VIII 2021 WLZ 29. 03. Starfighter-Absturz jährt sich heute

 

Vor 60 Jahren: Unglück erschüttert Korbach – Elfjähriger macht Fotos

Von Lutz Benseler

Korbach – Heute vor 60 Jahren ist es bei Korbach zum ersten Absturz eines „Starfighter“ gekommen – der Beginn ei­ner dramatischen Absturzse­rie, die sich über Jahre hin- zog. Als damals Elfjähriger hat der gebürtige Korbacher Horst „Cliff ‘ Rüssel Fotos von dem Unglück gemacht – oh­ne zu wissen, dass er ein Stück Zeitgeschichte doku­mentierte.
Ein lauter Knall erschütter­te am Vormittag des 29. März 1961 die Stadt: Ein „Star­fighter“ schlug an der Bahn­strecke Korbach-Bemdorf na­he der Flechtdorfer Straße auf und zerschellte in Tau­sende Teile. Die zweisitzige Ausbildungsmaschine vom Typ Lockheed F-104F „Star­fighter“ war zuvor zu einem Übungsflug auf dem Flieger­horst Nörvenich im Kreis Dü­ren in Nordrhein-Westfalen gestartet Kurz nach 10 Uhr fielen im Luftraum über Kor­bach bei hoher Geschwindig­keit in 12 000 Metern Höhe aufgrund einer Fehlfunktion des Kraftstoffreglers die Triebwerke aus. Dem Piloten, Hauptmann Hans-Ulrich Fla- de und seinem Flugschüler Oberleutnant Wolfgang Streckert gelang es nicht, die Tur­bine erneut in Gang zu set­zen. Bei etwa 2000 Metern Höhe verließ Streckert auf Befehl Flades das abstürzen­de Hugzeug mit dem Schleu­dersitz.
Der Luftwaffen-Hauptmann, der wenige Sekunden später die Stadt Korbach un­ter sich erblickte, trimmte die Maschine über das Seiten­ruder noch einmal Richtung Stadtrand, bevor er selbst den Schleudersitz betätigte. Haar­scharf entkam Korbach einer Katastrophe.
Cliff Rüssel wohnte damals in der Skagerrakstraße. Auf­geschreckt durch den Knall machte er sich auf den Weg in die Flechtdorfer Straße: „Mit dem Fahrrad war ich ruckzuck dort“, erinnert er sich. Im Gepäck hatte er sei­ne Spiegelreflexkamera, eine Voigtländer Bessamatic. Der Elfjährige hatte sie erst drei Monate zuvor zu Weihnachten bekommen. „Die Kamera habe ich heute noch und sie ist voll funktionsfähig“, sagt er.
Rüssel machte Fotos von den verstreuten Trümmertei­len, von dem Krater am Bahn­damm und von den Schaulus­tigen am Straßenrand. Und die Fotos des Elfjährigen wur­den schließlich abgedruckt: „Das waren dLie ersten Fotos, die ich für die Zeitung ge­macht habe“, erinnert sich Rüssel. Start einer langen Zeitungskarriere: Bis heute ver­sorgt er die Waldeckische Landeszeitung immer wieder mit Fotos aus dem Gesche­hen der Region.
Auftakt einer Absturzserie
Was Rüssel damals noch nicht ahnen konnte: Der Un­fall bei Korbach wird zum Startpunkt einer über viele Jahre anhaltenden dramatischen Absturzserie des „Star­fighters“. Die Bundesluftwaf­fe verliert bis zur Außer­dienststellung der letzten Exemplare dieses Typs am 23. Oktober 1987 insgesamt 269 Maschinen bei Flugunfällen, weitere 31 gehen am Boden zu Bruch. Zwischen Januar 1962 und Dezember 1984 ver­lieren 108 Piloten der Bun­deswehr und acht amerikani­sche Flugzeugführer – auf deutschen Maschinen durch Unfälle mit dem bereits in den 1960er-Jahren sarkastisch „Witwenmacher“ getauften Flugzeug ihr Leben. Die Beschaffung von mehr als 900 Maschinen des Waffensystems. „F-104 Starfighter“ wird nachträglich nicht nur aufgrund gravierender tech­nischer Mängel des Flug­zeugs, sondern auch wegen des Vorwurfs der Bestechung: gegenüber dem Bundesmi­nister für Verteidigung, Franz Josef Strauß zum skandalträchtigen Politikum.

Cliff Rüssel fotografierte den Absturz