Gedenken an Pogrom-Opfer

Veranstaltung am 86. Jahrestag in der Synagoge Vöhl

Mit viel Einfühlungsvermögen und dem Lied „Meine Seele ist still in Dir“ griff das Ensemble „Da Capo“ aus Frankenberg am Ende des Vortrags die Stimmung auf und führte hin zu den 70 Kerzen, die mit der Namensnennung der Opfer entzündet wurden. Fotos: Barbara Liese

Vöhl Jedes Jahr am 9. November wird in der Vöhler Synagoge an die Opfer der Pogromnacht von 1938 gedacht. Die Gäste und Besucher erinnern an mehr als 70 Männer, Frauen und Kinder, darunter an 45 Personen, die lange Zeit in Vöhl, Marienhagen und Basdorf wohnten.

Pfarrer Harald Wahl gestaltete zu Beginn der Feier ein Friedensgebet in der Martins-kirche. Das Volk Israel, so erklärt es das 2. Buch Mose, Exodus, Kap. 19, sei das Volk Gottes, sein Volk, dem er sein Land, das Heilige Land, gibt. Wie ein Ölbaum, der mit seinen Wurzeln, die Zweige leben lässt und einer dieser Zweige sei das junge Christentum.

Zur Gedenkfeier in der alten Synagoge begrüßte Philipp Wecker, zweiter Vorsitzender des Förderkreises, Prof. Dietfrid Krause-Vilmar. Er hielt unter dem Titel „In Kassel flog der erste Stein – Die Novemberpogrome begannen in Nordhessen“ die Gedenkrede.

„Die Pogrome, haben schon zwei Tage vorher in Kassel begonnen“, erklärte Krause-Vilmar den Zuhörern. „Am 7. November schoss der polnische Jude Herschel Grynspan in Paris auf den deutschen Diplomaten Ernst Eduard vom Rath und setzte damit als Reaktion deutscher Nationalsozialisten eine brutale Bewegung in Gang, die in ebenso unerwarteter Geschwindigkeit zwei Tage später zum November-Pogrom führte. In Kassel hatten sich schnell verschiedene Gruppen gesammelt, um gegen die jüdische Bevölkerung zu demonstrieren. Unter den Augen vieler Zuschauer begannen sie mit den schlimmsten Ausschreitungen, die die Stadt je gesehen hatte. Sie zerstörten ein Café, Verwaltungsgebäude, Geschäfte und versuchten, die Synagoge in Brand zu setzen. Felsberg, Guxhagen, Hoof und weitere nordhessische Gemeinden folgten einen Tag später.“

Es sei also, so führte der Redner aus, kein Befehl von oben gewesen, nicht die Regierungsspitze oder NSDAP hätten die entsprechenden Weisungen gegeben. Die Pogrome seien das Ergebnis lokalen Terrors in einzelnen Gemeinden und Städte gewesen. Sie kamen aus allen Teilen der Gesellschaft, die das Regime mehrheitlich mittrugen, so Krause-Vilmar.

Mit viel Einfühlungsvermögen und dem Lied ‚Meine Seele ist still in Dir, griff das Gesangs-Ensemble „Da Capo“ aus Frankenberg am Ende des Vortrags die Stimmung auf, und führte hin zu den 70 Kerzen, die mit der Namensnennung der Opfer entzündet wurden.

Holger Wagemann von der liberalen jüdischen Gemeinde Felsberg sang dann das „El male rachamim“, ein Totengebet unter anderem für die Opfer von Krieg und Terror, in aramäischer Sprache. Im Wechsel mit Pfarrer Günter Maier, der den deutschen Part übernahm, sprach er das Kaddisch, die Lobpreisung Gottes.

Den musikalischen Abschluss setzten noch einmal „Da Capo“ mit „Bleib mir nah, Herr“ und Pfarrer Maier mit dem aaronitischen Segen. BARBARA LIESE

2024 WLZ 12. 11.