2022 WLZ 20. 09. WALDECKISCHER GESCHICHTSVEREIN
Jahrestagung mit vollem Programm Besonderheiten Korbachs im Blick
VON DR. KARL SCHILLING
Endlich wieder Exkursionen: Nach zwei Jahren mit Corona-Beschränkungen bot der Waldeckische Geschichtsverein bei seiner Jahrestagung wieder ein volles Programm. Dazu zählte auch eine Führung durch die Korbacher Altstadt. Fotos: Schilling
Korbach – Nach zwei Jahren mit Corona-Beschränkungen bot der Waldeckische Geschichtsverein bei seiner Jahrestagung am Sonntag in Korbach wieder ein volles Programm mit Exkursionen, Festvortrag und Versammlung an. Der Vorsitzende Günter Engemann freute sich über den großen Zuspruch.
Pfarrer Steffen Blum begrüßte die Mitglieder am Morgen in der neu gestalteten Nikolaikirche. Er freute sich, dass der Geschichtsverein an der „schönen Tradition“ festhalte, den Tag mit einem Gottesdienst zu beginnen. Um den „schmalen Grad“ zwischen der Bewahrung der Tradition und dem Eingehen auf die Anforderungen der Moderne sei es gegangen, als die umfassende Innensanierung des Gotteshauses geplant worden sei.
In der Kirche müssten sich Menschen begegnen und sich wohlfühlen, sie hätte heller und wärmer werden und „mehr Platz“ bieten sollen. „Manchmal ist es hilfreich, umzudenken“, sagte er mit Blick auf die Diskussion um die Neugestaltung. In seiner Predigt ging er auf den Ausspruch „Gott sei Dank“ ein.
Nach zwei Jahren Corona-Pause waren wieder Exkursionen möglich. Harald Rösler führte eine Gruppe durch die Neustadt, die Teilnehmer trotzten dem Regen. Im Wolfgang-Bonhage-Museum führte Britta Hein durch die Abteilungen zum Goldbergbau und zur Fossilienfundstelle „Korbacher Spalte“, Museumsleiter Dr. Arnulf Scriba stellte die Sonderausstellung „Petticoat & Toast Hawaii – Korbach und die 50er-Jahre“ vor. Bei einigen Interessenten wurden bei den Stücken Jugenderinnerungen wach.
Die Hansestadt mit ihren beiden gotischen Kirchen, der Goldbergbau, die „Korbacher Spalte“ – die Führungen sollten Einblicke in die Alleinstellungsmerkmale Korbachs geben, erklärte die Vorsitzende der gastgebenden Bezirksgruppe und Vizevorsitzende des Gesamtvereins, Britta Hein, die den Tag mit ihrem Team organisiert hatte.
Nach dem Festvortrag bot der Förderverein der Nikolaikirche Kaffee und Kuchen an. Die Jahreshauptversammlung folgte. In seinem Bericht verwies Günter Engemann auf das Waldeck-Projekt von Gymnasiasten der Alten Landesschule in Korbach. In Corona-Zeiten seien neue Bücher und Ortssippenbücher eine Möglichkeit gewesen, in der Öffentlichkeit als Verein präsent zu bleiben. Die Sanierungsarbeiten im Schreiberschen Haus beträfen seit Herbst auch die Geschäftsstelle und Bibliothek. Dort seien inzwischen 1000 der 6000 Titel digital katalogisiert.
Geschäftsführer Philipp Wecker präsentierte für die Schriftleitung den neuen Band der Geschichtsblätter.
Der Vizevorsitzende Thomas Kraft appellierte an alle Mitglieder, bei der Suche nach einem neuen Schatzmeister mitzuhelfen. Der kommissarische Amtsinhaber Richard Klaus stellte die aktuelle Kassenlage vor.
„Kompass fürs Leben“ geben
Es sei schön, die Angebote des Geschichtsvereins wieder wahrnehmen zu können, sagte die Kreisbeigeordnete Hannelore Behle bei den Grußworten im Bürgerhaus. Auch sie zeigten, „was Geschichtsforschung zu leisten vermag“. Die lokale Arbeit sei Grundlagenforschung für eine überregionale Geschichtsschreibung, sie sei keine „trockene Disziplin“ – sie könne ein „Kompass fürs Leben“ sein und dazu beitragen, „Fehler der Vergangenheit“ zu vermeiden. Der Verein müsse sich viele junge Menschen in seine Gemeinschaft holen.
Der Geschichtsverein begeistere Männer und Frauen mit seiner differenzierten und fachkundigen Forschung, betonte Bürgermeister Klaus Friedrich. Er könne Brücken bauen zwischen Vergangenheit und Zukunft und verbinde die Waldecker. Er erinnerte an einen Ausspruch von Dr. Ursula Wolkers: Waldecker zu sein, sei keine Frage von Geburt oder Wohnort, sondern eine Angelegenheit des Herzens.
