2022 WLZ 11. 08. „Falken-Kino“ an der Fensterbank

Kinderstube der Greifvögel in Freienhagen – Emsige Futtersuche

VON CONNY HÖHNE

Waldeck-FreienhagenEin Turmfalkenpaar hat an einem Wohnhaus neben der Fensterbank gebrütet und sechs Junge groß gezogen. Der tägliche Blick direkt in die Kinderstube der Untermieter fasziniert Petra Flecke und ihre Nachbarn. Täglich schauen sie erwartungsvoll, wie die Vogelfamilie wächst und sich entwickelt. „Es ist wie Kino“, sagt die 58-jährige Freienhagenerin.

Insgeheim hat sie schon lange auf die gefiederten Gäste gehofft. Schon 2020 befestigt die Schreinerin vorsorglich einen Kasten unter dem Hausgiebel, weil Turmfalken auf dem Balkon sitzen und offenbar nach einem Nistplatz Ausschau halten. Doch die angebotene „Wohnung“ bleibt verwaist. Ein Jahr später kommt erneut ein Paar, doch auch diesmal tut sich nichts. In 2022 soll es endlich klappen. Das Falkenpaar ist zurück, und eilig verschwindet das Weibchen im Nistkasten – die Wohnungssuche ist erfolgreich. Am 6. Mai späht die Hausbewohnerin aus dem Fenster und entdeckt ein Gelege mit vier Eiern.

„Anfangs hat das Weibchen oft die Eier verlassen, wenn ich am Haus entlang ging.“ Das ändert sich rasch. Weder der Rasenmäher noch die Nachbarn auf dem Balkon stören die Falkenmutter. Am 5. Juni entdeckt Flecke vier weiße „Wollknäuel“ im Nest. Die Eltern sind emsig auf Futtersuche für die Kleinen. „Das Paar hat unzählige Mäuse gebracht“, beobachtet Flecke. Am 2. Juli sitzen sechs Jungtiere im Nest, alle schon mit braunem Gefieder. Tage später beginnt das erste Junge mit Flugübungen auf der Fensterbank. Unsichere Flugmanöver enden auf Nachbardächern. Jeden Abend kehren alle Jungen wieder zurück ans Haus.

Inzwischen sind sie flügge, der Abschied naht. „Unseren Nachbarn und mir hat die Aufzucht sehr viel Freude bereitet, wir haben zig Fotos geschossen und viele Videos gedreht“, sagt Flecke. „Es war eine schöne Erfahrung, diese Tiere so nah zu beobachten zu dürfen – hoffentlich kommen sie nächstes Jahr wieder.“

Im Rüttelflug auf Mäusejagd

Turmfalken, die an Häusern brüten, sind gar nicht so selten, sagt der Giflitzer Ornithologe Wolfgang Lübcke. „Ich kenne Beispiele aus Affoldern und Kleinern.“ Turmfalken bauen keine eigenen Nester. Sie brüten zum Beispiel in verlassenen Krähen- oder Elsternnestern. „Bei den Krähennestern gibt es immer mal auch Vorkommen in Hochspannungsmasten.“

Nistplätze finden sich auch in Felswänden, und an hohen Gebäuden, vor allem Kirchtürmen, wie in der Wildunger Stadtkirche. Der Turmfalke bezieht gern Nisthilfen – in Edertal beispielsweise im Giebel eines Stalles in Mehlen und an einem hohen Industrieschornstein in Giflitz, in Bad Wildungen in einem Nistkasten am Roten Hahn.

In Waldeck-Frankenberg brüten drei Falkenarten: Turmfalke, Baumfalke und Wanderfalke (2022 nur zwei erfolgreiche Bruten). „Der Turmfalke ist mit Abstand die häufigste Falkenart und inzwischen auch die häufigste Greifvogelart“, erläutert Lübcke. Der Bestand schwankt deutlich in Abhängigkeit vom Nahrungsangebot. Haupt-Nahrung sind Feldmäuse. „Oft kann man Turmfalken im charakteristischen Rüttelflug über den Feldern beobachten, die sich dann auf Mäuse herabstürzen.“ Im Winter sind die Falken oft an Straßen zur Nahrungssuche zu beobachten.

Die heimischen Turmfalken sind laut Lübcke meist Standvögel, ziehen aber im September/Oktober zum Teil in südliche Gebiete, während Vögel aus nördlichen oder östlichen Populationen oft bei uns überwintern.  höh