2024 WLZ 25. 07. MEHR ZUM THEMA  Verkehrskonzept Edersee –

Das sagen die Bürgermeister der Anrainerkommunen „Falscher Ansatz, zu teuer, unausgegoren“

VON PHILIPP DAUM

Fährt von Waldeck an den Edersee und zurück: die Tourismusbahn. Nach dem Willen der Bürgermeister aus Waldeck und Edertal soll die Route ausgeweitet werden. Foto: höhne

Waldeck-Frankenberg – Enttäuscht zeigt sich der Landkreis, dass die Bürgermeister aus Edertal, Waldeck, Vöhl und Bad Wildungen keine Machbarkeitsstudie für ein Park-and-Ride-System mit Shuttle-Bus in Auftrag geben wollen. Wir klopften bei den vier Bürgermeistern die Gründen dafür ab und fragten, was sie generell vom Sonderverkehrskonzept Edersee halten.

Waldeck

Waldecks Bürgermeister Jürgen Vollbracht betont, dass er sehr intensiv am Sonderverkehrskonzept Edersee mitgearbeitet habe. „Selbstverständlich möchten auch wir gemeinsam mit dem Landkreis und unseren Nachbarkommunen die Verkehrssituation sowohl an neuralgischen Punkten als auch auf der gesamten Edersee-Randstraße merklich und nachhaltig verbessern. Wir möchten sehr wohl Maßnahmen umsetzen. Es steht für uns außer Frage, dass ein schlüssiges Konzept dabei die Grundlage sein muss“, so Vollbracht.
Er wolle daher der Aussage des Kreises widersprechen, dass keine der vier Kommunen Interesse habe, im Zuge der Sanierung der Landesstraße und der zu erwartenden Baustelle eine gesonderte Maßnahme zu initiieren, um die Baustelle für die Profiteure der touristischen Wertschöpfung verträglicher zu gestalten. Der Magistrat der Stadt Waldeck habe aber einstimmig beschlossen, dass die erneute zeit- und kostenintensive Erstellung einer weiteren Studie der falsche Ansatz sei, um kurzfristig zu tragfähigen Lösungen zu kommen. „Stattdessen haben wir auf eigene Kosten den Probebetrieb einer Tourismusbahn initiiert und möchten dieses Konzept im nächsten Jahr ausweiten, indem auch die Gemeinde Edertal angebunden wird.“
Die Erstellung einer weiteren Machbarkeitsstudie zum Sonderverkehrskonzept Edersee sei nach Klärung der Finanzierungsfrage aber nicht ausgeschlossen. „Die Ergebnisse aus dem Versuchsbetrieb der Tourismusbahn können dann sogar schon in diese Studie einfließen“, schlägt Vollbracht vor.
Laut Vollbracht sollen aus dem Sonderverkehrskonzept Edersee „selbstverständlich Maßnahmen umgesetzt werden“ – der Einsatz der Touristenbahn als Park-and-Ride-Shuttle sei so gesehen eine erste Maßnahme aus dem Konzept. „Gleichwohl sollte man sich nicht scheuen, pragmatische und vielleicht auch mal unkonventionelle Lösungen zu finden.“.
Was den Lärm am Edersee angehe, werde dieser bereits kontrolliert und angezeigt, es gebe auch Geschwindigkeitskontrollen. Eine durchgezogene Linie sei an vielen Stellen von Hessen-Mobil aufgebracht worden, in einer Probephase gelte Tempo 30, es gebe Verkehrszählungen und ein Nahmobilitätskonzept lasse die Stadt derzeit erstellen.
„Derzeit befahren noch zu viele Verkehrsteilnehmer die Edersee-Randstraße, um von einem touristischem Punkt zum nächsten zu gelangen“, so Vollbracht. Es müssten Alternativangebote geschaffen werden. Der NVV fahre nächstes Jahr stündlich und es müssten Anreize geschaffen werden, dieses ÖPNV-Angebot zu nutzen. Auch die Touristenbahn könnte während der Sperrung als zusätzliches Transportmittel eingesetzt werden, indem die regelmäßige Fahrtroute bis zum Terrassenhotel ausgeweitet werde.

Vöhl

„Ich habe wiederholt darauf hingewiesen, dass weitere Bereiche mit einbezogen werden sollten. Insbesondere bei niedrigem Wasserstand kommt es in Asel, an der Hohen Fahrt und in Asel-Süd zu einem sehr hohen Verkehrsaufkommen durch Besucher der Aseler Brücke und des Edersee-Atlantis“, sagt Vöhls Bürgermeister Karsten Kalhöfer. Diese Problematik sei nicht berücksichtigt worden.
Der Kreis habe ein Konzept erstellt und fordere die Kommunen zur Umsetzung beziehungsweise zur Beauftragung einer Machbarkeitsstudie auf. „Damit sind Kosten und Folgekosten verbunden. Vöhl zählt zu den finanzschwächsten Kommunen in Hessen. Abgesehen davon, dass die vorgeschlagenen Maßnahmen nicht Vöhl betreffen, stehen im Haushalt keine Mittel zur Umsetzung zur Verfügung“, so Kalhöfer. „Ob im Haushalt 2025 Mittel zur Verfügung gestellt werden, entscheiden die Gemeindevertreterinnen und Gemeindevertreter. Das Interesse der politischen Vertreter am Konzept war bislang eher gering. Bei der Abschlussveranstaltung war ein Fraktionsvorsitzender anwesend.“
Es sei richtig, die Verkehrssituation rund um den Edersee gemeindeübergreifend zu betrachten. Maßnahmen wie ein Shuttle-Bus um den See sollten interkommunal diskutiert werden. Einzelne verkehrsrechtliche Maßnahmen wie die Verkehrsführung an der Randstraße lägen aber in der Zuständigkeit der jeweiligen Standortkommune. Folglich werde sich die Gemeinde Vöhl nicht in die dortige Verkehrsführung „einmischen“.

