2022 WLZ 07. 12. 350 000 Seiten voller Geschichte
Digitalisierung der Zeitungen im Korbacher Stadtarchiv wird gefördert
Korbach – Die Bundesregierung hat sich die Digitalisierung auf die Fahnen geschrieben. Davon profitiert auch das Korbacher Stadtarchiv: Im Förderprogramm „WissensWandel. Digitalprogramm für Bibliotheken und Archive“ hat ihm der Bibliotheksverband 75 500 Euro für die Digitalisierung historischer Zeitungen gewährt. Das Programm ist Teil des Rettungs- und Zukunftsprogramms „Neustart Kultur“ der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien und soll Folgen der Pandemie mildern.
„Damit können die wichtigsten historischen Zeitungsbestände digitalisiert werden“, freut sich Stadtarchivar Wolfgang Kluß. Der Auftrag sei an ein Unternehmen in Bielefeld erteilt worden, umfasse 297 Zeitungsbände mit insgesamt 350 000 Seiten und soll Anfang 2023 abgearbeitet sein. Das sei auch dringend nötig: Denn die Zeitungen seien infolge der früher nicht immer guten Papier- und Druckqualität und der häufigen Nutzung teils schon so marode, dass einzelne Bände für den Gebrauch gesperrt werden mussten.
Das Stadtarchiv verfügt über eine fast vollständige Sammlung der meisten in Waldeck erschienenen Zeitungen vom Waldeckischen Intelligenzblatt (1769 bis 1810) und der Beylage zum Fürstlich-Wald. Regierungsblatt (1810 bis 1918) bis zur 1887 als Corbacher Zeitung begründeten Waldeckischen Landeszeitung.
„Viele Archive beneiden uns um diesen historischen Schatz“, betont Kluß. Zeitungen seien eine der wichtigsten historischen Quellen, da sie einen authentischen Blick in das Leben in vergangenen Jahrhunderten erlauben. Viele Ereignisse in der Region blieben ohne Heimatzeitungen unbekannt:
Ob es um die Lage der unehelichen Mütter um 1800 geht, die „zu einem Jahr „Zuchthaus nach Waldeck verurtheilt“ wurden, wenn sie „heimlich und ohne Beihülfe“ ein Kind geboren hatten, wie es das Waldeckische Intelligenzblatt 1797 über Clara Catharina Bangert aus Hesperinghausen berichtet. Oder um technische Entwicklungen wie die ersten in Korbach gezeigten Kinofilme beziehungsweise „lebenden Fotos“, erste Telefonanschlüsse und Bahnstrecken.
Ebenso berichteten die Zeitungen über die regionalen politischen Entwicklungen, etwa die des Nationalsozialismus in Waldeck bis zum bitteren Ende. So wird noch in der letzten Ausgabe der Waldeckischen Landeszeitung or Einmarsch der amerikanischen Streitkräfte in Korbach am 27. März 1945 darüber informiert, wie der Leser mit Panzerfäusten gegen die anrückenden Panzer vorgehen könne.
„Die historischen Zeitungen sind mit Abstand die am häufigsten genutzten historischen Quellen“, erklärt Kluß – dabei sei das Recherchieren in den dicken Bänden für Heimatforscher, Schüler, Doktoranden und andere sehr mühselig. Die Arbeit werde wesentlich leichter. Denn es sei vorgesehen, die Zeitungen mit OCR-Volltexterkennung zu digitalisieren. EDV-technische Funktionen wie Suche, bessere Lesbarkeit durch Lupen- oder Bearbeitungsfunkton, einfache Versendung der Dateien oder Einfügen in wissenschaftliche Texte seien große Fortschritte. red
Historische Akten als nächster Schritt
Das Konzept des Stadtarchivs sieht als nächsten Schritt die Digitalisierung der bis ins 15. Jahrhundert zurückreichenden Akten der Stadt Korbach vor. Dabei geht es um mehr als 120 000 Schriftstücke, die einen Einblick in das Leben der Korbacher in der Zeit vor Zeitungen Auskunft geben. Dokumentiert sind etwa der Umgang mit Bettlern, Armen und Kranken, das Leben im Hospital oder im Leprosenhaus, die Arbeit der Bürgermeister, Pfennigmeister, Pfarrer, Apotheker, Ärzte und auch Ereignisse wie Straftaten oder Hexenprozesse. Wolfgang Kluß sieht nach Gesprächen mit dem Hessischen Staatsarchiv Gesprächen gute Chancen, nächstes Jahr im Rahmen der Bundessicherungsverfilmung berücksichtigt zu werden.
Mittelfristig sollen alle Dateien online stehen, sodass auch von zuhause darauf zugegriffen werden kann. Aber es gebe noch viel zu tun, so Kluß. Es müssten Protokolle der städtischen Gremien ab 1853, alte Amts- und Rechnungsbücher ab 1400, neuere Akten ab 1920, historische Einwohnerlisten und Meldekarteien und andere Archivalien digitalisiert werden. red