2024 WLZ 29. 10. Glückwünsche nach der Wahl in Waldeck
Waldeck – Nicolas Havel feierte seinen klaren Sieg bei der Bürgermeisterwahl in Waldeck mit einer rauschenden Wahlparty in Sachsenhausen. Zahlreiche Gratulanten übermittelten dem 33-Jährigen noch am Wahlabend ihre Glückwünsche. Er war mit 76,51 Prozent zum neuen Bürgermeister gewählt worden.
Schon am Montag hängte der in Freienhagen aufgewachsene Bauingenieur seine ersten Wahlplakate wieder ab, „damit wieder Ruhe einkehren kann“. Havel blickt zuversichtlich auf einen nahtlosen Übergang zum Amtsantritt am 1. April 2025. Der unterlegene Amtsinhaber Jürgen Vollbracht habe „Gespräche in aller Ruhe“ angeboten.
HÖH
„Ausdrücklicher Wunsch der Wähler“
Bürgermeisterwahl in Waldeck: Stimmen und Analysen nach dem Urnengang
Gebannter Blick auf die Übertragungstafel: Während das Publikum gebannt auf die Wahlergebnisse schaut, gibt Stadtrat Philipp Hankel (vorn links) die Hochrechnung in die CDU-Kreiszentrale weiter. © Foto: Matthias Schuldt
Waldeck – Im gut gefüllten Saal im Gasthaus Kleppe feierte der neu gewählte Bürgermeister Nicolas Havel am Sonntagabend eine Wahlparty. „Es war eine überwältigende Stimmung unter sehr vielen Leuten, die bewegt gewesen sind und die dies nicht nur als meinen Erfolg, sondern auch als Erfolg für die Stadt Waldeck sehen“, sagte er nach seinem Sieg mit 76,51 Prozent.
Schon am Montag hängte er am Rathaus seine ersten Wahlplakate ab, „damit schnell Ruhe einkehren kann und sich alle wieder auf ihre Arbeit besinnen können“. Er freue sich auf einen reibungslosen Übergang. Amtsinhaber Jürgen Vollbracht (CDU) habe Gespräche angeboten. „Wir werden einen guten Weg finden für einen gemeinsamen Austausch.“
Etliche Gratulanten übermittelten am Wahlabend ihre Glückwünsche. Erster Stadtrat Bruno Arlt versuchte gar nicht, seine Überraschung über das deutliche Ergebnis zu verbergen. „Ich dachte, in Waldeck wird es 50/50, doch der Stapel von Nicolas Havel wuchs und wuchs“, berichtete er. Stadtverordnetenvorsteherin Anni Maria Berthold bescheinigte beiden einen fairen Wahlkampf und gratulierte Havel: „Der Generationswechsel ist ausdrücklicher Wunsch der Wähler.“
SPD-Fraktionschef Latif Hamamiyeh Al-Hommsi sprach Havel Glückwünsche im Namen von Grünen, Freien Wählern, FDP und Sozialdemokraten aus, die alle den Herausforderer unterstützt haben: „Die Wähler haben ein klares Zeichen gesetzt. Sie wollten Veränderung.“ Beiden Bewerbern zollte Al-Hommsi Respekt dafür, dass sie sich um ein Amt bemühen, das „heute schnell ins Kreuzfeuer der großen Politik gerät.“
Philipp Hankel als Ortsverbandsvorsitzender und Michael Keller als Fraktionsvorsitzender der CDU räumten die klare Niederlage der Union ein. „Der Bürger wollte es so“, sagte Keller. Dem neuen Bürgermeister bot er Zusammenarbeit an. „Auch die CDU-Fraktion wird dich unterstützen, aber dich auch an deinen Wahlaussagen messen.“ Dem unterlegenen Amtsinhaber Jürgen Vollbracht sprachen beide ihren Dank aus.