Edertal

„Nicht ausgegoren, nur eine Ideensammlung, kein brauchbares Ergebnis“: Mit diesen Worten kommentierte Edertals Bürgermeister Klaus Gier auf WLZ-Anfrage das Sonderverkehrskonzept Edersee. Er habe sich anfangs stark eingebracht bei der Erstellung des Konzeptes. Letztlich habe er aber keine neuen Erkenntnisse gewonnen.
Was die Lärmbelastung angehe, sehe er die Problematik vor allem nach 18 Uhr. „Dann kommen Motorradfahrer und Cruiser aus dem Raum Kassel und Homberg an den Edersee. Neben der Installierung von Enforcement-Trailern (mobile Blitz-Anhänger) habe er zudem vorgeschlagen, gemeinsam mit der Verkehrspolizei und dem Landkreis die Situation auch mal rechtlich durchzuspielen. „Ist es zum Beispiel möglich, Motorradfahrer für eine bestimmte Zeit am Edersee auszuschließen? Um diese oder andere Fragen wäre es gegangen“, so Gier. Passiert sei aber bisher nichts.
Ein Park-and-Ride-System mit Shuttle-Bus am Edersee sieht der Bürgermeister kritisch. Er habe mit einem Busunternehmer gesprochen. Der habe gesagt, es sei nahezu unmöglich, diese Kapazitäten regelmäßig bereitzustellen – Busse, Fahrer und ausreichend Platz würden immer benötigt. „Und was, wenn es regnet. Dann ist das Shuttle-System nicht ausgelastet und rechnet sich nicht“, so Gier. Die vielen Tagesgäste, die an den See kommen, legten ohnehin Wert auf Flexibilität. „Da stellt kaum jemand in Wellen oder Fritzlar sein Auto ab, steigt in den Bus und fährt an den Edersee.“ Wichtig sei, dass sehr frühzeitig ein Umleitungskonzept samt Beschilderung stehe, bevor die Randstraße gesperrt sei.
Was die Ausweitung der neuen Waldecker Tourismusbahn auf die Gemeinde Edertal angehe, zeigt sich Gier offen. Er werde mit Waldecks Bürgermeister Jürgen Vollbracht sprechen, um auszuloten, ob die Bahn auch über die Staumauer bis zum Wildtierpark und eventuell auch nach Rehbach fahren könne.

 „Haben nur indirekt damit zu tun“

Ralf Gutheil Bürgermeister in Bad Wildungen

„Wir als Stadt Bad Wildungen wurden seitens des Landkreises zum Sonderverkehrskonzept Edersee mit eingeladen, da wir über unser städtisches Verkehrsunternehmen, die BKW GmbH, die Linien bedienen und da Bad Wildungen ebenfalls Mitgesellschafter bei der Edersee-Marketing GmbH ist. Natürlich habe ich mich auch mit meinen Fragen und Ideen im laufenden Prozess mit eingebracht“, sagt der Bad Wildunger Bürgermeister Ralf Gutheil. Grundsätzlich habe die Stadt mit einem Verkehrskonzept am Edersee – wenn überhaupt – nur indirekt zu tun. Aus diesem Grund werde sich Bad Wildungen auch nicht an der Umsetzung eines Verkehrskonzeptes am Edersee beteiligen. „Dies obliegt entweder den Anrainerkommunen selbst oder der Kreisverwaltung“, sagt Gutheil. dau Foto: PR

