2024 WLZ 11. 07. 50 JAHRE WALDECK-FRANKENBERG

Die Gründungsgeschichte des Landkreises Wie Löwe und Stern sich vereinten

VON KARL-HERMANN VÖLKER

Repräsentanten des neuen Großkreises: So festlich gestalteten sich die Neujahrsempfänge des neuen Landkreises Waldeck-Frankenberg in der Zeit des ersten Landrats Karl-Hermann Reccius (links), anfangs nur in Korbach, später auch in Frankenberg. Es kamen die Vertreter aus Politik und Gesellschaft – Frauen waren noch sehr unterrepräsentiert. archivFotos/Repros: karl-hermann völker

Waldeck-Frankenberg – Die Unterschriften unter den „Ehevertrag“ leisteten die Partner schon am 15. Juni 1973 in Korbach und zehn Tage später 1973 in Frankenberg. Am 28. September drückte Regierungspräsident Alfred Schneider in Kassel sein Siegel „Genehmigt“ unter das Dokument. Als in der Silvesternacht die Glocken zum Jahreswechsel von den Kirchtürmen läuteten, war die Hochzeit vollzogen: Am 1. Januar 1974 entstand im Zuge der hessischen Gebietsreform durch Gesetz aus den beiden bis dahin selbstständigen Kreisen Waldeck und Frankenberg der neue Landkreis Waldeck-Frankenberg mit 13 Städten und neun Großgemeinden. Im Jahr 2024 werden nun 50 erfolgreiche Jahre gefeiert.
Schon die Namensgebung war ein Zeichen von Vernunft. In der hessischen Landesregierung Wiesbaden, wo Gebietsreformer die Fäden zogen und schon weitaus schwierigere Gemeinde-Heiraten angebahnt hatten, wollte man die neue Gebietskörperschaft gern Ederkreis nennen. Aber das wäre den Menschen im Waldecker und im Frankenberger Land dann doch zu weit gegangen – sie mochten sowohl auf das Eine wie das Andere nicht verzichten. Und wenn schon keine Liebesheirat, dann wenigstens dieser Kompromiss.
Geschichtlich gab es viel Trennendes, was die Frankenberger und Waldecker im erbittert umkämpften Grenzland zwischen Franken und Sachsen über Jahrhunderte hinweg belastet hatte. Auch in Kultur und Brauchtum wiesen sie alte Unterschiede auf, verläuft doch genau zwischen den beiden Altkreisen im Orketal mundartlich die „ik“- und „ich“-Grenze, die den niederdeutschen, waldeckischen und den mitteldeutschen, hessischen Teil deutlich unterschied.
Zudem hatte der größere Landkreis Waldeck als eigenes Fürstentum mit Bad Arolsen und ehemals deutscher Freistaat im Deutschen Reich bis 1929 seine ganz ausgeprägte eigene Traditionsgeschichte, während im Südkreis durch die Eingliederung des Amtes Battenberg 1932 Teile von Hessen-Darmstadt in gewachsene Hessen-Kasseler Strukturen eingegliedert wurden. Nun erinnerte der Doppelnamen in seinem ersten Teil an den 1942 gegründeten Landkreis Waldeck und an die 800 Jahre alte Geschichte des Waldecker Landes, im zweiten an den 1821 gegründeten Kreis Frankenberg und an die Bedeutung der Stadt Frankenberg für den Ausbau der einstigen Landgrafschaft Hessen.
Im Gesamtkonzept der hessischen Landesregierung, die seit 1970 kleine, kaum noch eigenständig führbare Gemeinden zu größeren Verwaltungseinheiten zusammenfassen wollte, spielten solche regionale Gegebenheiten kaum eine Rolle. Aus 2700 hessischen Gemeinden, 39 Landkreisen und neun kreisfreien Städten sollten nach der Gebietsreform 427 Gemeinden, 21 Landkreise und fünf kreisfreie Städte entstehen.
„Der Vorschlag des hessischen Innenministeriums vom November 1972, die Landkreise Waldeck und Frankenberg zu einem neuen Landkreis mit dem Namen Ederkreis zusammenzuschließen, überraschte die verantwortlichen Kreispolitiker nicht“, erinnert sich der spätere Landrat Dr. Horst Bökemeier (1989-1997). Bereits 1971 hätten die Kreistage beider Landkreise positive Signale für dieses „Zweckbündnis“ gegeben, sogar schon 1963 habe sich zwischen ihnen eine Zusammenarbeit in der hessischen Planungsregion II angebahnt. Und so stellte aus Sicht des hessischen Innenministeriums im Gesetzentwurf vom 7. Mai 1973 der neue Großkreis „eine in sich geschlossene landschaftliche Einheit“ mit wesentlichen wirtschaftlichen Verbindungen und industriellen Schwerpunkten sowie günstig verteilten Mittelzentren Arolsen, Bad Wildungen, Frankenberg und Korbach dar.
Als äußeres Zeichen des neuen Großkreises schmolzen in einem sogenannten „Allianzwappen“ oben „der wachsende, von Silber und Rot geteilte hessische Löwe“, unten „der schwarze achtstrahlige Waldecker Stern“ zusammen. „Manche Waldecker schmunzelten damals, der hessische Löwe müsse auf den Spitzen des Waldecker Sterns sitzen, damit der Löwe nicht zu übermütig wird“, erzählte Jahre später der damalige Landrat Dr. Karl-Hermann Reccius (1916-2003).