Bad Wildungens Bürgermeister Ralf Gutheil und sein Vöhler Amtskollege Karsten Kalhöfer gratulierten dem Wahlsieger und würdigten Vollbracht als Mensch und Kollegen. Dem neu gewählten Bürgermeister gratulierte auch dessen Vor-Vor-Vorgänger Peter Brandenburg, der von 1983 bis 2007 in Waldeck regierte.
Am Tag nach der Wahl äußerte sich Martin Germann (FWG) hochzufrieden. Erfreut registrierte er viele junge Leute bei der Wahlparty. „Das ist eine Chance, die Kommunalpolitik in die nächste Generation weiterzubringen.“ Das hohe Ergebnis sei auch für Havels Unterstützer Ansporn und Auftrag. Im Urlaub auf Mallorca hat Jürgen Schanner (Bündnis 90/Die Grünen) auf den Sieg angestoßen. „Endlich werden Projekte, die angefangen sind, auch weitergeführt.“ Schanner erhofft sich aufrichtigen Umgang und transparente Prozesse, die alle mitnehmen sowie auf eine neue Perspektive für die Mitarbeiter der Stadt.
Aus Sicht von Martin Merhof (FDP) waren Kompetenz und Zukunft starke Argumente. „Die Bürger haben sich von Nicolas Havel mitgenommen und wertgeschätzt gefühlt. Die anstehenden wichtigen Infrastrukturmaßnahmen und eine langfristige Personalentwicklung im Rathaus wird er transparent, in offener Kommunikation, mit seiner ausgewiesenen Fachkompetenz und mit einer langfristigen Perspektive angehen.“ Vollbracht sei zu danken für seine Amtszeit, „das Wahlergebnis spricht aber eine sehr eindeutige Sprache“.
Aus Sicht des Wahlverlierers hätten mehrere Faktoren zu seiner Niederlage beigetragen. Es herrsche Unzufriedenheit über die Umsetzung einiger Projekte, wie die Einbahnstraßenregelung in Waldeck oder stockende Entwicklung des ehemaligen Hofguts in Höringhausen. Dafür werde leider von vielen grundsätzlich allein der Bürgermeister verantwortlich gemacht. Diese breite negative Allgemeinstimmung habe sich offenbar an der Wahlurne niedergeschlagen.
MATTHIAS SCHULDT
CORNELIA HÖHNE
Bewegung und Veränderungen sind gefragt
MATTHIAS SCHULDT
„Waldeck hat den Generationenwechsel gewählt.“ So lautet eine Erklärung, die speziell auf der parteipolitischen Verliererseite der CDU am Sonntag in den Mittelpunkt gerückt wurde. Doch wer sich umhört und nach Ursachen forscht, stößt auf weit mehr.
Die nächste nahe liegende Antwort findet sich in der breiten Unterstützung auf Parteiebene für Nicolas Havel. Über die klassischen Lager hinweg machten SPD, Freie Wähler, FDP und Grüne seit Langem ihrem Ärger über die Amtsführung von Jürgen Vollbracht vernehmlich Luft.
Sie sahen Mehrheitsbeschlüsse der Waldecker Stadtverordneten schleppend umgesetzt, teils gar ignoriert. Sie kritisierten Vollbracht für das, was dieser selbst einst an seinem Vorgänger bemängelt hatte: schlechten Informationsfluss zum Parlament und demotivierendes Arbeitsklima im Rathaus. Selbst die CDU war sich mit „ihrem“ Bürgermeister zuletzt nicht einig im Umgang mit dem Edersee-Verkehrskonzept des Landkreises Waldeck-Frankenberg.
„Es ging nichts voran.“ Der Satz fiel am Sonntagabend mehrfach in Gesprächen über den Wahlausgang und als Urteil über die Amtszeit Vollbrachts. Nicolas Havel und seinen Unterstützern ist es zwar (noch) nicht gelungen, eine breit angelegte Aufbruchstimmung in der Stadt Waldeck zu erzeugen – sonst hätte die Wahlbeteiligung nicht neun Prozentpunkte niedriger gelegen als 2018 – doch die große Mehrheit der Wähler nimmt es Nicolas Havel offenbar ab, dass er den Aufbruch wagt. Dass er mit eigenen Ideen und breiter Unterstützung die Zukunft der Stadt gestalten will. Diesen Gestaltungswillen hat Jürgen Vollbracht als Bürgermeister vermissen lassen.
