf die Franken.
Erst 1226 wird „Sassenhusen“ erstmals in einer Urkunde erwähnt, also im Hochmittelalter. 1246 erhielt das Dorf die Stadtrechte – so heißt es im Buch, das der Magistrat der Stadt Waldeck vor 27 Jahren zur Sachsenhäuser Geschichte herausgegeben hat.
Das Hochmittelalter war eine Blütezeit der Stadtgründungen. Damit einher gingen Machtverschiebungen: Aus verstreutem Besitz und Vorrechten entwickelten Adelige allmählich geschlossene Landesherrschaften mit staatlichen Strukturen. Zugleich sank die Macht des deutschen Königs und römischen Kaisers, der aus politischen Gründen immer mehr Vorrechte der Krone – vom Münzregal bis zum Bergrecht – an Adelsfamilien abgab.
Zur Absicherung ihres Gebietes gründeten die neuen Landesherrscher Städte. Sie sollten mit ihren Handwerkern, Händlern und Märkten die Wirtschaft des Landes beleben und dienten zugleich dem militärischen Schutz.
In Waldeck kommt es von der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts bis zum Ende des 13. Jahrhunderts zu zahlreichen Städtegründungen. Das günstig am Kreuzungspunkt zweier wichtiger Handelsstraße gelegene Korbach erhält 1188 die Stadtrechte. Die übrigen Städte Waldecks rechnet Karl Engelhard zu einer jüngeren Phase.
Rhoden, Landau, Waldeck und Fürstenberg sieht er als typische Festungsstädte auf Bergen, Mengeringhausen eher als eine Handels- und Gewerbestadt. Freienhagen, Sachsenhausen, Nieder-Wildungen und Sachsenberg vereinigten Verteidigungsbereitschaft und Handelskraft.
Allerdings blieben die meisten Städte so klein, dass sie weiter landwirtschaftlich geprägt waren: Dort lebten meist Ackerbürger. Dennoch entwickelten die Stadtbürger Stolz und Selbstbewusstsein, sie trotzten zum Teil selbst dem Landesherren.
Sachsenhausen entstand an der Handelsstraße von Köln nach Leipzig auf einem Geländesporn zwischen zwei Ausläufern des Klingebaches. Die Stadt erhielt Marktrechte und eine eigene Gerichtsbarkeit. Die Stadtkirche „Sankt Nikolaus“ wurde 1292 bis 1296 im gotischen Stil errichtet. Es gab zudem eine Stadtmauer mit Gräben und Türmen – die 1856 zum Abbruch verkauft wurde und fast vollständig verschwand.
Die Verleihung der Stadtrechte ist verbunden mit der langen Regentschaft von Adolf I. Er ist ein Spross der Grafen von Schwalenberg, die sich allmählich im heutigen Waldeck festsetzten. Sie sammelten Grundbesitz, Rechte an Steuereinnahmen, das Recht zu richten und erlangten als Vögte Macht: Vögte waren die rechtlichen Vertreter von Klöstern, die durch Schenkungen bereits über viel Grundbesitz verfügten. 1180 brachte Volkwin II. durch eine Heirat die Burg Waldeck in seinen Besitz.
Der äußerst umsichtige Adolf regierte zunächst mit seinem älteren Bruder Volkwin IV. Gemeinsam stifteten sie 1228 als ihr Hauskloster „Marienthal“ in Netze.
1228 kam es zu einer Erbteilung: Volkwin übernahm die Schwalenberger Stammlande, Adolf die Neuerwerbungen im Süden – er bezeichnete sich seitdem als Graf von Waldeck. In seiner langen Regentschaft von 1228 bis 1270 legte Adolf den Grundstein für den Staat, der letztlich bis 1929 bestand.
Der kleinen Grafschaft erwuchsen mächtige Gegner. Die Erzbischöfe von Köln regierten als Herzöge auch über Westfalen und behinderten Waldecks Wachstum über das Upland hinaus sowie im Diemeltal. Im Norden bremste auch das zeitweise verfeindete Hochstift Paderborn den Waldecker aus. Der Osten war Teil der bedeutenden Landgrafschaft Thüringen, aus der sich 1292 die Landgrafschaft Hessen abspalten sollte. Der Süden stand unter der Kontrolle des verbündeten Erzbistums Mainz, das sich die Grafschaft Battenberg einverleibt hatte.
Adolf mischte auch in der Reichspolitik mit. Er war ein Gegner des hoch gebildeten Staufer-Kaisers Friedrich II., der lieber in Sizilien residierte und dem die Macht nördlich der Alpen zunehmend entglitt. 1250 starb er. 1254 starb auch sein Sohn Konrad IV., die Ära der Staufer war vorbei. Der Thüringer Landgraf Heinrich Raspe IV. ließ sich schon 1246 zum Gegenkönig wählen, nach seinem Tod folgte 1248 Graf Wilhelm von Holland. Doch sie konnten sich nicht durchsetzen, das Reich steckte über Jahrzehnte in der Krise.
