2022 WLZ 24. 09. 3,5 Millionen „Kröten“ schlucken
Sondersitzung zu Preisschock bei Bauprojekten mit heftiger Kritik
VON CONNY HÖHNE
Eine Million teurer als geplant: Die Ortsdurchfahrt in Waldeck. Sie nicht auszubauen wäre keine Option, waren sich die Stadtverordneten einig. Fotos: Conny Höhne
Waldeck – Bei drei großen Bauprojekten laufen der Stadt Waldeck die Kosten aus dem Ruder. Neugestaltung von Marktplatz und Ortsdurchfahrt in Waldeck und Neubau der Kläranlage auf Scheid erfordern einen Nachschlag in Höhe von 3,5 Millionen Euro. Die Kostenexplosion ist Thema einer Sondersitzung – neun Tage nach der letzten Parlamentssitzung.
Der „Preisschock“, den die Wildunger gerade erst beim Neubau des Schwimmbads ereilte, trifft nun auch die Waldecker, erläutert der stellvertretende Stadtverordnetenvorsteher Peter Trietsch das Dilemma, der die Sitzung am Donnerstagabend im Waldecker Bürgerhaus leitet.
Die Waldecker müssen Mehrkosten beim Marktplatz (800 000 Euro), der Straße (1 Million Euro) und der Kläranlage (1,7 Millionen) verdauen.
Kostenexplosion durch Energiekrise und Krieg sind nach Angaben des Planungsbüros die Gründe für die Preissprünge der aktuellen Ausschreibung. Im Straßenbau seien die Preise in zwei Jahren um rund 30 Prozent gestiegen. Bei den Bauprojekten in Waldeck kommen Änderungen der ursprünglichen Planung hinzu, die noch nicht einkalkuliert waren. Die Einbahnstraßenregelung mit größeren Gehwegflächen und hochwertigem Pflaster schlage da zu Buche, erläutert der Planer. Exakte Zahlen bleiben Verwaltung und Planer den Stadtverordneten trotz Nachfragen schuldig.
Für die Kläranlage kommt hinzu, dass die erst im nächsten Jahr benötigte Technik schon jetzt bestellt werden soll, um nochmalige Preiserhöhungen zu vermeiden.
Silberstreif am Horizont: Die Haushaltssituation lässt laut Bürgermeister Jürgen Vollbracht die Mehrausgaben verkraften. Deckung sei gewährleistet durch Einsparungen bei geplanten Maßnahmen, die nun verschoben werden, sowie durch Zuschüsse und durch Verpflichtungsermächtigungen für das Haushaltsjahr 2023. Daher sehe die Kommunalaufsicht kein Problem, die überplanmäßige Ausgabe durch das Parlament genehmigen zu lassen. Viele Fragen und wenige Antworten gibt es in der anschließenden Diskussion. Martin Merhof (FDP) macht seinem Unmut Luft. „Ich bin unzufrieden.“ Er kritisiert die begleitende Beamer-Präsentation, die keine neuen Informationen gebracht habe, und die spärliche Auskunft der Planer. „Dafür braucht man nicht zu kommen, um nichts zu hören.“ Nicht nachvollziehbar ist für Martin Germann (FWG), dass die Kostenexplosion vor neun Tagen gar kein Thema war.
Nach kurzer Beratung fällt das Fazit einmütig aus. Für die CDU stellt Michael Keller ernüchternd fest, dass gar keine andere Wahl bleibe als die Mehrkosten abzusegnen. „In Waldeck noch mal so einen Sommer mit Gästen – das geht gar nicht“, verweist er auf die marode Schlossstraße und den mit Bauzaun verbarrikadierten Marktplatz.
Martin Neuhaus (Bündnis 90/Die Grünen) folgert: „Wir haben jetzt den schwarzen Peter.“ Man müsse sehen, was in den nächsten Jahren noch investiert werden könne, „denn ausgeben können wir das Geld nur einmal“.
Latif Hamamiyeh Al-Homssi (SPD): „Wir müssen die Kröte jetzt schlucken.“ Das touristische Interesse stehe nun im Vordergrund. Spannend würden dann die Etatberatungen. „Ich weiß nicht, wie wir das alles noch unterbringen können.“ Germann spricht von einem „Abend der unbefriedigenden Angaben“. Das Einzige, was klar geworden sei: „Wenn wir nicht zustimmen, dann ist Stillstand angesagt.“
Der Vorschlag von Gunter Schäfer (CDU), den Marktplatz nicht zu verändern, um 800 000 Euro einzusparen, wird nicht diskutiert.
Am Ende werden die Mehrausgaben für Waldeck bei einer Gegenstimme und für Scheid einstimmig genehmigt.