2024 WLZ 13. 04. Mit Griffeldose und Schieferbrett
Friedhelm Artz (81) berichtet aus seiner Schulzeit in den 40er und 50er Jahren
VON JÖRG SCHÜTTLER
Einweihung der Grundschule in der Gartenstraße 1953: Die Rede hält Bürgermeister Köhler, rechts mit Hut Rektor Bangert. Der Hof war mit rotem Guss bestreut, der bei Regen an den Schuhen und Hosen hängen blieb. Repro:Jörg Schüttler
Waldeck-Sachsenhausen – Aus dem Leben in Sachsenhausen in den 40er und 50er Jahren erzählt Friedhelm Artz (81). Über seine die Erlebnisse direkt nach dem Kriegsende berichtete die WLZ in der gestrigen Ausgabe.
1949 begann für Friedhelm Artz die Schulzeit in der alten Schule an der Kirche. Seine Schulsachen setzten sich damals aus einem alten Ranzen, einer Griffeldose und einem Schieferbrett zusammen. Wenn er zum Schreiben seinen Griffel anspitzen musste, schickte ihn sein Lehrer vor die Tür. „Dort hatte sich vom vielen Spitzen der Griffel eine Mulde in der Steintreppe gebildet.
In dieser Zeit waren die Klassen sehr groß, da immer wieder Flüchtlingskinder für einige Zeit aufgenommen werden mussten. Lehrermangel bestand auch und die Kinder unterschiedlichsten Alters wurden sogar ab und zu von den ältesten Schülern unterrichtet.“
Im Sommer seien die Schüler sogar barfuß in die Schule gegangen, erinnert sich Arzt. „Wir wussten aber nicht, dass der Fußboden in den Klassenräumen mit Firnisöl gestrichen worden war. Unsere Füße waren dann so schwarz geworden, dass das Firnisöl von den Fußsohlen sehr, sehr schwer abzubekommen war.“
1953 konnte der Unterricht in der neu erbauten Schule in der Gartenstraße beginnen. Verdreckte sich Artz dort bei Regen auf dem mit rotem Guss bestreuten Hof die Hose, musste seine Mutter diese zuhause mit Kaffee waschen und aufbügeln. „Denn es war auch gleichzeitig meine Sonntagshose“.
Die Schule begann jeden Morgen mit einem festen Ritual: „Zu Beginn des Unterrichts stand man auf, grüßte mit: „Guten Morgen Herr Lehrer“ und zeigte die Hände vor. Da ich sehr oft den Bauern beim Rüben ernten half, waren die Rillen meiner Hände schwarz, da die Rübenblätter eine Säure abgaben. Obwohl ich die Hände tüchtig gewaschen hatte, schickte mich der Lehrer nach Hause, damit ich die Hände waschen solle. Da ich aber schnell wieder zurück war und meine Hände vorzeigte, sagte der Lehrer, die seien immer noch schmutzig: „Wo hast du sie gewaschen?“ Vor lauter Aufregung sagte ich: „Im Katzenteich“, anstatt am Wasserhahn beim Feuerteich. Da fingen die Mitschüler an, laut zu lachen.“
Auch an weniger schöne Ereignisse erinnert sich Friedhelm Artz. Gewalt gegen Schüler war in der damaligen Zeit noch Alltag in den Schulen: „Beim Singen und gleichzeitigem auf der Stelle marschieren wurde ich von einem Mitschüler aus dem Takt gebracht und der Rechts-und-Links-Schritt geriet durcheinander. Der Lehrer sah das und rief mich nach vorne. Erst zog er mich am Ohr, dann zeigte er mir, was rechts und links ist, indem er mit voller Wucht immer wieder auf meinen rechten Fuß trat, sodass der große Zeh anschwoll und blutete. Wochenlang konnte ich nicht richtig laufen, nur mit Gummistiefeln.“
Über die Sachsenhäuser Originale und die Abenteuer von Friedhelm Artz außerhalb der Schule berichtet die WLZ in einer der nächsten Ausgaben.