2024 WLZ 07. 11. Wieder mehr Luchse in Hessen

Rückkehr geschieht nur langsam – Population ist fragil

Die scheuen Katzen werden wieder heimisch: Luchse waren in Hessen über knapp zwei Jahrhunderte ausgerottet. Inzwischen gibt es wieder einige, wenige Tiere. Foto: Lando Hass/dpa

Wiesbaden – Der Luchs kehrt nach Hessen zurück – allerdings nur langsam. Vom 1. Mai 2023 bis zum 30. April 2024 seien neun Luchse und zusätzlich vier Jungtiere im Grenzgebiet zwischen Hessen und Niedersachsen nachgewiesen worden, wie aus dem aktuellen Luchsbericht hervorgeht. Im gleichen Zeitraum 2022/2023 waren noch sechs Luchse nachgewiesen worden. Die Ergebnisse zeigten, dass sich in Hessen eine kleine Teilpopulation etabliere, erklärte Umweltstaatssekretär Michael Ruhl (CDU) in Wiesbaden. „Die dauerhafte Rückkehr des scheuen Einzelgängers nach Hessen wäre ein Erfolg.“

Im sogenannten Luchsjahr 2023/2024 wurden vier sesshafte Luchse sicher nachgewiesen: ein Weibchen mit Jungtieren im nordhessischen Reinhardswald, ein weiteres Weibchen sowie ein Männchen in Nordosthessen und ein Männchen im Bramwald an der Grenze zu Niedersachsen. Für Hessen könne man nicht von einem gesicherten Bestand sprechen, ergänzte Ruhl. In den Regionen, wo der Luchs unterwegs sei, sorge er für gesunde Wildbestände, da er vor allem schwache und kranke Tiere reiße.

Der Luchsbericht wurde von Umweltministerium gemeinsam mit dem Hessischen Landesamt für Naturschutz, Umwelt und Geologie (HLNUG) sowie dem Arbeitskreis Hessenluchs vorgestellt. 1833 soll im Odenwald der letzte Luchs erlegt worden sein, danach galt die Art in Hessen als ausgerottet. Seit 1999 wird der Luchs hierzulande wieder beobachtet, etwa im Werra-Meißner-Kreis und im Spessart. HLNUG-Präsident Thomas Schmid sagte, Hessen spiele eine wichtige Rolle für die Rückkehr des Luchses, auch wenn das Bundesland keine eigenen Wiederansiedlungsprojekte habe. „Wir sind die Brücke zwischen der Harzpopulation und der Thüringer Population.“

Insgesamt konnten im zurückliegenden Luchsjahr in Hessen 82 Hinweise auf die scheuen Waldbewohner mit den Pinselohren dokumentiert werden – sechs mehr als im Vorjahr. Ein Großteil dieser Hinweise habe als gesichert eingestuft werden können, erläuterte das Umweltministerium. Diese stammen ausschließlich aus Nord- und Nordosthessen und wurden überwiegend durch Fotofallen erbracht.

Eine Besonderheit des Luchses hilft den Experten dabei, die Tiere auf den Aufnahmen der Fotofallen nicht doppelt zu zählen. „Die Fellzeichnung des Luchses ist quasi wie ein Fingerabdruck“, erläuterte Schmid. Man könne mit einem guten Foto ein Individuum eindeutig identifizieren. Schmid erinnerte daran, dass die Luchspopulation in Hessen wegen der Infektionskrankheit Räude vor knapp zehn Jahren erloschen war. „Wir hoffen, dass sich diese fragile Population jetzt stabilisiert, dass Nachwuchs kommt.“

Der Naturschutzreferent des hessischen Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), Thomas Norgall, verwies auf erfolgreiche Auswilderungsprojekte in Niedersachsen. Hessen profitiere davon, dass sich die dortige Population nach Süden ausdehne. Im Naturschutz sei der Luchs „eine problematische Art“, da der Bestand nur langsam wachse. Die Nachwuchsrate sei sehr gering und die Tiere siedelten sich üblicherweise nur in der Nachbarschaft bereits vorhandener Reviere an. „Man muss Geduld haben“, sagte Norgall.

Eine der größten feststellbaren Faktoren für Todesfälle unter Luchsen sei der Straßenverkehr. Allerdings würden verendete Tiere, die an einer Krankheit oder Altersschwäche sterben, in der Regel nicht gefunden, ergänzte Norgall. Für Menschen bedeutet eine Begegnung keine Gefahr, wie Schmid sagte. Was sollte man tun, wenn man einem Luchs begegnet? „Handys zücken, sich freuen, ein Foto machen und sich nochmal freuen“, empfahl er. „Das ist ja mehr als ein Sechser im Lotto.“  dpa


ANDREA LÖBBECKE