2024 WLZ 14. 06.  „Mit falschen Versprechen geworben“

Ärger über Goetel: Trotz erreichter Anschlussquote kein Glasfaserausbau

VON CONNY HÖHNE

In großen Stadtteilen geht’s bei Glasfaser voran: Die kleinen Waldecker Dörfer schauen aber plötzlich in die Röhre. Von links Bürgermeister Jürgen Vollbracht und Ortsbeiräte von drei betroffenen Orten – Philipp Litschel (Alraft), Wilhelm Emden (Ober-Werbe), Marko Drebes (Nieder-Werbe/Scheid) an der Baustelle in Sachsenhausen. Foto: Conny Höhne

Waldeck Der Glasfaserausbau geht in einigen Waldecker Stadtteilen zügig voran. Doch in vier kleinen Orten ist plötzlich von Vorfreude auf schnelles Internet keine Rede mehr: Entgegen früherer Zusicherungen zieht die Firma Goetel nämlich für Alraft, Ober-Werbe und Selbach das Versprechen auf einen Anschluss zurück. Keinen Hoffnungsschimmer gibt es zudem für die Halbinsel Scheid.

Goetel war mit dem klaren Versprechen gestartet, alle Stadtteile zu versorgen, die eine Anschlussquote von mindestens 40 Prozent erreichen. Davon ist nun keine Rede mehr. Laut Bürgermeister Jürgen Vollbracht kündigte das Unternehmen überraschend an, in den Orten unter 100 Anschlüssen keinen Glasfaserausbau in absehbarer Zeit zu betreiben, weil dies nicht finanzierbar sei.

Diese Zahlen sind dort aber nicht zu erreichen. Im 170-Einwohner-Dorf Alraft seien 54 Verträge unterzeichnet. Für Ortsvorsteher Philipp Litschel ist das ein stolzes Ergebnis: „Das ist eine Quote von fast 80 Prozent. Wir haben richtig die Werbetrommel gerührt und Infoveranstaltungen angeboten.“ Die Absage sei bitter. „Eine herbe Enttäuschung, weil auch richtig Arbeit rein geflossen ist.“

Auch in Ober-Werbe wurde die Quote mit 51 Prozent mehr als erfüllt. Dass Goetel nun von dem Versprechen abrückt, ärgert den stellvertretenden Ortsvorsteher Wilhelm Emden: „Es wurde mit falschen Versprechen geworben.“ An Anschlusswillige unter den 160 Einwohnern seien bereits Zusagen verschickt worden. „Dann geht man natürlich auch fest von einem Anschluss aus.“

Der Göttinger Glasfaserspezialist baut auf eigene Kosten aus. Verträge zur Ausbaupflicht in allen Stadtteilen gibt es laut Vollbracht nicht. Die Stadt habe das Unternehmen engagiert unterstützt, weil es den Komplettausbau vollziehen wollte. Der Rückzug nun ist „sehr, sehr ärgerlich“, sagte Vollbracht.

Der Alrafter Ortsvorsteher stellt ernüchternd fest: „Jetzt sind die attraktiven Sahnestücke weg, und die kleinen Orte gehen leer aus.“

Eine Sonderrolle spielt die Halbinsel Scheid, die zum Stadtteil Nieder-Werbe zählt. Während Nieder-Werbe von Goetel ausgebaut wird, plante auf Scheid eigentlich die EWF Connect einen Glasfaserausbau. Nun aber trennt sich EWF von den Geschäftsfeldern Internet und Telefonie (siehe Seite 2) . Ortsvorsteher Marko Drebes hat wenig Hoffnung, dass in dem Tourismus-Hotspot ein Anschluss über die vorhandenen Leerrohre der EWF mit Goetel gelingen könnte. In Selbach hingegen werde für die 80 Einwohner ein Glasfaseranschluss zusammen mit dem geplanten Nahwärmenetz angestrebt.

Nachhaken bei Goetel brachte laut Vollbracht keine Wende. Das Unternehmen verweise auf zukünftige Fördermöglichkeiten und stelle eine vage Ausbau-Option für die Zukunft in Aussicht.

In ähnlicher Lage sind nach Angaben des Bürgermeisters auch andere Kommunen in der Region. Kleinere Ortsteile blieben auf der Strecke, wenn sie nicht in einem Gesamtpaket ausgebaut würden – so wie es in Waldeck angedacht war. Glück hatten da die Dehringhäuser. Im 145-Einwohner-Dorf wurde Glasfaser verlegt, weil die Leitung ohnehin nach Freienhagen geführt werden musste.

➔ KOMMENTAR

Steigende Kosten als Argument

„Die Stadtteile Alraft, Ober-Werbe und Selbach können aus wirtschaftlichen Gründen nicht in der aktuellen Ausbauphase mit ausgebaut werden“, teilte Felix Kadèra, Pressesprecher der Firma Goetel, auf WLZ-Anfrage mit. „Das heißt aber nicht, dass wir sie nicht weiter berücksichtigen. Wir arbeiten intern daran, auch für diese drei Stadtteile wirtschaftliche Lösungen zu finden,“sagte der Unternehmenssprecher.

Durch gestiegene Kosten bei Baumaterial und Ausbaufirmen stelle sich der komplett eigenfinanzierte Glasfaserausbau als zunehmende Herausforderung dar, merkte Kadèra an. „Aus diesem Grund müssen wir genau bewerten, welche Stadtteile wir in der aktuellen Situation an das Glasfasernetz anschließen.“ Der Ärger bei den Betroffenen sei verständlich. Die Einwohner der Stadtteile könnten den Ausbau aktiv unterstützen, denn je mehr Glasfaseranschlüsse beantragt werden, desto eher sei das Projekt wirtschaftlich darstellbar. Kadèra: „Wir halten weiterhin an dem Ziel fest, ganz Waldeck flächendeckend mit Glasfaser bis in die Häuser zu versorgen.“ höh