2023 WLZ 16. 11. 112 – SO ARBEITET DIE FEUERWEHR

Kinder- und Jugendfeuerwehr im Einsatz
Der Nachwuchs sichert die Zukunft
VON KONSTANTIN MENNECKE

Viele Aktionen: Start des Kreisjugendzeltlagers war in diesem Jahr mit einem Fackelzug durch Odershausen (oben). Geschick und Teamgeist sind bei den Wettbewerben sowie bei der Abnahme der Leistungsspange wie dieses Jahr im Uplandstadion in Willingen (Mitte) gefordert. Weihnachtsbaum-Sammelaktionen wie auf dem Archivbild aus Allendorf (unten) gehören auch mit zum Programm. Fotos: Wilhelm Wagener/Stefanie Rösner, Jugendfeuerwehr
Mehr als eine Million Menschen engagiert sich in Deutschland ehrenamtlich in der Feuerwehr, 35 000 Mitarbeiter haben die Berufsfeuerwehren. Wir ermöglichen mit den Brandschützern einen Blick hinter die Kulissen.
Waldeck-Frankenberg – Zum Handy greifen, Notruf 112 wählen, Hilfe kommt. Viel komplizierter ist es im Ernstfall tatsächlich nicht, schnelle und professionelle Unterstützung zu bekommen. Ehrenamtliche zu finden, das kennt jedes Vereinsmitglied, wird in unserer Gesellschaft allerdings immer schwieriger. Den Feuerwehren gelingt es trotzdem, rund um die Uhr Einsatzfahrzeuge zu besetzen und Leben zu retten. Wie ist das möglich?

Jugendarbeit seit 1882

Dass man in der Feuerwehr Nachwuchs brauchen würde, hat man bereits früh erkannt. 1882 ist auf der Insel Föhr eine Jugendfeuerwehr entstanden, in der junge Inselbewohner für ihre Väter, meist Fischer, den Einsatzdienst in ihrer Abwesenheit übernehmen mussten. Das heute bekannte Modell der Nachwuchsarbeit in der Feuerwehr hat im Harz das Licht der Welt erblickt. 1948 wurde die erste Nachwuchsabteilung in Clausthal-Zellerfeld gegründet. Gleiches ist später auch in weiten Teilen Nordhessens und in Südniedersachsen passiert. Um den Nachwuchs für die Feuerwehr sicherstellen zu können, wurden Jugendfeuerwehren, viele von ihnen sind heute schon 50 Jahre alt, gegründet. Der Wettbewerb um junge Menschen durch Vereine und die Ansprüche der Eltern, beispielsweise ein Musikinstrument zu lernen, ist in den Jahren jedoch immer weiter gewachsen. Viele Zehnjährige sind bereits voll mit Terminen, sodass wenig Zeit für die Jugendfeuerwehr bleibt.

Hessen war Vorreiter

Um dort rechtzeitig einen Fuß in die Tür zu bekommen, entstehen seit 1992 bis zum heutigen Tag immer weitere Kinderfeuerwehren. Hier können Kinder bereits ab 6 Jahren Mitglied werden und mit 10 in die Jugendfeuerwehr übertreten. Vorreiter war hier übrigens Hessen: Im Frankfurter Stadtteil Praunheim wurde 1992 die erste Kinderfeuerwehr gegründet.
Ein Blick auf die Statistik zeigt, dass dieses Konzept durchaus als Erfolgsmodell bezeichnet werden kann: rund 26 500 junge Menschen zwischen 10 und 18 Jahren engagieren sich in Hessen in der Jugendfeuerwehr, noch mal knapp 10 000 in der Kinderfeuerwehr. In Niedersachsen sind in den Kinder- und Jugendfeuerwehren 40 000 Kräfte aktiv.
Nachwuchsarbeit ist für die Feuerwehren also unverzichtbar. „Die meisten Mitglieder in den Feuerwehren haben ihre Laufbahn bereits in der Kinder- oder Jugendfeuerwehr begonnen“, sagt Sophie Meyer, Stadtjugendfeuerwehrwartin der Feuerwehren der Stadt Waldeck. Dabei weiß Meyer genau, wovon sie spricht. Sie selbst kommt aus einer Feuerwehr-Familie und ist mit 12 Jahren zur Jugendfeuerwehr hinzugestoßen. Heute, mit 19 Jahren, verantwortet sie bereits auf Stadtebene die Jugendarbeit, die im gesamten Landkreis Waldeck-Frankenberg stark läuft. Die Kreisjugendfeuerwehr konnte im Jahr 2019 mit 1498 Mitgliedern einen Höchststand in den Jugendfeuerwehren vermelden. Im aktuellen Jahr sind es 1567. Die Feuerwehren sind also gut durch die Pandemie gekommen.

Soziales Engagement

Einer von vielen Gründen ist laut Sophie Meyer die starke Gemeinschaft und Abwechslung. „In der Jugendfeuerwehr stehen allgemeine Jugendarbeit und feuerwehrtechnische Ausbildung zu gleichen Teilen auf dem Programm“, sagt die Stadtjugendfeuerwehrwartin. Konkret bedeutet das: Die Jugendfeuerwehren bieten eine gute Mischung aus Schläuche rollen und Feuer löschen sowie Teamspielen, Zeltlagern und Gemeinschaftsaktionen. Das können beispielsweise die jährlichen Tannenbaum-Sammelaktionen sein, wie sie seit Jahren in vielen Orten angeboten werden. Hier wird deutlich: Der Grundgedanke, etwas für die Gesellschaft zu tun, sei fest in der Jugendfeuerwehr verwurzelt.
Große Unterschiede zum Einsatzdienst der „Großen“ gebe es bei der Jugendfeuerwehr übrigens nicht. Natürlich stehen die Mädchen und Jungen nicht alleine am Strahlrohr oder bedienen selbst eine Pumpe. Auch bei echten Einsätzen können sie nicht mitfahren.
„Die Zeit in der Jugendfeuerwehr ist aber eine Vorbereitung auf die Zeit als aktives Feuerwehrmitglied“, betont Meyer. Diese sei verglichen mit so manch anderer Freizeitbeschäftigung durchaus actionreich und mit dem Grundsatz verbunden, dass man bei den Brandschützern Aufgaben nur gemeinsam lösen kann.

Lernen fürs Leben

Grundsätzlich sei die Mitgliedschaft in der Kinder- und Jugendfeuerwehr eine gute Idee, zumal sie in den meisten Orten oder im Nachbarort vorhanden sind. „Das, was die Jugendlichen hier lernen, hilft ihnen auch im Alltag weiter. Sie wissen, wie man ein Feuer löscht, einen Verband anlegt, oder worauf es ankommt, wenn man den Notruf wählt“, sagt Meyer. „Damit haben sie sogar vielen Erwachsenen etwas voraus.“