2024 WLZ 10. 04. Baustelle eröffnet Experimentierfeld
Streit in Waldeck um Machbarkeitsstudie zu neuem Edersee-Verkehrkonzept
VON CONNY HÖHNE
Sanierung 2025 geplant: Die Ederseerandstraße wird zwischen Hemfurth (Foto) und Sperrmauer über Monate gesperrt. Aus der Not könnten die Anrainerkommunen des Edersees eine Tugend machen und die Baustellenzeit nutzen, um neue Ansätze fürs Edersee-Verkehrskonzept zu testen. Das Interesse erscheint bislang eher gering. Foto: Conny Höhne
Edersee – 2025 wird die Ederseerandstraße von der Sperrmauer bis nach Hemfurth über Monate zwecks Sanierung voll gesperrt. Die Baustelle eröffnet beiläufig die Chance, Ideen für das vom Landkreis geplante neue Edersee-Verkehrskonzept praktisch auszutesten.
Wie beispielsweise ließen sich Besucherströme neu kanalisieren, falls man künftig Teile der nördlichen Randstraße für Autos und Motorräder dicht machte? Welche Rolle könnten Wassertaxis, Shuttlebusse und eine Tourismusbahn in einem Park-and-Ride-System spielen? Der Kreis und die von ihm eingerichtete „Arbeitsgruppe Edersee-Verkehrskonzept“ haben eine Machbarkeitsstudie vorgeschlagen. Die Edersee-Kommunen sollen sie in Auftrag geben. Fördermittel aus dem EU-Leaderprogramm stünden in Aussicht.
Um diesen Ansatz ist eine Auseinandersetzung entbrannt zwischen Waldecks Bürgermeister Jürgen Vollbracht (CDU) und einer großen Mehrheit der Waldecker Stadtverordnetenversammlung. Denn Vollbracht hat dem Landkreis ohne Rücksprache mit dem Waldecker Parlament einen Korb erteilt. Als Ersatz für die Waldecker Seilbahn will der Bürgermeister 2024 eine Bimmelbahn zwischen See und Stadtteil Waldeck fahren lassen. An der Machbarkeitsstudie habe man kein Interesse, schrieb Vollbracht dem Landkreis. Die Sprecher von Waldecker CDU, SPD, FWG und Grünen befürworten dagegen das im Kreishaus vorgestellte Modellprojekt zur Ederseerandstraße.
In der Veranstaltung des Landkreises dazu hatten Professor Dr. Jörg Felmeden und Professorin Dr. Stefanie Bremer Ideen für die Zeit der Vollsperrung und für die weitere Zukunft aufgezeigt. Etliche der Ideen stammen aus einem öffentlichen Bürgerdialog im Herbst 2023, zu dem die Arbeitsgruppe Edersee-Verkehrskonzept eingeladen hatte. Die Probleme mit dem Verkehr am Edersee seien hinlänglich bekannt, betonen die Waldecker Parlamentsfraktionen. An schönen Tagen der Saison stehe die Randstraße vorm Infarkt.
Wie vom Donner gerührt über Absage aus dem Rathaus
Die fünf im Kreishaus anwesenden Stadtverordneten aus Waldeck habe der Vortrag der beiden Hochschullehrer überzeugt, sagt Jürgen Schanner (Bündnis 90/Die Grünen) „Wir waren uns einig: Ja, wir müssen das machen.“ Bürgermeister Jürgen Vollbracht – ebenfalls dabei – wurde laut Schanner beim anschließenden Austausch der Waldecker untereinander gebeten, dem Kreis die Mitwirkung Waldecks mitzuteilen.