Nein, Waldeck will nicht nur einen Generationswechsel, sondern auch einen Wechsel der Mentalität. Bewegung und Veränderung sind gefragt.
Die Wahrheit liegt auch in der Politik auf dem Platz
Hintergründe zur Bürgermeisterwahl in Waldeck und wieso es nur eine Parallele zu 2018 gibt
Waldeck – Wen hat der Kantersieg des langjährigen Fußballers Nicolas Havel in Waldeck nicht auf dem falschen Fuß erwischt? Spannung? Fehlanzeige am Wahlabend im Rathaus, vom ersten bis zum letzten Teilergebnis. CDU-Ortsverbandsvorsitzender Philipp Hankel telefonierte die enttäuschende Nachricht auf die Kreisebene der Union durch, als noch zwei Resultate ausstanden, darunter das aus Vollbrachts Heimatort Sachsenhausen.
Gleichgültig, mit wem man am Wahlabend über das Ergebnis sprach; eins steht fest: Die Waldeckerinnen und Waldecker haben sich selbst in Erstaunen versetzt. Symbolkraft zeigt der Freud´sche Versprecher des Ersten Stadtrats Bruno Arlt (Grüne). Mit „Herzlichen Glückwunsch, Jürgen“, schüttelte er Vollbracht die Hand, um erschrocken klarzustellen, dass er dem Noch-Bürgermeister für seine Arbeit und den fairen Wahlkampf danke. Er selbst habe einen sehr knappen Ausgang erwartet. Stattdessen überrollte der Neuling ohne praktische Erfahrung in der Politik den Amtsinhaber. Jürgen Vollbracht kann sicher nachfühlen, wie es seinem Vorgänger erging, den er vor sechs Jahren aus dem Rathaus beförderte. Doch hier endet die Vergleichbarkeit der Ergebnisse von 2018 und 2024.
Die Unterschiede: Vollbrachts Vorsprung fiel 2018 deutlich aus, aber nicht übermächtig. Er brachte Erfahrung als CDU-Fraktionsvorsitzender mit. Damals gehörten beide Kandidaten der gleichen Generation an. 2024 liegen 25 Jahre zwischen den Konkurrenten.
Für den 33-jährigen Nachfolger sprach in den Augen vieler Wähler offenbar die Kompetenz, die sie aus seinem beruflichen Werdegang herleiten. Einen Bauingenieur mit Personalführung als Zusatzqualifikation könne die Stadt Waldeck im Rathaus gut gebrauchen. Gebaut werden soll und muss viel. Weitere Personalabgänge gilt es zu verhindern, stattdessen zusätzliche, motivierte Kräfte zu finden, um alles zu stemmen.
Einen weiteren Aspekt steuerte eine Wählerin am Sonntag bei: „Er hat doch eine gute, abgesicherte berufliche Position.“ Will heißen: Wer das aufgibt, will wirklich was bewegen für seine Stadt.
Während die Waldecker 2018 eher ihren Bürgermeister abwählten, bedeutet der Ausgang 2024 demnach weit mehr als ein Nein zu einer weiteren Amtszeit von Jürgen Vollbracht. Damit verbinden sich zugleich Erwartungen an Havel. Hier tauchen doch weitere Parallelen zur Vergangenheit auf. 2006 stürmte ein gewisser Jörg Feldmann als Freienhagener ohne Politikerfahrung mit Elan und Ideen ins Bürgermeisteramt. Binnen zwölf Jahren verlor er massiv den Rückhalt. Darin liegt neben der Aufgabe zu gestalten die Herausforderung für den einsatzfreudigen, ehemaligen Fußballer Nicolas Havel: Team und Publikum über mehrere Spielzeiten als Kapitän mitzureißen.
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