Einbahnstraße und Shuttle-Busse
Konzept blickt auf verschiedene Ideen
Im Sonderverkehrskonzept – das der WLZ vorliegt – sind Ideen beschrieben, wie eine Verkehrsberuhigung am Edersee umgesetzt werden könnte.
Erster Kreisbeigeordneter Karl-Friedrich Frese weist im WLZ-Gespräch unter anderem auf den Radweg zwischen Nieder-Werbe und Waldeck hin, der am Ufer entlang führt. Dieser sei zu schmal, wenn viele Fußgänger und Radfahrer dort unterwegs seien. „Eine Idee war: Wir machen für die Ferienzeit oder einen Teil des Jahres dort eine Einbahnstraße hin. Man kann weiter mit dem Auto am Edersee von Nieder-Werbe nach Waldeck fahren“, so Frese. Auf der anderen Fahrbahnseite sei aber mehr Platz für Radfahrer und Fußgänger. „Der Autoverkehr müsste zurück anders fahren, über Sachsenhausen ist das aber kein Problem.“
Ein weiterer Vorschlag sei, dass in Waldeck an der Tennisanlage temporär ein Parkplatz für Kraftfahrzeuge eingerichtet werde. „In der Hauptsaison könnte ein Shuttle-Bus nach Waldeck-See fahren und die Edersee-Besucher dort hinbringen. Im Parkticket wäre die Busfahrkarte mit drin“, so Frese.
Ein Park-and-Ride-System mit Shuttleverkehr sei grundsätzlich eine der wichtigsten Maßnahmen, die in dem Sonderverkehrskonzept als Vorschlag genannt werde, um Besucher trotz der Vollsperrung zwischen Hemfurth und Staumauer ab Sommer 2025 an den Edersee zu bringen. „Eine Machbarkeitsstudie dazu sollte in Verantwortung der Städte und Gemeinden erstellt werden – eventuell ist solch ein Projekt auch mit einer Leader-Förderung zu realisieren. Wir würden uns als Landkreis zudem an den Kosten beteiligen. Für Waldeck, Edertal, Vöhl und Bad Wildungen wären die Kosten daher überschaubar“, so Frese. dau

„Absagebriefe von allen Bürgermeistern“


2020 wurde der Landkreis vom Kreistag damit beauftragt, ein Sonderverkehrskonzept Edersee zu erstellen. Ziel war, am See für eine Verkehrsberuhigung zu sorgen und gleichzeitig die Belange des Tourismus zu berücksichtigen. „Mit Vöhl, Waldeck und Edertal gibt es drei Anrainerkommunen am Edersee – wir ziehen aber immer auch Wildungen hinzu, weil Kurgäste von dort an den Edersee kommen“, sagt Susanne Paulus, Leiterin des Fachdienstes Bauen beim Kreis. Alle Kommunen in ein Boot zu holen, sei daher schwierig.
„Was bei der Konzepterstellung über allem schwebte, war die nahende Vollsperrung der Edersee-Randstraße zwischen Hemfurth nahe des Zündstoffs und der Sperrmauer. „Die Straßeninstandsetzungs- und Hangsicherungsarbeiten sollen im Sommer 2025 beginnen. Das geht nicht anders, denn hangseitig liegt der Nationalpark. Witterungsbedingt und wegen Schutzzeiten müssen die Arbeiten im Sommer verrichtet werden. Die Urlaubssaison ist betroffen und womöglich gehen die Arbeiten noch bis ins Jahr 2026“, sagt Erster Kreisbeigeordneter Karl-Friedrich Frese. Man habe sich in dem Sonderverkehrskonzept Edersee daher auch intensiv damit auseinandergesetzt, wie der Verkehr während Vollsperrung geregelt werden und ob dies mit künftigen Verkehrskonzepten am Edersee einhergehen könnte.
„Bei Planungskonzepten ist es entscheidend, dass Akzeptanz geschaffen wird. Die Öffentlichkeit wurde deshalb stets beteiligt“, sagt Susanne Paulus. Es habe Arbeitskreissitzungen unter Beteiligung der Kommunen, des ÖPNV, der ETI sowie der EWF und anderer Akteure gegeben.
In Nieder-Werbe habe es im September 2023 ein Treffen mit Betreibern von Hotels, Pensionen, Ferienwohnungen, Restaurants und Tankstellen am Edersee gegeben. „Unser Eindruck war: Die meisten wollen keine Veränderungen. Man bräuchte den Verkehr am See, um Geld verdienen könne. Das bisschen Lärm sei nicht schlimm, gerade die Motorradfahrer seien wichtig für den Umsatz“, berichtet Susanne Paulus. Der Kreis habe sich gefragt: Machen wir nun überhaupt weiter mit der Erstellung des Konzeptes?
„Es gab dann noch eine digitale Veranstaltung, zu der sich Bürgerinnen und Bürger zugeschaltet hatten. Da gab es ein anderes Votum. Viele sagten, dass weniger Lärm wichtig sei und dass die Aufenthaltsqualität am Edersee erhöht werden müsse. Man solle sich trauen, mit dem Rad den See entlang zu fahren oder an der Randstraße Spaziergänge zu unternehmen“, berichtet Susanne Paulus. Verkehrsberuhigung, mehr Platz für Fahrräder und Fußgänger, ein langsamerer Verkehrsfluss und Offenheit für Neuerungen seien genannt worden.
Bei der Abschlussveranstaltung im März 2024 sei das Konzept final vorgestellt worden. Die Bürgermeister aus Edertal, Waldeck, Vöhl und Bad Wildungen hätten sich zunächst offen für eine Vertiefung des Konzeptes und der Erstellung einer Machbarkeitsstudie für ein Park-and-Ride-System am Edersee gezeigt. „Später hat es aber von allen Absagebriefe gegeben“, so Frese. dau Fotos: pr