2023 WLZ 13. 01. Heimatdorf auf 500 Seiten

Chronik krönt Lebenswerk des verstorbenen Harald Köhler

VON JÖRG SCHÜTTLER

Präsentieren die Alrafter Chronik: (von links) Ortsvorsteher Philipp Litschel, Doris und Heinrich Köhler mit einem Foto ihres verstorbenen Sohns Harald, der die Chronik verfasst hat, sowie Klaus Altenhein und Bürgermeister Jürgen Vollbracht. Foto: Schüttler

Waldeck-Alraft – „Die Alliierte Armee dehnt den rechten Flügel bis auf die Höhen hinter Höringhausen aus und den linken Flügel bis zum Dorfe Alraft hin, längs der Front werden auf Verfügung des Grafen von Schaumburg-Lippe Batterien angelegt.“ Das ist der druckfrischen Ortschronik zu entnehmen. Im Siebenjährigen Krieg fanden 1760 auch rund um Alraft erbitterte Kämpfe statt.
Dies ist nur eine von unzähligen Unterlagen, die der 2019 verstorbene Heimatforscher Harald Köhler in langjähriger Arbeit ausgewertet hat. Das Ergebnis liegt jetzt vor: Das Buch „Alraft. Geschichtliche Daten über den Waldecker Ort im Tal der Werbe“ ist mit fast 500 Seiten in einer Auflage von 100 Exemplaren erschienen.
„Harald Köhler hat in sein Werk viel Arbeit hineingesteckt. Ich finde es toll, dass die Familie jetzt dahintersteht und die Veröffentlichung in die Hand genommen hat“, sagte Bürgermeister Jürgen Vollbracht.
Schon früh interessierte sich Köhler für die Geschichte seines Heimatdorfs. Der gelernte Bäcker trug Dokumente, Landkarten und Fotos aus zahlreichen Archiven und auch von Privatpersonen zusammen. „Harald hat viele Stunden in das Buch investiert. Er ist häufig nach der Arbeit noch in Archive gefahren. Im Korbacher Stadtarchiv war er wie zu Hause“, erinnert sich seine Mutter Doris. Ortsvorsteher Philipp Litschel bekräftigt, wie „zielstrebig und ausdauernd er war, um historische Unterlagen zu sammeln.“
Durch seine schwere Krankheit und später durch die folgende Corona-Pandemie musste die Veröffentlichung verschoben werden, erklärt Klaus Altenhein. Auch bei ihm hatte Köhler historische Dokumente aus Familienbesitz ausgewertet. Historische Fotos und Landkarten über Alraft wurden erstmals 2010 beim Lindenfest in einer Ausstellung präsentiert. Ortsvorsteher Litschel regte an, dass diese Unterlagen noch einmal im Dorfgemeinschaftshaus vorgestellt werden könnten.
Harald Köhler wurde 1966 geboren und ist in Alraft aufgewachsen. Er begann 1982 seine Ausbildung in der Bäckerei Plücker und war in der Freiwilligen Feuerwehr aktiv. In fast 20-jähriger Arbeit hat er historische Unterlagen über seinen Heimatort zusammen getragen.
Der Alrafter wertete zahlreiche Unterlagen aus dem Hessischen Staatsarchiv Marburg aus und forschte außerdem im Stadtarchiv in Korbach, wo er bis kurz vor seinem Tod regelmäßig anzutreffen war.
Beim Lindenfest 2010 präsentierte er eine große Ausstellung über die Geschichte des Dorfes. 2017 veröffentlichte Köhler das Buch „Die Rittermühle in Alraft“. Darin zeigt er Details von der erstmaligen Erwähnung in 1301, als sie an das Kloster Haina fiel, bis zur Gegenwart auf. Heute hat die Bäckerei Plücker dort ihren Stammsitz.
Köhler starb am 25. März 2019 im Alter von 53 Jahren nach langer Krankheit.

Daten und Anekdoten aus „Alraffa“

Harald Köhler (†) Verfasser der Alrafter Chronik

Als ein „umfassendes Werk mit erstaunlicher Detailtiefe bis hin zu den Gründungstagen Alrafts“ bezeichnet Ortsvorsteher Philipp Litschel in seinem Grußwort die Dorfchronik. Harald Köhler hat die Geschichte von der Ersterwähnung in einer Urkunde des Klosters Corvey als „Alrepe“ 1126 bis ins Jahr 2018 dargestellt.
Die alte Bezeichnung „Alraffa“, was übersetzt „Wasser, das zwischen Erlen fließt“, bedeutet, führt er auf keltische Ursprünge zurück. Den Hauptteil des Buches macht die chronologische Darstellung mit Quellenangaben aus.
Neben archivalischen Quellen, vor allem aus dem Stadtarchiv Korbach und Hessischem Staatsarchiv Marburg, hat Köhler auch die Kirchenbücher im Pfarrarchiv Sachsenhausen ausgewertet. Neuere Publikationen und ältere Literatur zog er heran, so Louis Curtzes 1850 erschienene „Geschichte und Beschreibung des Fürstentums Waldeck“, Victor Schultzes „Waldeckische Reformationsgeschichte“ von 1909 sowie die WLZ-Heimatbeilage „Mein Waldeck“.
Nicht zuletzt hat er aus den Beilagen zu den Fürstlich Waldeckischen Regierungs-Blättern zitiert, die einen Eindruck in das Leben der Orte im 19. Jahrhundert vermitteln. Meist handelt es sich um Verordnungen, Kreditsachen, Versteigerungen von Häusern und Grundstücken, aber auch um Pacht und Auswanderungsgesuche.
Zahlreiche Informationen hat Köhler der 1887 erstmals erschienenen „Corbacher Zeitung“, die seit 1910 den Titel „Waldeckische Landeszeitung“ trägt, entnommen, deren Ausgaben im Stadtarchiv Korbach vollständig vorhanden sind.
Ein Schwerpunkt sind die Auswirkungen des Ersten Weltkriegs in Alraft sowie die Entwicklung des Dorfes in der Weimarer Republik. So kandidierte bei der Waldeckischen Landtagswahl 1922 der frühere Alrafter Lehrer Jakob Euler an der Spitze der Deutschen Demokratischen Partei (DDP), welcher dann bis zum Ende des Freistaats 1929 sein Mandat behalten sollte.
Auch Humorvolles kommt nicht zu kurz, wie ein Bericht aus der „Corbacher Zeitung“ von 1888: „Um die Gänsezucht im Dorf im Schwung zu halten, wurde ein Einwohner auserkoren, sich um den Gänserich zu kümmern. Als dieser nach guter Pflege und Fütterung die Gänse beglücken sollte, stellte man fest, dass der Gänserich in Wirklichkeit eine Gans war.“
Weitere Kapitel drehen sich um die Wüstungen Nuenborn, Sigelaldesfelt, Reinbrahtinchusen, Rissinghausen, Opperbach und Alt-Sachsenhausen sowie militärische Ereignisse.
Die Dorfchronik ist in Alraft bei den Familien Altenhein, Im Werbetal 5, Tel. 05634/ 9936046, und Köhler, Zum Alraftsgraben 2, Tel. 05634/ 7874, für 35 Euro erhältlich.  sj