2022 WLZ 10. 10. Dankbar auch in unsicheren Zeiten

Kreiserntedankfest des Bauernverbands mit Musik und kritischen Tönen

VON CONNY HÖHNE

Waldeck-Selbach – Die Bänke auf dem Hof und in der Halle der Familie Wagener reichen nicht aus: Weit über 300 Besucher sind der Einladung des Kreisbauernverbands Waldeck gefolgt und feiern ein Kreiserntedankfest. Hauptthemen: die extreme Trockenheit und die Folgen des Kriegs in der Ukraine.
Im ökumenischen Gottesdienst von evangelischen und der katholischen Kirchengemeinden und Evangelischer Gemeinschaft verliest Schwester Marie-Andra Schulte erschütternde Nachrichten aus aller Welt. Trotz oder gerade deswegen sehen Gisela Albrecht, Tobias Schade und Kirsten Zölzer, die mitwirken, vielerlei Anlass, dankbar zu sein. Umrahmt wird die Feier vom Posaunenchor Sachsenhausen sowie von Damaris Schäfer an der Orgel und Tobias Bülow.
Heiko Kieweg, Vorsitzender des Bauernverbands Waldeck, blickt zurück auf das Erntejahr. Nach vielversprechendem Start bleibt der Niederschlag aus. „Es ist das vierte trockene Jahr der letzten fünf Jahre.“ Tierhaltern fehlt Grünfutter. Im Ackerbau fallen Wintergetreide und Winterraps erfreulich aus. Beim Weizen hingegen fehlt oft das zum Backen benötigte Eiweiß. An dieses Klima würden Zug um Zug Anbaumethoden und Fruchtarten angepasst. Auch die Folgen des Kriegs seien deutlich spürbar. Preise für Agrarprodukte schießen in nie gekannte Höhen, für Milch zahlen erste Molkereien 60 Cent pro Kilogramm. „Das habe ich noch nie erlebt“, sagt Kieweg. Steigende Diesel- und Energiekosten sowie Lieferengpässe belasten Betriebe. „Ob genügend Mineraldünger im Frühjahr zur Verfügung steht, ist nicht sicher.“ Kritik übt er an stetig neuen politischen Vorgaben. Sein Wunsch: Einfrieren aller geplanten Auflagen und Änderungen für die nächsten Jahre. „Lassen Sie uns arbeiten und das tun, was wir können: hervorragende Lebensmittel produzieren.“
In dieselbe Kerbe stößt der Präsident des Hessischen Bauernverbands, Karsten Schmal. „Wir müssen im Herbst aussäen und wissen noch gar nicht, wie die Regelungen aussehen.“ Insbesondere bei Stallbauten sei Planungssicherheit nötig. Der Tierbestand gehe stark zurück. Vor 100 Jahren wurden in Hessen 1,7 Millionen „Großvieheinheiten“ gezählt, aktuell gebe es noch 0,4 Millionen Nutztiere. „Reichen die Lebensmittel für uns alle?“ Diese Sorge treibe viele Länder dieser Welt um. Das hat der Vize-Präsident des Deutschen Bauernverbands beim Weltmilchgipfel in Indien hautnah erfahren. „Umso dankbarer bin ich, dass wir hier auf diesem Fleckchen Erde geboren wurden und dass wir auch in Zukunft dafür sorgen, dass wir diese Heimat und Landschaft erhalten.“
Kreisbeigeordneter Karl-Friedrich Frese überbringt die Grüße der Kreisgremien sowie der anwesenden Bundestagsabgeordneten Esther Dilcher (SPD) und des Landtagsabgeordneten Jan-Wilhelm Pohlmann (CDU). Frese: „Die Landwirtschaft war immer ein Motor der gesellschaftlichen Entwicklung.“
Junge Berufsanfänger werden für ihren Abschluss geehrt (Artikel rechts). Karin Herzog vom Verein Landwirtschaftlicher Fortbildung (VLF) ruft sie auf, sich stetig „weiter zu bilden“.
Mit geselligen Stunden bei strahlendem Herbstwetter, leckeren Speisen, flotter Musik durch den Musikzug Sachsenhausen und Dank für die Gastfreundschaft der Familie Wagener klingt das Kreiserntedankfest aus.

Ehrungen für Berufsanfänger

Geehrt – teils in Abwesenheit – wurden erfolgreiche Absolventen von Berufen in der Landwirtschaft. Abschluss Landwirt: Dominik Boos (Landau), Stefan Daude, Benedikt Jungermann (Edertal), Phillip Luttrup (Fürstenberg), Lukas Ladage (Neudorf), Marie-Sophie Scharf (Flechtdorf), Vanessa Schiffmann (Goldhausen). Agrarbetriebswirt: Johannes Hellwig (Hillershausen), Kimberly Müller (Diemelsee), Stefanie Horchler (Landau), Lukas Rock (Herbsen). höh