Wie vom Donner gerührt habe man nun zur Kenntnis genommen, dass sich der Bürgermeister über den Wunsch der Fraktionen hinweg gesetzt und dem Kreis abgesagt habe. Eine Machbarkeitsstudie sei wegen der zusätzlichen zeit- und kostenintensiven Erarbeitung entbehrlich, „wenn wir die Lösung doch schon selber kennen.“ So lautete die Begründung in Vollbrachts Brief. Er warb für die Bündelung aller Kräfte, um rasch mit einer Tourismus-Bahn zu starten. Schanner reagiert verärgert. Die Fraktionsvorsitzenden seien vor vollendete Tatsachen gestellt worden. Hinsichtlich einer Machbarkeitsstudie „wurde mit dieser Stellungnahme die Tür einfach zugeschlagen.“
Latif Hamamiyeh Al-Homssi (SPD) ergänzt: „Die gute, solide Arbeit so abzubügeln, wird dem nicht gerecht.“ Er würdigte die vorgestellten Ideen. Zudem sei der politische Prozess noch nicht abgeschlossen worden. „Das ist nicht nur ein Waldecker Thema, sondern muss größer gedacht werden.“ Dem pflichtet Martin Germann (FWG) bei: Am Edersee seien dringend nachhaltige Lösungen gefragt. An den Vorschlägen sollte unbedingt weiter gefeilt werden für ein umfassendes Verkehrskonzept.
Michael Keller (CDU) unterstützt zwar das Ansinnen, rasch eine Alternative zur Bergbahn zu bieten. Ob dies besser mit einer Bimmelbahn oder einem Shuttle-Bus gelinge, bleibe zu ermitteln. „Auch dies muss man als Modell für zukünftige Verkehrslösungen sehen und testen.“
Die Sanierung in 2025 öffneten den Weg aufs Experimentierfeld. „Wir können Ideen ausprobieren, und bei Nichtgelingen verwerfen“, sagt Schanner. Den Verkehrsfluss bei einer Einbahnstraße am Edersee zu testen, die Straße befristet freizugeben für Inliner oder für Motorräder – vieles sei möglich. höh
Vollbracht: Keine andere Kommune an Studie interessiert
Waldecks Magistrat dränge auf kurzfristige Lösungen, um den Ausfall der Bergbahn rasch zu kompensieren, sagt Bürgermeister Vollbracht auf Nachfrage. Die Machbarkeitsstudie sei zwar eine gute Idee, aber leider hätten die Stadt Bad Wildungen und die Edersee-Anrainerkommunen Vöhl und Edertal kein Interesse, sich daran zu beteiligen. Durch das Schreiben des Magistrats seien Türen für eine Machbarkeitsstudie nicht zugeschlagen, Fristen nicht verstrichen. Vollbracht: „Wenn das der Wunsch ist, kann ein Antrag in der Stadtverordnetenversammlung gestellt werden.“ Zugleich müsse aber Geld im städtischen Haushalt eingestellt werden. Die Kosten für die Studie seien noch nicht bekannt, eine Förderung über das Leader-Programm ungewiss. Denn sie hänge von den gewünschten Leistungen ab. „Wir müssen schnell Lösungen finden“, verweist der Bürgermeister auf den Saisonstart am See. Eine Tourismusbahn könnte kurzfristig helfen. Bisher sei mit dem Kreis noch nicht geklärt, ob eine solche Bahn ohne Busführerschein gelenkt werden dürfe. höh
Sanierung im Bestand und ohne Radweg
Die Landesstraße 3086 ist Teil der Sanierungsoffensive des Landes. „Vorgesehen ist die bauliche Erhaltung des Streckenabschnitts im Bestand“, erläutert Dr. Hellwig Kamm vom Straßen- und Verkehrsmanagement Hessen-Mobil. Der Abschnitt zwischen Sperrmauer und dem Abzweig nach Hemfurth soll 2025 saniert werden. Die örtlichen Erkundungsmaßnahmen sind inzwischen abgeschlossen. Nach Auswertung der Ergebnisse soll ein Sanierungskonzept entwickelt werden. Da es sich um eine Maßnahme der Sanierungsoffensive handelt, ist ausschließlich die Erhaltung des Streckenabschnittes im Bestand vorgesehen – ein Radweg, auf den hier viele am Edersee drängen, ist nicht geplant. höh