Adolf unterstützte Heinrich Raspe und nach dessen Tod Heinrich I. von Hessen – als Dank bekam er 1263 durch Vertrag mit dem Landgrafen die alte Grafschaft Wildungen übertragen.
Systematisch ging Adolf daran, seine Grafschaft abzusichern. Vor 1232 befestigte er seine Stadtgründung Waldeck, 1236 entstand die Burg und 1244 die Stadt Rhoden, vor 1240 gründete er die Stadt Bifangen bei Landau, 1246 folgte Sachsenhausen – Gerhard Menk nennt das Jahr 1260 – da bezeichnet Adolf Sachsenhausen als „opidum nostrum“, also als „unsere Stadt“. 1253 wurde auch Freienhagen eine Stadt. Vor 1249 begann er mit dem Ausbau der Burg auf dem Eisenberg.
Adolf sicherte sich 1254 endgültig die Stadt Korbach, das Weser-Kloster Corvey verpfändete ihm die Burg Lichtenfels und die Städte Sachsenberg und Fürstenberg.
Aber er musste auch Rückschläge hinnehmen: Die Hessen zerstörten 1231/32 Adolfs Stadtgründung Landsberg an der Grenze zu Wolfhagen, Bifingen diente als Ersatz, ging aber ein: Vermutlich siedelten die Einwohnern um 1290 in die neue Stadt Landau um. Auch die Vogtei über das Flechtdorfer Kloster musste der Graf aufgeben. Dennoch waren schon am Ende seiner Amtszeit die heutigen Umrisse Waldecks auszumachen.
Sachsenhausen war der waldeckische Eckpfeiler an der Westgrenze. In der Umgebung gibt es eine Reihe von Wüstungen, also aufgegebene Dörfer. Ob die Einwohner in die neue Stadt „Sassenhusen“ gezogen sind, ist noch nicht erforscht. Clingen hat jedenfalls noch bis in die Neuzeit hinein bestanden, von der Steinkirche sind noch Mauerreste zu sehen.
Schon 1261 hatte die Stadt einen „Pleban“, also Priester. 1326 wird ein „pastor Ecclesie in Sassenhusen“ erwähnt, einen Pfarrer der Kirche. 1332 wird ein Dietrich als erster Rektor der Stadtschule genannt, als „Rector scolarum“. 1410 wurde aus Holz ein neues Rathaus gebaut – 1574 das nächste. Erst 1817 entstand das heutige Rathaus.
1472 stiftete Johann Röttgers ein Hospital, das bis 1955 bestand. Schon 1533 hielt die Reformation Einzug: Sachsenhausen war evangelisch. 1556 gab es 161 Haushalte und 713 Einwohner. 1592 wird die städtische Brauerei erwähnt.
Hart traf die Stadt der Dreißigjährige Krieg 1618 bis 1648, es kam zu Plünderungen und Besetzungen, der Magistrat musste hohe Kontributionen zahlen. Außerdem wütete erneut die Pest, der wohl mehr als 600 Einwohner zum Opfer fielen. In der Notzeit kam es zudem zu „Hexenverfolgungen“, zwölf Frauen wurden ermordet.
1650 standen in Sachsenhausen nur noch 81 Häuser. Nur langsam ging es bergauf: 1738 waren es 139 Häuser, 1770 dann 143 Häuser und 806 Einwohner. Der Siebenjährige Krieg mit der „Schlacht bei Korbach“ 1760 folgte – wieder kam es zu Einquartierungen, Zwangsabgaben und Verwüstungen.
Im 19. Jahrhundert verlor Sachsenhausen sein Stadtgericht, dafür wurde es 1816 bis 1850 Sitz des Oberjustizamtes Werbe. Das 20. Jahrhundert brachte Neuerungen: 1912 wurde die Bahnlinie eröffnet, 1914 wird die Wasserleitung und der Stromanschluss gebaut. Die Nationalsozialisten zerschlugen nach 1933 die jüdische Gemeinde.
Seit der Gebietsreform 1971 ist Sachsenhausen Teil der Stadt Waldeck und der Verwaltungssitz.

Literatur:

Karl Engelhard, Entwicklung der Kulturlandschaft, in: Bernhard Martin und Robert Wetekam (Herausgeber), Waldeckische Landeskunde, Arolsen 1971.
Gerhard Menk, Waldecks Beitrag für das heutige Hessen, Wiesbaden 1995.
Sachsenhausen. 750 Jahre Stadtrechte. Herausgegeben vom Magistrat der Stadt Waldeck, Sachsenhausen 1995.