Der Vorsitzende des Kasseler Vereins für hessische Geschichte und Landeskunde, Dr. Dirk Richhardt, bekannte sich zu seinen waldeckischen Wurzeln: Sein Großvater war Korbacher. Beide Vereine arbeiteten zusammen und hätten in Corona-Zeiten die gleichen Probleme gehabt. Er lobte das Programm der Waldecker, Identifikation finde vor Ort statt. Es gelte aber auch, die eigene Geschichte an Jüngere weiterzureichen – „die Flamme, nicht die Asche.“
Seine Stellvertreterin Ruth Piro-Klein vom Frankenberger Zweigverein lobte die „bemerkenswerte Stadtführung“: Sie habe dabei „Ecken entdeckt, die ich noch nie gesehen habe“. -sg-
Vier neue Ehrenmitglieder
Nach den Ehrungen – von links: Britta Hein, Walter Bracht, Anneliese Laartz, Klaus Pohlmann und Günter Engemann.
Was in den Bezirksgruppen geleistet werde, bilde das Fundament der Arbeit im Geschichtsverein, betonte der Vorsitzende Günter Engemann. Deshalb habe der Vorstand vier langjährige Vorsitzende von Bezirksgruppen zu Ehrenmitgliedern ernannt:
Gerhard Althoff arbeitete etwa 25 Jahre im Vorstand der Arolser Bezirksgruppe mit, davon sechs Jahre als Vorsitzender. In guter Erinnerung seien die gut geplanten, interessanten Reisen, etwa in die neuen Bundesländer.
Walter Bracht war 15 Jahre Vorsitzender der regen Diemelstädter Gruppe. Seine Spezialgebiete seien die Heimatgeschichte, Archäologie und Frühgeschichte – er sei auch Geoparkführer, sagte Engemann. Außerdem engagiere er sich im Rhoder Museum für Waldarbeit.
Anneliese Laartz leitet seit 2015 die erst 1995 gegründete Bezirksgruppe Waldeck. Sie habe immer Wert auf Teamarbeit gelegt, 2015 war ihre Gruppe Gastgeberin der Jahrestagung in Nieder-Werbe.
Klaus Pohlmann leitete von 2006 bis 2016 die Korbacher Gruppe. Er initiierte mit Karl Thomas und Prof. Krauße „Ortsbereisungen“ zu den romanischen Kirchen in der Stadt. Außerdem schrieb er Schülerwettbewerbe aus, um junge Menschen an die Geschichte ihrer Heimat heranzuführen. -sg-
Noch etwa 1,5 Tonnen Gold schlummern im Eisenberg
Der Festredner: Walter Hellwig stellte in seinem Vortrag den Eisenberg bei Korbach als bedeutende Goldlagerstätte vor.
Eigentlich ist Waldeck ziemlich reich – ruht im Eisenberg bei Korbach doch die bedeutendste Goldlagerstätte in ganz Deutschland. Doch der seit dem Mittelalter betriebene Abbau ist mühsam. Das berichtete Walter Hellwig bei der Jahrestagung in seinem Festvortrag. Der pensionierte Pfarrer ist auch Bergwerksführer, er berichtete über die Bedeutung des Goldbergbaus für die Region und über die Arbeit des Vereins Historischer Goldbergbau.
Bislang seien etwa 1,5 Tonen Gold gefördert worden, mindestens die gleiche Menge verstecke sich noch im Berg, sagte er – allerdings lagerten bei der Bundesbank in Frankfurt 3300 Tonnen.
Schon die Römer hätten Gold in der Eder gewaschen. Die Wäscher seien zu der Vermutung gelangt, im Eisenberg könne das Muttervorkommen liegen. Im elften Jahrhundert solle der Goldabbau dort begonnen worden sein. Gesellschaften aus Nürnberg, Straßburg und Magdeburg versuchten ihr Glück.
Die älteste bekannte Karte der Stollen stammt aus dem Jahr 1661, Johann Friedrich Heinzmann legte 1742 eine genaue Karte mit 19 Feldern und 32 Gruben in Betrieb vor. 1833 sei sie „verjüngt“ – also verkleinert worden, weil es weniger Abbau gab.
Hellwig berichtete über den ehrgeizigen Carl Theodor Rauschenbusch, der sich 1919 die Abbaurechte für 140 Quadratkilometer von Alraff bis Willingen kaufte und versuchte, im Eisenberg alte Stollen wieder zu öffnen und miteinander zu verbinden. Er habe auch die bedeutendste Grube im Dorf, „Sankt Georg“, erhalten wollen. 1923 gründete er eine Gewerkschaft, die 1000 Anteile ausgab. 1934 erreichte er die „Goldzone“, doch schon 1935 wurde die Arbeit eingestellt.
Erst der Landesgeologe und Heimatforscher Dr. Jens Kulick brachte neue Impulse. Er entdeckte nicht nur die „Korbacher Spalte“ und ließ Schloss Eisenberg ausgraben, er erfasste rund 20 Kilometer Strecke und 50 Stollen und Schächte und machte drei Goldlager aus. Er hatte auch die Idee, im „Unteren Tiefental-Stollen“ ein Besucherbergwerk einzurichten und den Verein „Historischer Goldbergbau am Eisenberg“ zu gründen, was 2002 geschah. Kuliks Nachlass ging 2020 an die Stadt und den Verein.
Hellwig nannte vier Aufgaben für die Zukunft: die geologische und mineralogische Aufarbeitung, das Projekt der Freiberger Bergakademie, ein digitales 3-d-Modell der Stollen zu konstruieren, ein Buch mit den mehr als 4000 Bildern Kuliks herauszugeben und ein neues Lager für die Bestände zu suchen. -sg-